Karl-Heinz Gerstenberg zur Aktuellen Debatte über die Hochschulfinanzierung

Sachsen hat bereits die rote Laterne bei der Grundfinanzierung pro Studierenden. Sie soll jetzt noch heller leuchten
Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zur Aktuellen Debatte "keine akademische Flickschusterei in Sachsen – Hochschulen bedarfsorientiert finanzieren" (LINKE) in der 51. Sitzung des Sächsischen Landtages, 07.03., TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Tippelt, von mir nur noch ein Hinweis zu den beiden gerade gemachten Interventionen. Lesen Sie doch bitte nicht nur Ihre Kleine Anfrage, lesen Sie auch die Papiere der Hochschulen, lesen Sie die Papiere des Wissenschaftsrates. Dort werden Sie erkennen, dass die zu geringe Grundfinanzierung das Hauptproblem der Hochschulen insbesondere in Sachsen ist.
Nun könnte die Entwicklung der Studierendenzahlen eitel Freude in diesem Landtag auslösen. So sehe ich das zumindest, denn die Prognosen waren wieder einmal falsch. Das hat sich schon seit Jahren angedeutet. Wenn jetzt eben nicht 17.000 junge Leute, wie von der KMK einst prognostiziert, sondern 21.500 im Jahr 2011 ein Studium begonnen haben, dann ist das eine besonders bemerkenswerte Leistung angesichts der zurückgehenden sächsischen Abiturientenzahlen. Der Grund liegt natürlich in der Leistungsfähigkeit der sächsischen Hochschulen und in der Attraktivität ihrer Standorte.
Eine gute Politik müsste diese reale Entwicklung zur Kenntnis nehmen und klug darauf reagieren. Aber was machen die Staatsregierung und die Koalition? Statt diese Entwicklung als Chance für die sächsische Zukunft zu sehen, wird alles getan, um sie abzuwürgen. Das bisher schlimmste Beispiel war für mich heute Vormittag Kollege Zastrow in der Debatte. Bei mir angekommen ist seine Angst vor den Studierenden. Es kommen zu viele nach Sachsen. Das haben wir doch nicht gewollt.
Gut, angesichts der Hochschulpolitik der FDP wäre das ja verständlich. Aber offensichtlich haben CDU und FDP nicht begriffen, was es bedeutet, wenn junge Leute an sächsische Hochschulen kommen und 60 % der Absolventen hier bleiben. Das sind junge Leute, die von außerhalb als Studenten hierher kommen. Das ist unser Weg gegen den Fachkräftemangel. Das ist unser Weg zur Abfederung der  demografischen Entwicklung, und seien wir doch ehrlich: Das ist mittelfristig der  einzige Weg.
Herr Kollege Mackenroth, diese Zahlen mit den 33.000 Beschäftigten an den sächsischen Hochschulen und nur 300 Stellen Kürzung – also, Sie wollten wahrscheinlich deutlich machen, dass das nicht einmal ein Prozent ist. Das sind ja nur Peanuts. Ich halte das für Hochschulpolitik mit dem Taschenrechner. Nehmen Sie doch die Realität wahr! Ihre nicht einmal ein Prozent heißt in der Praxis an den Hochschulen, dass Studiengänge gestrichen werden müssen, von der Geografie in Dresden bis zur Pharmazie in Leipzig. Das heißt, Professuren mit Forschungskapazität gehen verloren, und das, nachdem bereits ein Sechstel im vergangenen Jahrzehnt verloren gegangen ist. Das ist ein wissenschaftlicher Aderlass ohnegleichen in diesem Land. Das heißt aber auch; Es ist keine gesteuerte Profilbildung möglich, sondern die Hochschulen müssen dort streichen, wo gerade Professuren auslaufen.
Aber ich wollte eines noch sagen: Sie haben diese Prozentargumentation in den Raum gestellt. Wenn ich mich darauf einlassen würde, könnte ich Ihnen auch sagen: Von Ihrem großen Ziel der 70.000 Stellen, die künftig nur noch im Landesdienst übrig bleiben sollen, sind die 300 nur 0,4 %. Also, was diskutieren Sie überhaupt?
Ich sehe in dem Streichen dieser Stellen in einer Zeit, in der die Studierendenzahlen anwachsen, einen schwarz-gelben Koalitionsstarrsinn im fortgeschrittenen Stadium.
Die Ministerin hat versucht, dem mit dem Ruf nach befristeten Lehrstellen in einer Art Verzweiflungsakt entgegenzuwirken. Natürlich würde die Prekarisierung an den Hochschulen damit verstärkt. Sie können doch nicht argumentieren, dass es an den Hochschulen ohnehin schon so viele befristete und Teilzeitstellen gibt. Das ist ja der Skandal! Wenn Sie diesen Skandal noch als Grundlage Ihrer Argumentation nehmen, stellen Sie sich wirklich hochschulpolitisch ins Abseits.
Nebenbei: Bei befristeten Stellen geht natürlich auch der Bezug zur Lehre verloren, und das ist das, was wir gerade in Sachsen, in unseren Hochschulen nicht wollen. Ich sage Ihnen ganz offen: In dieser Situation, in der es seit Jahren ein Ringen zwischen der Wissenschaftsministerin und dem Finanzminister um den Erhalt der Hochschulstellen gibt, hätte ich mir ein klärendes Wort des Ministerpräsidenten gewünscht. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Tillich endlich einmal seine Richtlinienkompetenz wahrnimmt.
Heute hat er kaum etwas zu den Hochschulen gesagt – das allerdings in sehr wohltönenden Worten. Aber der Klartext stand gestern in der Zeitung, in einem kleinen Halbsatz. Der Klartext lautet: Es bleibt beim Stellenabbau. Das heißt, der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen hat die Richtlinie ausgegeben: Sachsen hat bereits die rote Laterne bei der Grundfinanzierung pro Studierenden. Sie soll jetzt noch heller leuchten.
In Sachsen müssen bereits rund ein Viertel der Studierenden aus verschiedensten Gründen ihr Studium abbrechen. Es sollen noch mehr werden. Das halte ich für eine unvertretbare Hochschulpolitik und für eine Richtlinie, die nicht der Zukunft unseres Landes entspricht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube an die Vernunft der Menschen. Deshalb gebe ich auch die Hoffnung nicht auf, dass Staatsregierung und Koalition noch zur Vernunft kommen und die Studierendenzahlen hier in Sachsen als Chance begreifen; denn darin liegt Sachsens Zukunft und die sollten Sie nicht kaputt sparen.