Karl-Heinz Gerstenberg zur Reform des Denkmalschutzgesetzes

Wer einmal für fünf Jahre an die Macht gespült wurde, hat keinesfalls das Recht, jahrhundertealte Baudenkmale unwiederbringlich zu vernichten
Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zur 2. Aktuellen Debatte „Sachsens kulturelle Erbe erhalten – Denkmalschutz stärken“ (GRÜNE) in der 20. Sitzung des Sächsischen Landtages, 2. September, TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sachsen kann stolz sein – stolz auf den Reichtum an Denkmalen, der einen großen Teil unseres kulturellen Erbes ausmacht und für den wir im In- und Ausland bewundert werden.
Es sind diese Kulturdenkmale, die Identität im Lande stiften, die auch eine starke Anziehungskraft auf Touristen ausüben, die darüber hinaus aber nicht zuletzt ein Wirtschaftsfaktor sind. Es sind Tausende Handwerker, Architekten, Beschäftigte in Bauunternehmen, Restauratoren, die einen wichtigen Teil des Bauwirtschaftsgewerbes ausmachen.
Sachsen kann auch stolz sein auf seine Rolle in der Geschichte des Denkmalschutzes. Diese reicht nämlich von den ersten bürgerlichen Vereinen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts über die Gründung des Landesamtes 1919 bis in die Gegenwart mit einem vorbildlichen Denkmalschutzgesetz.
Denkmalschutz hat in diesem Lande stets auch die Menschen bewegt. Wer sich 20 Jahre zurückerinnert, der wird wissen, dass es damals auch der Verfall der historischen Innenstädte war- hervorgerufen durch Misswirtschaft und ideologische Borniertheit -, der die Menschen 1989 auf die Straße getrieben hat. Herr Bandmann hat das einmal sehr anschaulich hier in diesem Hause für Görlitz geschildert.
Durch diese Geschichte und diese Wertschätzung ist es auch erklärbar, dass in der Sächsischen Verfassung im Rahmen einer Staatszielbestimmung Denkmale unter Schutz und Pflege des Landes gestellt werden.
Auch das Denkmalschutzgesetz im Jahre 1993 wurde einstimmig verabschiedet – ein Gesetz, das als innovativ eingeschätzt wird und bis heute international anerkannt ist.
Vor diesem Hintergrund ist es mir völlig unverständlich, dass das SMI offensichtlich entschlossen ist, diese Erfolgsgeschichte zu beenden und zum Frontalangriff auf die Denkmalpflege in Sachsen zu blasen. Der Arbeitsentwurf des SMI, der in diesem Jahr bekannt geworden ist, besteht aus zusammengestoppelten Regelungen, die nur einem Ziel zu dienen scheinen: den sächsischen Denkmalschutz auszuhöhlen.
Die Proteste und die, mit Verlaub gesagt, vernichtenden Stellungnahmen, die aus der Fachwelt gekommen sind, sind nach meiner Einschätzung beispiellos für einen Gesetzentwurf, auch in einer Arbeitsphase.
Herr Ulbig, ich glaube, es ist nicht einfach für Sie in dieser Situation, aber darin steckt auch eine Chance; nämlich die Chance, in dieser Arbeitsphase umzudenken und umzusteuern.
Ich möchte aus dieser Arbeitsfassung nur einen Punkt aufführen, der die heißesten Diskussionen erzeugt hat: die Einführung eines Zweiklassensystems – ein System, das unwissenschaftlich und sachfremd ist. Es gibt einen fachlichen Konsens. Die Gesamtheit der Denkmale macht den Wert einer Denkmallandschaft aus. Zu dieser Gesamtheit gehören nicht nur die Highlights, die als „hervorragend“ eingestuft würden, wie der Dresdner Zwinger oder das Residenzschloss; zu dieser Gesamtheit gehören auch die Umgebindelandschaft in der Lausitz, die Industriehalle im Erzgebirge und das Leipziger Gründerzeithaus.
Noch gravierender als diese Klassifikation ist aber, dass für Denkmale zweiter Klasse nur noch Schutz vor Abbruch und ein eingeschränkter Fassadenschutz geschaffen werden soll. Die Folge wäre die Möglichkeit eines ungeschützten Entkernens von Kulturdenkmalen; Grundrisse und Raumfluchten stünden ebenso zur Disposition wie Wandmalereien, Holzbalkendecken, Fußböden – und das geht zurück bis zum Barock und zur Renaissance.
Meine Damen und Herren,
mit diesem Ansatz in diesem Arbeitsentwurf wird eine Abkehr vom Grundprinzip des Denkmalschutzes vollzogen. Denkmalschutz gilt der Substanz und nicht nur dem Erscheinungsbild. Letztendlich geht es hier um den Zeugniswert von 80 bis 90 Prozent der Denkmale in Sachsen, die der Vernichtung anheimgestellt würden.
Herr Staatsminister Ulbig,
in den „DNN“ haben Sie das mit dem Ziel begründet, Sachsen für die Zukunft fit zu machen. Ich glaube, Sie irren. Ein Land, das seine Vergangenheit zerstört, wird auch seine Zukunft verlieren.
Die Kulturdenkmale sind unser gebautes kulturelles Gedächtnis. Die Verluste, die da eintreten, wären Gedächtnislücken, die nicht wieder ausgleichbar sind. Zur Disposition steht hier der Wert des Originals – dieser ist auch nicht durch historisierende Fassaden an Neubauten ersetzbar.
Ich sage deshalb angesichts der Größe dieser Verantwortung und der Einmaligkeit, um die es geht, noch einen Satz an die FDP, die ich in dieser Angelegenheit als treibende Kraft identifiziert habe: Sie sind gewählt worden, Sie haben alles Recht zu regieren – aber Sie sollten dies mit Augenmaß tun. Wer durch die Gunst der Wählerinnen und Wähler einmal für fünf Jahre an die Macht gespült wurde, der hat keinesfalls das Recht, jahrhundertealte Baudenkmale unwiederbringlich zu vernichten.