Datum: 24. Juni 2025

Kinder- und Jugendbeteiligung – Meier: Demokratie beginnt nicht mit dem Wahlzettel, sondern mit der Einladung zur Mitgestaltung

Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion BÜNDNISGRÜNE: „Kinder und Jugendliche ernst nehmen – Beteiligung junger Menschen in Sachsen stärken“ (Drs 8/2914)

15. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Dienstag, 24.06.2025, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin überzeugt: Demokratie wächst in Momenten, in denen Menschen erleben – meine Stimme zählt, mein Beitrag wird ernst genommen.

Ein solcher Moment wurde mir vor kurzem aus einer sächsischen Gemeinde berichtet. Und er hat mich nicht mehr losgelassen. Jugendliche entwickelten dort Vorschläge, wie die Verkehrsplanung in der Gemeinde so verändert werden kann, dass Schüler:innen sicherer und aktiver – zum Beispiel mit dem Fahrrad statt im „Eltern-Taxi“ – zur Schule kommen. Sie diskutierten mit dem Bürgermeister, Gemeinderatsmitgliedern, Eltern und Lehrkräften – offen, strukturiert, auf Augenhöhe.

Am Ende sagte ein Jugendlicher: „Man meckert immer, dass Politik nichts macht – aber eigentlich passiert da ganz schön viel.“

Und ein anderer: „Ich merke, dass Politik gar nicht so einfach ist – da hängt viel dran.“

Das ist für mich Demokratiebildung im besten Sinne: konkret, erfahrbar, ehrlich. Und gerade in einer Gemeinde, in der zuletzt 40 Prozent eine verfassungsfeindliche Partei gewählt haben, ist so eine Erfahrung unbezahlbar.

Diese Begegnung zeigt: Beteiligung ist mehr als das Recht, eine Meinung zu äußern. Sie zeigt auch: Demokratie beginnt nicht mit dem Gang zur Wahlurne, sondern mit der Ermutigung zur Mitgestaltung.

Kinder und Jugendliche sind – mit Hannah Arendt gesprochen – „Geborene zur Welt“, mit einem eigenen Blick auf Gegenwart und Zukunft. Wir verkennen, welches demokratische Potenzial in dieser Perspektive steckt, wenn wir sie ignorieren. Denn Kinder und Jugendliche sind nicht nur Zielgruppe von Politik – sie sind politische Akteure mit eigener Stimme.

Wenn wir es ernst meinen mit Teilhabe, dann brauchen wir mehr als symbolische Formate.
Wir brauchen Struktur. Qualität. Wirksamkeit.

Deshalb fordern wir mit diesem Antrag, das Erfahrungs- und Beratungsnetzwerk Bürgerbeteiligung Sachsen dauerhaft zu sichern – nicht als freundliche Ergänzung, sondern als zentrale Instanz. Mit über 300 Mitgliedern aus Kommunen, Landkreisen und der Zivilgesellschaft bietet das Netzwerk eine wichtige Plattform: für fachliche Qualität, für kommunale Beratung, für echten Transfer.

Beteiligung braucht Expertise. Und das EBBS bündelt sie. Und: Was wir fördern, müssen wir auch weiterentwickeln. Beteiligung braucht eine systematische Evaluation – nicht als Kontrollritual, sondern als Erkenntnisinstrument.

Nur so schaffen wir die Grundlage für echte Lernprozesse in Politik und Verwaltung – indem wir hinschauen: Was funktioniert? Was erreicht junge Menschen wirklich? Und was war nur gut gemeint?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Kinder und Jugendlichen von heute sind nicht die Demokrat:innen von morgen. Sie sind es schon – wenn wir sie lassen. Denn Demokratie beginnt nicht mit dem ersten Wahlzettel. Sie beginnt mit der Einladung zur Mitgestaltung. Mit dem Zutrauen, dass junge Menschen etwas beizutragen haben. Nicht als Übung für später – sondern als Stimme im Hier und Jetzt.

Vielen Dank!