Kommunalinvestitionsförderungsgesetz − Schubert: Die Kommunen haben sich lieber für das ihnen bekannte Elend entschieden, als das Risiko einzugehen, dass eine noch arbeitsaufwendige Regelung auf sie zukommt

Rede der Abgeordneten Franziska Schubert zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU und SPD: "Gesetz zur Umsetzung der Änderungen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes" (Drs 6/12056)
70. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25. April, TOP 4


– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
zusätzlich zum schon bestehenden Infrastrukturprogramm, das in Sachsen unter dem Namen »Brücken in die Zukunft« bekannt ist, werden mit dem Schulsanierungsprogramm kommunale Investitionen zur Sanierung, zum Umbau und zur Erweiterung von Schulgebäuden mit Bundesmitteln gefördert. Das Schulsanierungsprogramm wird auch "Kapitel 2" genannt. Der Förderbereich des Kapitels umfasst damit ausschließlich Investitionen in die Schulinfrastruktur.
Die Änderung im Grundgesetz (Art. 104c GG) hat es möglich gemacht. Der Bund kann nun den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. (Artikel 104b Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.)
In Paragraph 10 des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes ist geregelt, dass der Bund mit diesem Geld die Investitionstätigkeit in den Ländern stärken und damit die Schulinfrastruktur allgemeinbildender Schulen und berufsbildender Schulen in finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbänden verbessern will.
Der Bund hat also klar geäußert, dass dieses Geld für Kommunen ist, die sich in schwierigen Haushaltslagen befinden, und keine finanziellen Spielräume für dringend notwendige Investitionen haben. Gegenüber dem Bund ist es offensichtlich der Sächsischen Staatsregierung durchaus recht und billig einzuräumen, dass genau das auf Sachsens Kommunen zutrifft – finanzschwach.
Aber irgendwie ist das doch widersprüchlich: Wenn es um die Verantwortung des Landes gegenüber seinen Kommunen geht, sind die sächsischen Kommunen laut Äußerungen des Finanzministers gar nicht mehr so arm dran. Das konnten wir Anfang April der Presse entnehmen. Selbst in der Süddeutschen war zu lesen: "Finanzminister sieht Kommunen finanziell gut gerüstet". Ich hatte den Eindruck, dass der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) nach dem Pressegespräch im Finanzministerium ziemlich satt war: "Der Sächsische Städte- und Gemeindetag hat anlässlich der heutigen Presseeinlassungen des Finanzministeriums mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass sich an der Finanzpolitik des Freistaats gegenüber seinen Kommunen wenig zu ändern scheint". Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG), sagte dazu: "Die Statistiken werden so lange bereinigt und die Vergleichszeiträume variiert, bis das Ergebnis aus Sicht des Finanzministeriums zu passen scheint. Das kennen wir aus den Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich. Aber für die Gemeinderäte und Bürgermeister, für die Bürgerinnen und Bürger, sind das ganz schlechte Signale. Wir brauchen entscheidende und neue Weichenstellungen im Land, das sollte auch das Finanzministerium endlich erkennen.[…]". Scheint doch nicht alles mit der kommunalen Familie abgestimmt zu sein.
Auch der Bund schätzt ganz offensichtlich die finanzielle Situation der sächsischen Kommunen auch als sehr angespannt ein. Aber das Finanzministerium hat ja bereits in anderen wichtigen Themenfeldern gezeigt, dass es keine Lust auf Diskussionen hat. Dementsprechend liegt dem Bund auch kein dezidierter Vorschlag zur Unterteilung der Finanzkraft und des Förderbedarfes in Sachsen vor. Die Staatsregierung nimmt die 177 Millionen Euro vom Bund, wirft sie in den Ring und zieht sich dann in die Ministerialgebäude zurück und überlässt die Verteilung den Kommunen.
Noch kurz zu Paragraph 12 des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes und zur Umsetzung. Hier steht unter (1): Die Finanzhilfen werden trägerneutral gewährt.
Die Sachverständigenanhörung zum Schulsanierungsprogramm hat auch gezeigt, dass »Brücken in die Zukunft« im Vollzug ein ausgrenzendes Verfahren ist. Im Kommunalinvestitionsgesetz (Bund) und auch jetzt im vorliegenden Gesetz zur Umsetzung der Änderungen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes steht geschrieben, dass das Geld trägerneutral einzusetzen ist. Soweit es »Brücken in die Zukunft« betrifft, gibt es bis jetzt allerdings nur zwei Landkreise, die in ihren Maßnahmeplänen jeweils einen freien Träger berücksichtigt haben. In Summe sind das über 100 Maßnahmen im Bereich Schulen und zwei davon wurden an freien Trägern vollzogen? Im Schulsanierungsprogramm geht es jetzt um Schulen. In Sachsen ist jede 4. Schule in freier Trägerschaft und über 65.000 Schülerinnen und Schüler besuchen diese Schulen. Wenn die Verteilung des Geldes an die Landkreise und kreisfreien Städte auf Grundlage der Schülerzahlen erfolgt – das heißt einschließlich der Schülerinnen und Schüler an den freien Schulen – dann müssen die freien Träger bei der Maßnahmenplanung mit einbezogen und in der Umsetzung berücksichtigt werden. Nicht nur auf dem Papier.
Meine Fraktion fand es schon nicht optimal, wie das Bundesprogramm ursprünglich in Sachsen umgesetzt wurde. Die Staatsregierung hatte sich für ein weiteres Sondervermögen »Brücken in die Zukunft«[4] entschieden. Wäre nicht nötig gewesen. Die Förderung vom Bund wird nicht auf einmal an die Länder überwiesen, sondern je nach Umsetzungstand der Baumaßnahmen abgerufen. Sondervermögen sind immer schwierig, wenn ihre Anzahl und ihr Volumen zu groß werden, weil sie außerhalb des Haushaltes geführt werden und sich damit der Kontrolle entziehen. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, woher welches Geld kommt und wohin es geht: Die 322 Millionen Euro Landesgeld in dem Topf waren aus vergangenen Haushalten. Geld, das übrig ist, weil der Freistaat es für den vorgesehenen Zweck nicht ausgezahlt hat oder die von Trägern aufgrund komplizierter Förderverfahren nicht abgerufen werden konnten … wer weiß?! Plötzlich waren es da und wurde in diesen Fonds geschoben. Irgendwohin musste es ja. Fast schon kreativ.
Jetzt haben uns die Regierungsfraktionen einen Vorschlag vorgelegt, wie in Sachsen Kapitel 2 (Schulsanierungsprogramm) des Bundesprogramms umgesetzt wird. Das soll in Anlehnung an »Brücken in die Zukunft« erfolgen. Die Kommunen haben dem Verfahren so zugestimmt. Ich vermute, die haben sich lieber für das bekannte Elend entschieden, als das Risiko einzugehen, dass eine neue Regelung auf sie zukommt, die vielleicht noch arbeitsaufwendiger ist. Das macht es nicht besser.
Trotz aller Bedenken werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir wissen, dass die Kommunen auf das Geld warten und bereits jetzt die Zeitschiene für Planung, Ausschreibung, Umsetzung und Abrechnung von Baumaßnahmen sportlich ist. » Alle Infos zum 70./71. Plenum » Alle GRÜNEN Reden