Ladenöffnungszeiten: GRÜNE: Die Zunahme von Bürokratie und der Ärger mit den Gerichten sind bereits vorprogrammiert
Unter dem Motto „Besser als nüscht…“ versucht die FDP, die Sonntagsöffnung von Videotheken und Waschanlagen als Beleg fleißiger Arbeit und politischen Erfolgs zu verkaufen
Redeauszüge der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum „Gesetz über die Ladenöffnungszeiten im Freistaat Sachsen und zur Änderung des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen“ in der 23. Sitzung des Sächsischen Landtages, 03.11., TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
selten wurde um einen Gesetzesentwurf derart heftig gestritten wie um das Gesetz über die Ladenöffnungszeiten im Freistaat Sachsen. Es scheint sogar so, als ob das Wohl und Wehe einer ganzen Partei von diesem Gesetzentwurf abhinge.
Das mag daran liegen, dass die FDP seit dem Beginn ihrer Regierungsbeteiligung kaum eigene Akzente setzen konnte. Unter dem Motto „Besser als nüscht…“ versucht sie deshalb, die Sonntagsöffnung von Videotheken und Waschanlagen als Beleg fleißiger Arbeit und politischen Erfolgs zu verkaufen.
Der Koalitionspartner CDU tat sich hingegen schwer damit, dem liberalen Juniorpartner nicht auch noch die letzte Spielwiese zu verbauen. Damit der Kleine nicht bockt und sich auch mal austoben kann, segnete sie den vorliegenden Entwurf schließlich ab, obwohl Kirchenvertreter bis zuletzt vor Einschnitten bspw. bei der Sonntagsruhe gewarnt hatten.
Warnungen gab es auch wegen handwerklicher Fehler im Gesetzesentwurf und fehlender Rechtssicherheit. Mit der nachgereichten Regelung der Öffnungszeiten im Advent wurde versucht, eine Rechtsunsicherheit zu beseitigen, viele andere jedoch bleiben bestehen.
Sollte der Entwurf heute so wie er ist angenommen werden, ist der Ärger bereits vorprogrammiert. Das aktuelle Urteil des OVG Bautzen bietet einen Vorgeschmack auf kommende Streitigkeiten und lässt große Zweifel an der Rechtssicherheit der Novelle aufkommen. Sie wird sogar noch weniger Rechtssicherheit bieten als das alte Gesetz, denn die Möglichkeiten für das sonntägliche Öffnen von Geschäften sollen weiter ausgeweitet werden.
Nebenbei bemerkt, ist bei einem Gesetz, das vor allem Ausnahmen formuliert, auch die Zunahme von Bürokratie vorprogrammiert. Ich wundere mich, wie leichtfertig gerade die FDP damit umgeht.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat ihre Antwort auf den Gesetzesentwurf der Staatsregierung in einem Positionspapier zusammengefasst, dessen Inhalt ich kurz vorstellen möchte.
Die Punkte im Einzelnen:
1. Werktägliche Öffnungszeiten
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befürwortet die Beibehaltung der jetzigen Regelung, dass Verkaufsstellen an Werktagen von 6 bis 22 Uhr geöffnet sein können. Allerdings lehnen wir das ominöse „Late-Nightshopping“ ab, nicht zuletzt weil das Widerspruchsrecht der Kommunen ins Leere geht, solange dafür keine Kriterien definiert werden.
2. Sonntagsöffnung
Wir sehen keinen Bedarf zur Ausweitung der Sonntagsöffnung. Schon jetzt können in einer Gemeinde an vier Sonn- und Feiertagen im Jahr die Läden öffnen. Das reicht vollkommen! Die Sonntagsruhe in den Geschäften muss die Regel bleiben. Es ist völlig gleich, ob sie dieses Gebot aus der Bibel ableiten oder sich auf die Gewerkschaften berufen. Der Sonntag als arbeits- und einkaufsfreier Tag ist seit Jahrhunderten Bestandteil unserer Kultur. Daran sollten wir im Grundsatz nichts ändern, denn Sonntag ist DER Familientag. Wir können nicht gleichzeitig darüber reden, wie wir Sachsen kinderfreundlicher machen und dann die totale Flexibilisierung des Arbeitsmarktes fordern.
Darum lehnen wir auch die Neuregelung der Sonntagsruhe an Kur-, Erholungs- und Wallfahrtsorten sowie an Ausflugsorten ab. Dass es den Gästen nicht zuzumuten sei, ihren Bedarf an Sportartikeln oder Badegegenständen an anderen Tagen als am Sonntag zu decken, ist für uns nicht nachvollziehbar. Der Regelfall dürfte weiterhin sein, dass Patienten ihre Badelatschen in den Kurort mitbringen statt sie dort – ausgerechnet am Sonntag – zu kaufen. Schlicht absurd ist der Gedanke, dass die Sonn- und Feiertagsruhe gebrochen werden soll, um ausgerechnet Devotionalien zu verkaufen!
3. Autowaschanlagen und Videotheken
Die Forderung nach der Öffnung von Autowaschanlagen und Videotheken an Sonntagen ist einer der wenigen politischen Inhalte der sächsischen FDP. Zwar haben wir Mitleid deswegen, lehnen den Vorschlag dennoch ab. Dass der gezwungenermaßen flexible Mensch jederzeit jeden seiner Wünsche befriedigen können muss, ist schlicht unsinnig. Die Probleme, welche aus einem übermäßig flexibilisierten Arbeitsleben entstehen, können nicht durch weitere Flexibilisierung gelöst werden.
Da der vorliegende Gesetzesentwurf dieser verqueren Logik folgt und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht angemessen berücksichtigt, lehnen wir ihn ab.
Uns stellt sich die Frage, ob die von der Staatsregierung geplanten Ausnahmen von den üblichen Ladenöffnungszeiten und insbesondere von der Öffnungspraxis an Sonn- und Feiertagen den Aufwand eines neuen Gesetzes überhaupt rechtfertigen. Ich möchte daran erinnern, dass wir in Sachsen ab dem 1. Januar 2011 unsere Ladenöffnungszeiten auch wieder mittels Bundesgesetz regeln können. Das erscheint allemal sinnvoller als der sächsische Murks derzeit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!