Lichdi: Die Kontrolle und Überwachung der Abfallimporte wie auch vieler Deponien und Abfallbehandlungsanlagen funktioniert im Freistaat nicht!

Redemanuskript des Abgeordneten Johannes Lichdi zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion „Fachregierungserklärung des Staatsministers für Umwelt und Landwirtschaft zum Thema: „Überwachung der Deponien, Lager und Abfallbehandlungsanlagen in Sachsen unter besonderer Berücksichtigung der Abfallimporte, illegalen Abfallablagerungen sowie diesbezüglicher verwaltungsrechtlicher und strafrechtlicher Ermittlungen und ihres Abschlusses“ in der 8. Sitzung des Sächsischen Landtages am 21. Januar 2010, TOP 7

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr verehrter Herr Präsident,
Meine Damen und Herren!

1990 prägten drei Mülldeponien im Osten Deutschlands die Schlagzeilen vieler Medien: Die Deponien Schönberg bei Schwerin sowie Vorketzin und Schöneiche bei Berlin. Alle drei hatten eins gemeinsam: Sie waren das Ziel von Abfallimporten. Die DDR versuchte mit den Müllimporten des Herrn Schalk-Golodkowski aus Deutschland-West ihre klammen Kassen zu sanieren. Wer hätte damals gedacht, dass heute, zwanzig Jahre später, Sachsen wieder mit bedenklichen Müllimporten in Zusammenhang gebracht werden wird!

Im Vergleich der neuen Bundesländer ist der Freistaat Sachsen Spitzenreiter im Müllimport. Innerhalb eines bundesweiten Rankings der Müllimporteure belegt er Platz zwei, gleich nach dem viermal so großen Nordrhein-Westfalen. 2008 wurden 783.220 Tonnen besonders genehmigungspflichtiger Abfälle nach Sachsen gebracht. Diese Menge entspricht ungefähr einem Zug mit mehr als 13.000 Eisenbahnwagons.

Ich will nicht den Zustand der DDR-Deponien mit dem heutigen technischen Standard gleichsetzen. Das wäre unangemessen! Ganz klar will ich mich aber im Namen meiner Fraktion gegen die Abfallimporte nach Sachsen in dieser Dimension aussprechen.

Bereits im Jahr 2006 haben wir diesen Missstand hier im Plenum aufgegriffen. Der damalige Umweltminister Tillich hat die Importe vehement verteidigt. Wir ahnen heute, wieso und fragen auch warum?!

Wir verfügen in Sachsen nur über einen begrenzten Deponieraum. In wenigen Jahren sind unsere Deponien gefüllt und es ist dann notwendig neue Deponien auszuweisen. Und diese möchte natürlich kein Bürger vor seiner Haustür haben!
Ich kann ein Fazit vorwegnehmen: Die Kontrolle und Überwachung der Abfallimporte wie auch vieler Deponien und Abfallbehandlungsanlagen funktioniert im Freistaat nicht!Ich denke, allen im Saal, auch meinen neoliberalen Kollegen, sollte klar sein: Wenn hunderttausende Tonnen besonders überwachungspflichtiger Abfälle jährlich nach Sachsen eingeführt werden, dann bedarf es einer wirksamen Kontrolle und Überwachung der Abfallströme durch die Umweltverwaltungen. Denn mit nicht umweltgerechter Abfallablagerung kann man, auch in der Bundesrepublik, sehr viel Geld verdienen. Das belegen die Abfallskandale in Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie ein Sonderbericht des Bundeskriminalamtes zur bundesweiten Abfallverschiebung vom April 2009. Ich kann ein Fazit vorwegnehmen: Die Kontrolle und Überwachung der Abfallimporte wie auch vieler Deponien und Abfallbehandlungsanlagen funktioniert im Freistaat nicht!Beispiel 1:Die Westsächsische Entsorgungs- und Abfallverwertungsgesellschaft (W.E.V.) betreibt im Landkreis Leipzig seit April 1998 die Deponie Cröbern, die seit 1995 in Betrieb ist. Spätestens 2006 befand sich die WEV in akuten und existenzgefährdenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wie aus Unterlagen hervorgeht, die uns vorliegen. Mit welchen Mitteln versuchten die Betreiber das finanzielle Problem  zu lösen? Man öffnete die Deponie Cröbern für Abfälle, für die sie eigentlich gar nicht vorgesehen war. Das gelang auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vom Oktober 2003. 2007 beseitigte das Regierungspräsidium Leipzig die letzten Hürden für die Ablagerung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle. Ohne Beteiligung der Umweltverbände und der Öffentlichkeit wurde per Plangenehmigung vom 2.07.2007 die Deponie Cröbern für viele Abfälle der Deponieklasse III geöffnet. Doch all das reichte noch immer nicht. Die W.E.V sah  sich 2007  nach weiteren Einnahmequellen um. Der Müllnotstand in der italienischen Region Kampanien bot scheinbar die Aussicht, Cröbern auf wirtschaftlich erfolgreiche Beine zu stellen. Doch die W.E.V. überschätzte ihre Leistungsfähigkeit! Ihr Vertriebschef akquirierte über Müllmakler so viel Müll aus Kampanien, dass die Anlagen damit überfordert waren. Was dann folgte, war selten rechtens. Statt zügig den italienischen Müll in Cröbern zu verarbeiten, stand er lange in den Zügen und führte zu starken Geruchbelästigungen. Letztendlich verkaufte man einen Großteil dieses für Sachsen notifizierten italienischen Mülls weiter nach Sachsen-Anhalt. Das ist illegal! Keiner der wechselnden Umweltminister hat diesen Fakt bisher eingeräumt, geschweige denn daraus Konsequenzen gezogen. Noch heute fehlen für ein Drittel dieser Abfälle die Nachweise einer ordnungs- und umweltgerechten Entsorgung. In der Wahl des Geschäftspartners hatte man auch nicht die glücklichste Hand. Gegen den Müllabnehmer ermitteln die sachsen-anhaltinischen Behörden. Fast 30% der ins Nachbarland gelieferten italienischen Abfälle sind nämlich bis heute noch nicht wieder aufgetaucht. Im Januar 2008 wurden wird von der Staatsregierung beruhigt. Auf meine Mündliche Anfrage in der 100. Plenarsitzung am 25. Januar 2008 benannte Umweltminister Roland Wöller nur eine Charge gemischter Siedlungsabfälle. Auch in der Sitzung des Umweltausschusses am 31. März 2008 wurden die Parlamentarier auf Anfrage vom damaligen Umweltminister, informiert, dass es keine neuen Abfalllieferungen aus Kampanien nach Sachsen gäbe. Wie erst später bekannt wurde, verschwieg der CDU-Umweltminister den Abgeordneten zwei Notifizierungen mit der Abfallschlüsselnummer 190501 aus Kampanien, die etwa in diesem Zeitraum per Bahn das sächsische Cröbern erreichten. Und genau diese, den Abgeordneten vorenthaltenen, Notifizierungen, sind nun Gegenstand der Arbeit italienischer Ermittlungsbehörden. Denn in Kampanien sei zum Zeitpunkt der Lieferung keine Anlage in der Lage gewesen, Abfälle in dieser Art aufzubereiten. Ein abfahrbereiter Zug mit dem Zielort Cröbern soll von der italienischen Militär-Spezialeinheit NOE wegen Beimischung unerlaubter Stoffe aufgehalten und zurückgewiesen worden sein. Die Siedlungsabfälle, die dann in Sachsen ankamen, waren oft nicht mehr als Hausmüll zu erkennen. Von W.E.V.-Angestellten wurden sie als das „sogenannte Schwarze“ bezeichnet. Einige Chargen enthielten zu dem noch schwach radioaktive Abfälle medizinischer Herkunft.
Waren sächsische Abfallbehörden, hier das Regierungspräsidium Dresden, in korrupte Machenschaften der Mafia und der WEV eingebunden?

Im November 2008 berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21 und sowie MDR-exakt über diese Missstände.  So seien Verwertungsangaben von den sächsischen Abfallbehörden nachträglich geändert worden. Dieses Dokument wurde uns auf unser Drängen Ende Januar 2009 zur Verfügung gestellt. Es ist deutlich erkennbar, dass die Endverwendung in Cröbern nachträglich handschriftlich verändert wurde.

Meine Damen und Herren, dies ist erklärungsbedürftig! – Die Notifizierung ist ein amtliches Dokument mit dem Zweck Ursprungsort, Transportweg und Endverbleib und -verwertung des Abfalls zu dokumentieren und nachzuweisen. Wer hat hier warum manipuliert? Waren sächsische Abfallbehörden, hier das Regierungspräsidium Dresden, in korrupte Machenschaften der Mafia und der WEV eingebunden?

Herr Staatsminister, solange sie mir nicht schlüssig den Endverbleib des Italienmülls erklären und solange sie mir nicht die Manipulation auf den Notifizierungsdokumenten erklären, solange steht der Verdacht einer vorsätzlichen illegalen Abfallbeseitigung mit der Verwicklung von Behördenmitarbeitern im Raum. Weichen Sie nicht mehr aus, hören Sie auf mit der Schönrednerei, klären Sie die Sachverhalte auf und ziehen sie Konsequenzen!

Beispiel 2:
Die Abfalllimmobilisierungsanlage in Pohritzsch bindet hochgiftige Filteraschen aus Müllverbrennungs-Anlagen an Trägermaterialien. Ziel ist eine Ablagerung auf Deponien geringer Deponieklassen. Damit kann man viel Geld verdienen!

Wo solch gefährliche Abfälle verarbeitet werden, dürfen keine Stäube nach außen gelangen. Die Anlage staubt aber dermaßen, dass sich eine Dreckschicht auf den umgebenden Wegen ansammelte. Umweltminister Wöller antwortete wie immer, nämlich abwiegelnd. „Die Anlage wird durch das Regierungspräsidium Leipzig … regelmäßig überwacht …“, „Zur Sammlung von Staubproben in der Umgebung der Anlage gibt es keine Veranlassung“.

Bodenproben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigten jedoch hohe Grenzwertüberschreitungen für Blei (um das 6,9 fache), für Cadmium und Chrom um das 1,1 fache. Erst jetzt wurden sächsische Umweltbehörden tätig. Das Landratsamt stellte nun auch eine erhebliche Kontamination der Straßenbankette fest und erließ eine nachträgliche Anordnung nach § 17 Bundes-Immissionsschutzgesetz. Das LfULG stellte eine Überschreitung der Depositionswerte für Blei und Cadmium incl. deren anorganischer Verbindungen fest. Auch aktuelle Bodenproben vom Januar 2010 der DUH ergeben wiederum Grenzwertüberschreitungen bei Blei und Cadmium. Offensichtlich ist die Anlage bezüglich Blei und Cadmium technisch zur Bindung nicht in der Lage.

III. Brände
In den Abfallbehandlungs- und Recyclinganlagen Sachsen brannte es in den Jahren 2003 bis zum Sommer 2007 in 58 Fällen. Dabei wurden große Mengen Abfälle unsachgemäß entsorgt, große Mengen an Schadstoffen gelangten in die Luft und es entstanden enorme Sachschäden. In ungefähr einem Drittel der Fälle liegt Brandstiftung vor, so auch beim Brand der CED in Chemnitz im Sommer 2007.  Immerhin konnte unser Antrag im Landtag die Staatsregierung zur Einsetzung einer interministeriellen Arbeitsgruppe und zu einer Sonderprüfung von 208 Anlagen veranlassen. In Auswertung der Kontrollen sei auf dem Erlassweg sichergestellt worden, dass bei Neuanlagen künftig der vorbeugende Brandschutz eine wichtige Rolle spiele.

Umweltminister Kupfer bestätigte nun in seiner Antwort auf eine erneute Kleine Anfrage im Dezember 2009, dass nach dem Abschluss der Sonderüberwachung ab dem 1. Januar 2008 in zwei Jahren nicht weniger als 28 Brände in Abfallbehandlungs-Recyclinganlagen auftraten. In der Hälfte der Fälle lag nachgewiesenermaßen Brandstiftung vor. Im Schnitt brennt es also ein bis zweimal im Monat in sächsischen Recyclinganlagen! Die Sonderüberwachungen haben also nichts gebracht. Nach wie vor ist der Verdacht nicht ausgeräumt, dass die Brandstiftungen der „warmen Entsorgung“ dienen, um Kosten zu sparen.

Ich stelle fest; Auch hier ist die Staatsregierung nicht in der Lage einen sicheren Betrieb durchzusetzen. Sollen wir uns mit monatlichen Bränden abfinden? – Herr Kupfer, Sie sollten einmal beginnen, Ihre Aufgaben ernst zu nehmen. Ich freue mich auf Ihre heutige Stellungnahme. Angesichts der Fülle der notwendigen Informationen wird die Zeit nicht ausreichen, Wir fordern Sie deshalb auf: Geben Sie in der höchsten Sitzung des Landtags von sich aus eine Fachregierungserklärung ab, in dem sie die Fälle aufklären und uns erklären, wie diese in Sachsen künftig vermieden werden sollen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.