Klagerecht für Naturschutzverbände – Günther: Bessere Beteiligung der Verbände ermöglichen
Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zum Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE:
"Gesetz zur Erweiterung von Beteiligungs- und Klagerechten für anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen (Sächsisches Naturschutzvereinigungsrechteerweiterungsgesetz – SächsNatSch-VRErwG)", Drs 6/16400
92. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 23. Mai, TOP 21
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mitunter hat man den Eindruck, dass manche Kollegen den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Es geht bei Beteiligung von Verbänden nicht darum, dass Verbände eigenständige Naturschutzrechte erfinden und einfach mal nach Gutdünken Verfahren aufhalten oder behindern könnten oder dies gar tun würden, sondern es geht einzig und allein darum, dass das geltende Naturschutzrecht umgesetzt wird. Dabei unterstützen die Verbände die Verwaltung mit ihrem Fachwissen. Geltendes Naturschutzrecht, was
wir hier im Landtag beschlossen haben und was der Bundestag beschlossen hat, ist das, was umgesetzt werden soll.
Das, was aus diesen ganzen Redebeiträgen heraussticht, ist ein ganz tiefgreifendes Misstrauen gegenüber der Gesellschaft, dort mitreden zu können oder zu dürfen. Aber dieses ganze Umweitrecht gibt es, weil es ein gesamtgesellschaftliches Bedürfnis ist.
Den Stellungnahmen entnehme ich: Natürlich, der BUND-Landesverband ruft nicht Hurra!, wenn regionale Verbände mit aufs Tableau kommen. Das hat aber wieder etwas mit diesen sehr stark beschränkten Ressourcen auf Landesebene zu tun, zum Beispiel für Stellungnahmen. Ja, das wissen wir. Jede
Bürgerinitiative, die lokal aktiv ist — Nein, regional tätig, drei Jahre, satzungsgemäß, Umweltschutz — da kommt nicht jeder um die Ecke. Selbst wenn, dann könnte er die Behörden nur darauf hinweisen, dass es vielleicht ein Vollzugsdefizit bei geltendem Umweltrecht gibt.
Wenn dann immer auf die Deutsche Umwelthilfe abgestellt wird, dann bitte ich darum, sich mit den in Sachsen bereits heute tätigen Verbänden auseinanderzusetzen. Denen einen Vorwurf zu machen, weil jemand in München etwas tut, da frage ich, was das mit dieser hoch verantwortungsvollen Arbeit zu tun
hat, die hier in Sachsen geleistet wird. Das hat nämlich nichts miteinander zu tun. Mit derselben logischen Konsequenz könnten Sie sämtliche Beteiligungs- und Klagerechte, die irgendjemand hat, verbieten, wenn Sie bei einem Fall den Eindruck hatten, einer könnte dem vielleicht misstrauen. Das ist geradezu absurd.
Ich hatte geradezu erwartet, dass dieses Märchen wieder vorgetragen wird, dass die Umweltverbände Rechte missbrauchen und Verfahren verlängern würden, Ich bin auch sehr enttäuscht, dass die Kollegin von den LINKEN genau dieses Märchen vorgetragen hat.
Dazu gibt es mittlerweile mehrere Erhebungen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in einer Studie für die Jahre 2013 bis 2016 dies analysiert. Im Jahr gibt es durchschnittlich nur 35 Klagen. Das sind 0,04 % aller Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Mit anderen Worten: 99,96 % der Verfahren haben nichts mit diesen Verbänden zu tun. Bemerkenswert ist die Erfolgsquote von 48,5 %. Die normale Quote an den Verwaltungsgerichten schwankt zwischen 10 und 12% jährlich. Das hat eine sehr hohe Bedeutung.
Wenn wir uns die Umsetzungsdefizite und alle anderen Defizite, die wr im Naturschutz haben — Artensterben, Lebensraumverluste —‚ ansehen, dann wäre das ein wirksames Mittel. Fast die Hälfte der Verfahren ist erfolgreich. Das heißt, ohne die Verbände wären rechtswidrige Entscheidungen bestehen geblieben. Angesichts dessen sind diese Beteiligungsrechte doch sinnvoll.
Es gibt auch Zahlen für Sachsen. Das Bundesamt für Naturschutz hat das in den Jahren 2002 bis 2012, also über zehn Jahre, untersucht. Es waren bundesweit im Schnitt noch 30 und in Sachsen 25. Das heißt, im Durchschnitt gibt es in Sachsen pro Jahr 2,5 Klagen. Zum Vergleich, weil ich die Zahlen für Sachsen nicht habe: Für Schleswig-Holstein hat der NABU berechnet, dass er bei circa 1.200 Verfahren beteiligt ist und bei ein bis zwei Verfahren gibt es ein juristisches Verfahren. Das sind im Schnitt circa 0,1 % der Verfahren. Das ist das, was ich aus der Praxis weiß, ebenso die Zahlen für Sachsen.
Bei dieser Größenordnung zu sagen, bei 0,1 % der Verfahren gibt es juristische Auseinandersetzungen und das würde jemand aufhalten: Nein, das zeigt die Verantwortung. Die Verbände bringen sich nämlich in genau diesen 99,9 % der Verfahren nur mit ihrem Fachwissen ein. Ich weise dieses Misstrauen gegenüber den Umweltverbänden schlicht zurück. Selbst dazu gibt es Untersuchungen, was die Verlängerung und die Dauer anbelangt. Das Bundesamt für Naturschutz hat festgestellt, dass 45,9 % der Verfahren überhaupt juristische Verfahren waren. Sie waren in weniger als einem Jahr abgeschlossen, nur 24 % in zwei Jahren, 11,1 % in drei Jahren und nur 18,5 % dauerten länger. Es ist also praktisch nichts, was juristisch stattfindet.
Ihre Einwendungen, die Sie hier vortragen, sind schlichtweg gegenstandslos. Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
» Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ‚Gesetz zur Erweiterung von Beteiligungs- und Klagerechten für anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen (Sächsisches Naturschutzvereinigungsrechteerweiterungsgesetz – SächsNatSch-VRErwG)‘ (Drs 6/16400)
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