Karl-Heinz Gerstenberg zur Kulturraumfinanzierung
Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum „Gesetz begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2011/12 (Haushaltsbegleitgesetz 2011/12)“ in der 26. Sitzung des Sächsischen Landtages, 15.12., TOP 2
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Antrag unserer Fraktion streicht die geplante Zweckbindung der Kulturraummittel in Höhe von 3,7 Millionen Euro für die staatlichen Landesbühnen Sachsen und erhält dadurch den Kulturräumen ihre Finanzierung in unveränderter Höhe.
Meine Damen und Herren von der Koalition,
wenn Sie die sächsischen Kulturräume zwingen, die Landesbühnen mitzufinanzieren, dann verstoßen Sie eklatant gegen die Systematik des innovativsten sächsischen Gesetzes, um das wir deutschlandweit beneidet werden. Zugleich schränken Sie die kommunale Selbstverwaltung ein.
Sage jetzt niemand: Es hätte ja noch schlimmer kommen können, ursprünglich sollten sieben Millionen gekürzt werden. Wir alle wissen doch, dass selbst bei gleichbleibenden Mitteln die personalintensiven Kultureinrichtungen unter ständigem Druck sind. Wenn jetzt Streichungen hinzu kommen, dann werden sicher nicht von heute auf morgen die Häuser schließen – da stehen die Verträge entgegen. Aber es wird weniger Aufführungen, weniger Konzerte geben. Das heißt: Die sächsischen Theater und Orchester von Plauen bis Görlitz müssen künftig nach den Noten Ihres Streichkonzertes spielen!
Vor allem aber würde es die kleinen Initiativen, die freien Künstler und Projekte treffen, die so wichtig für Vielfalt und Kreativität in unserer Kulturlandschaft sind. Lassen Sie uns das verhindern, denn dadurch würde das Leben in Sachsen ärmer!
Frau Staatsministerin von Schorlemer, sie meinten kürzlich, das alles sei kein Weltuntergang. Mag sein, denn die Welt ist ja zum Glück etwas größer als unser kleines Sachsen. Es mag vielleicht kein Weltuntergang sein, aber es ist ein Untergang des Vertrauens! – und das in mehrerer Hinsicht.
Zum einen verstößt diese Gesetzesnovelle gegen den Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes und das dem Rechtsstaat innewohnende Willkürverbot. Prof. Ossenbühl hat dies in seinem Gutachten umfassend dargelegt.
Vor allem aber wird das seit 1993 gewachsene Vertrauen der Künstler und Kulturschaffenden zerstört! Daraus erklärt sich ja die anhaltende Flut an Protestbriefen, deren Unterzeichner ich hier nicht einmal ansatzweise aufzählen kann, die aber meine volle Solidarität und Unterstützung haben.
Zu diesem Vertrauensbruch kommt noch der Bruch eines kulturpolitischen Konsens in diesem Haus, der seit 1993 besteht. Das Kulturraumgesetz ist eines der wenigen Beispiele für anhaltende politische Einigkeit im Sächsischen Landtag. Es wurde 1993 einstimmig beschlossen, später von der alleinregierenden CDU-Fraktion gegen die Angriffe des Finanzministers Milbradt geschützt und 2008 wiederum im Konsens aller Fraktionen novelliert. Deshalb hatte ich auch diesmal darauf gehofft, werte Abgeordnete aus der CDU-Fraktion, dass Sie wie Ihre Vorgänger standhaft bleiben. So wie die Dinge jetzt stehen, gibt es leider nur eine Schlussfolgerung: Kultur hat in dieser Koalition keinen hohen Stellenwert!
Was Sie in diesem Haushalt mit den Landesbühnen Sachsen vorhaben, ist eine Kommunalisierung mit der Brechstange. Die entsprechenden Schäden werden nicht nur bei der Stadt Radebeul sichtbar sein, sondern in allen Kulturräumen. Der Übergang braucht mehr Zeit und Überlegung. So, wie Sie ihn gestalten, wird auf infame Weise ein Keil zwischen die Landesbühnen und die anderen sächsischen Theater getrieben.
Die Proteste, Bitten und Aufforderungen aus den Kulturräumen halten bis jetzt an. Das zeigt, wie groß die Hoffnungen auf Einsicht noch in letzter Minute sind. Deshalb geben wir Ihnen in dieser abschließenden Sitzung Gelegenheit, diesen Hoffnungen Rechnung zu tragen. Ich fordere Sie auf: Zerstören Sie nicht das Vertrauen der Kulturschaffenden in unserem Land, brechen Sie nicht den kulturpolitischen Konsens in diesem sächsischen Landtag, sondern lassen Sie das Kulturraumgesetz unangetastet! Stimmen Sie diesem Änderungsantrag zu!