Klimaschutzgesetz − Lippold: Es wird höchste Zeit, den Prozess des Klimaschutzes in Sachsen selbst zu steuern statt getrieben zu werden!
Rede des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold zur 2. Lesung des Gesetzentwurfes der GRÜNEN-Fraktion:
"Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Sachsen" (Drs 6/3024)
77. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 5. September, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben heute den Entwurf des Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes in Sachsen auf die Tagesordnung gebracht. Ein Entwurf, der seit Oktober 2015 im parlamentarischen Geschäftsgang ist. Das hat zur Folge, dass jetzt in den Paragraphen 6 und 11 Fristen anzupassen waren, was wir mit dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag, den ich damit gleich einbringe und begründe, bezwecken.
Warum erst jetzt die zweite Lesung?
Der Koalitionsvertrag dieser Koalition sah ja vor, in Sachsen beim aktiven Klimaschutz wie etwa dem Ausbau Erneuerbarer Energien ganz neue Ziele zu setzen, die sich nicht mehr an Blockaden der Vorgängerkoalition, sondern an den nationalen Zielen der Bundesrepublik orientieren sollten. Somit konnte man vernünftigerweise erwarten, dass man hier den Planungsrahmen etwa im Energie- und Klimaprogramm, sicherlich auch im Landesplanungsrecht rasch und gründlich anfassen würde, denn die Staatsregierung ist ja, trotz Störfeuer aus der CDU-Fraktion, von den genannten Aussagen des Koalitionsvertrages nie abgerückt.
So haben wir erwartet – und ich füge hinzu auch wieder und wieder hier an dieser Stelle mit wachsender Ungeduld angemahnt – dass von der Staatsregierung und der Koalition ein substantieller Vorschlag zu neuen Zielen beim Klimaschutz und vor allem auch zu Instrumenten für die Zielerreichung auf den Tisch kommt.
Wir haben vergeblich erwartet, dass irgendetwas Greifbares aus der Exekutive kommt. Entscheidungen, die das umsetzen, was die Koalition miteinander vereinbart hatte, wurden über die gesamte bisherige Wahlperiode nicht getroffen. Es wird zwar inzwischen immerhin Papier bewegt, doch die Wahlperiode geht zu Ende und vier Jahre sind verloren. Der Klimaschutz in Sachsen und unser Gesetzentwurf, der diesem endlich einen verbindlichen Rahmen geben soll, können nicht mehr auf Sie warten, meine Damen und Herren von der Koalition!
Wir betreten mit diesem Gesetzentwurf kein Neuland. Andere Bundesländer haben Klimaschutzgesetze, darunter auch das Kohle- und Energieland Nordrhein-Westfalen. Weitere Bundesländer arbeiten daran. Warum tun die das und warten nicht einfach, bis der Bund ihnen Vorgaben macht? Man will sich eine gesetzliche Grundlage für selbstbestimmtes Handeln im eigenen Bundesland schaffen, dass sich zwar ihm Rahmen nationalen Klimaschutzes bewegt, bei dem man aber dennoch selbst im Fahrersitz ist.
Das kann und soll auch unser Gesetzentwurf leisten.
Das Gesetz definiert dabei außer der Selbstverständlichkeit einer mittelfristig an den nationalen Zielen orientierten Pro-Kopf-Emission keine konkreten Emissions-Einspar- oder Ausbauziele.
Es gibt lediglich vor, dass diese in einem konkreten Plan zu definieren sind. Dem Regierungshandeln in Bezug auf Sektoren, Pfade und Einzelmaßnahmen lässt es jedoch vollen und freien Entscheidungsspielraum. Jeder und jede sollte da zustimmen können.
Das Klimaschutzgesetz schafft noch andere, wichtige Möglichkeiten: es bietet der Landespolitik und der Verwaltung einen Werkzeugkasten, mit dem Erfordernisse des Klimaschutzes in den einzelnen Sektoren steuerungs- und monitoringfähig werden.
Das Gesetz schafft außerdem über die Änderung des Landesplanungsgesetzes im Artikel 2 die Voraussetzungen dafür, dass in allen Raumordnungsplänen die Belange des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel als Ziele und Grundsätze der Raumordnung festgelegt werden.
Warum brauchen wir dazu ein Gesetz und warum brauchen wir es jetzt?
Warum eine gesetzliche Regelung? Die Antwort ist klar: aus leidvoller Erfahrung. Jede andere Art einer Selbstverpflichtung etwa in Form eines Beschlusses, eines vom Kabinett verabschiedeten Konzeptes hat ganz offensichtlich nicht den nötigen Grad an Verbindlichkeit und Einklagbarkeit entwickelt.
Natürlich kann man, so wie Sie, liebe LINKE, Klimaschutzmaßnahmen in einen Antrag schreiben. Bei Annahme würde sich das vielleicht sogar in einem Kabinettsbeschluss wiederfinden. Etwa in einem EKP. Natürlich kann man in so ein Programm auch das Zustandekommen von Sektorzielen, Monitoring und überhaupt alles schreiben, was wir in unseren Gesetzentwurf geschrieben haben. Doch was nützt das, wenn die Ziele eines solchen Programms dann einfach ungestraft ignoriert werden können? Wenn sie in den konkreten Abwägungen einzelner Planungs- und Genehmigungsentscheidungen nicht genügend Gewicht haben?
Selbst die Ziele des auch von der Koalition als unzureichend erkannten EKP 2012 bei Klimaschutz und Ausbau Erneuerbarer Energien sind außer Reichweite. Der Staatsminister hat in Beantwortung einer meiner Kleinen Anfragen jede Aussage zur Erreichbarkeit des 2020-Ziels abgelehnt. Ganz abgesehen davon, dass er da wohl auch selbst im Dunkeln tappt, denn im Jahr 2017 stammten die letzten verfügbaren Ist-Zahlen für den Nichtemissionshandelsbereich aus dem Jahr 2014.
Was man nicht wirklich wichtig findet, da schaut man auch nicht wirklich hin. Inzwischen stellt sich auch noch heraus, dass die Energieverbrauchsbilanzierung nachträglich geändert werden musste.
Aus einem mageren Ausbauziel, dass für Sachsen 28% EE in 2020 bedeutet hätte, werden nun peinliche rund 23%. Dass die 28% im EKP klar und deutlich als Ziel definiert sind, hebt die Staatsregierung nicht einen Millimeter an. Sie hält sich lieber an Absolutzahlen für Jahreserträge der einzelnen Technologien, obgleich die nun keinen Bezug mehr zum Deckungsanteil haben.
Fazit: alles windelweich, umgehbar oder auch einfach ignorierbar.
Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Und genau das ist auch die Nagelprobe, wie ernst Bekenntnisse zum Klimaschutz gemeint sind. Wer sie ernst meint, der macht entsprechende Absichtserklärung mit möglichst hoher Verbindlichkeit zu Selbstverpflichtungen.
Warum brauchen wir so ein Gesetz jetzt?
Es wird höchste Zeit, da im Bund bereits ein Klimaschutzgesetz erarbeitet wird, das die Sektorziele für 2030 aus dem Klimaschutzplan 2050 verbindlich machen wird. Die sind hoch relevant für Sachsen, meine Damen und Herren. Das brauche ich nicht zu erläutern. Das weiß die Staatsregierung selber. Sonst hätte sie den Klimaschutzplan nicht so verbissen bekämpft. Ohne Erfolg übrigens. Der Kohleausstieg, den sie um jeden Preis blockieren wollten, steht in den Sektorzielen und im Mandat einer mit dem WIE befassten Kommission.
Es ist auch bereits völlig klar, dass Sachsen nicht länger mit der Argumentation durchkommt, 1990 besondere Härten gehabt zu haben und sich nun auf Klimaanpassung zu fokussieren. Die im Bund notwendigen Maßnahmen werden um Sachsen keinen Bogen machen werden. Die Emissionen werden auch in Sachsen wirklich sinken, mit oder ohne eigenes Klimaschutzgesetz.
Die eigentliche Aufgabe des sächsischen Klimaschutzgesetzes ist vielmehr, diesen Prozess hier in Sachsen in allen Sektoren selbst steuern zu können, statt getrieben zu werden.
Es ist üblich, hier am Ende um Zustimmung zu bitten. Doch ich finde es absurd, Sie alle, die Sie Angehörige, Kinder, Enkel haben, darum zu bitten, sich um grundlegende Existenzfragen für deren Zukunft zu kümmern. Wenn der weltbekannte Klimaforscher Schellnhuber von einem kollektiven Suizidversuch spricht, so möchte ich ihm widersprechen. Nein, Milliarden Menschen wollen keineswegs sich und ihre Kinder und Enkel umbringen.
Es sind wenige, die solche Folgen für alle anderen in Kauf nehmen. Es sind die, die wirksam große Hebel bewegen können und es dennoch unterlassen.
Wir gehören zu denen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, um Hebel zu bewegen. Deshalb bitte ich Sie nicht um Zustimmung, ich fordere Sie dazu auf.
Diese Aufforderung stärkt meine Fraktion mit dem Antrag auf namentliche Abstimmung unseres Gesetzentwurfes. Mögen sich unsere und Ihre Nachkommen anhand historischer Dokumente selbst ein Bild machen können, wer von ihren Vorfahren bereit war, sich verbindlich zum Handeln zu verpflichten.