Meisterbonus – Lippold: Wenn wir nicht handeln, droht im Handwerk dem Fachkräftemangel ein Unternehmermangel zu folgen

Rede des Abgeordneten Lippold zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: "Meisterbonus weiterentwickeln – Meistergründungsprämie einführen"
65. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. Dezember, TOP 12
– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,
meine Damen und Herren, 

wir haben hier im Sächsischen Landtag mehrfach, insbesondere im Zusammenhang mit Haushaltsdiskussionen, über das Förderinstrument des Meisterbonus gesprochen.
Das ist neben dem Aufstiegs-Bafög ein Instrument, mit dem − beginnend mit den Meisterinnen und Meistern des Jahrgangs 2016 − Absolventen nach erfolgreichem Abschluss der Meisterprüfung einen Bonus von 1.000 Euro erhalten.

Zuwendungsempfänger sind die Kammern, die die Auszahlung dann auf Antrag durchführen. Für die drei jahrgangsbesten Meister aus dem Kammerbezirk besteht seit 2010 die Möglichkeit, ein Meisterdarlehen zu bekommen. Aufgrund des stark begrenzten Empfängerkreises hat dieses Instrumentes, das ja auch keine Stärkung der Eigenkapitalbasis darstellt, aber keine Breitenwirkung und man muss es auch auf den Seiten der Sächsischen Aufbaubank (SAB) mit der Lupe suchen.
Das Instrument Meisterbonus – also die 1.000 Euro nach dem Abschluss – wird gern und gut angenommen. Sicherlich gönnt das jeder hier in diesem hohen Haus den Meistern auch, die nach anstrengender, meist berufsbegleitender Weiterbildung am Ende den Meisterabschluss geschafft haben.

Naturgemäß hat so ein Instrument da draußen kaum Kritiker. Geschenktes Geld nimmt man mit und diskutiert nicht über dessen Lenkungswirkung.
Doch Förderinstrumente dienen immer einem Förderzweck. Was könnte das hier sein? Wenn das Ziel sein soll, mehr Handwerker zum Meisterabschluss zu bringen, so darf man schon mal fragen: starten die Handwerker in die anstrengende und teure − das kostet nämlich durchschnittlich 10.000 Euro aus der eigenen Tasche − Weiterbildung, weil am Ende ein Zuschuss zur privaten Meisterfeier in Höhe von 1.000 Euro lockt? Das ist wohl kaum ein ausschlaggebender Anreiz. Im Übrigen kann man das ja auch nicht wirklich als Weiterbildungsförderung bezeichnen. Eine Weiterbildungsförderung, die wirklich unterstützt, müsste während der Weiterbildung erfolgen und nicht als Zuschuss zur Abschlussfeier. Solche Modelle gibt es auch – beispielsweise als Ausbildungsdarlehen, dessen Rückzahlung nach erfolgreichem Abschluss entfällt. So ist der derzeitige Meisterbonus aber nicht gestaltet.

Ich behaupte, dass sich Handwerker auf den aufwändigen Weg zur Meisterprüfung machen, weil sie mit ihrem Meisterabschluss etwas anfangen wollen. Nicht der Abschluss allein und der dafür ausgereichte Bonus ist das Ziel, sondern die neue Perspektive für das Berufs- und Geschäftsleben danach.
Und genau dort, nach dem Abschluss, fängt die eigentliche Herausforderung für viele erst an. Dann steht zum Beispiel eine Gründung oder eine Betriebsübernahme an. Die Meisterausbildung war aber teuer, die Ersparnisse sind geschrumpft. Zur völlig falschen Zeit steht man dann ausgerechnet beim Eigenkapital schwach da, das bei einer üblichen Finanzierung einen vielfachen Hebel darstellt und damit den unternehmerischen Start nach der Ausbildung überhaupt erst möglich macht.
 
Wir können es uns aber auch in Sachsen nicht leisten, dass Gründungswillige und Betriebsübernahmewillige nicht unternehmen können, sondern unterlassen müssen!
Wir brauchen mehr Meisterinnen und Meister und wir brauchen mehr Betriebe. Also brauchen wir ein Instrument, das beides anreizt und fördert.

Laut dem Zentralverband des deutschen Handwerks suchen bis zum Jahr 2020 über 180.000 Handwerksbetriebe in Deutschland eine Nachfolgerin bzw. einen Nachfolger. Die Alterung erhöht Jahr für Jahr die Zahl der Unternehmen, die zur Übergabe anstehen. Die jüngeren Generationen sind aber zu dünn besetzt, weshalb die Nachfolgerinnen und Nachfolger fehlen.
Seit 2013 geht der Anteil der Handwerksbetriebe in Sachsen stetig zurück. Nach Angaben des Sächsischen Handwerkstages gab es zum Jahresende 2016 rund 640 Unternehmen weniger als noch zu Beginn des Jahres. Trotz guter Auftragslage im Handwerk verschärft sich das Problem weiter, denn jeder vierte Inhaber eines Handwerksbetriebs in Deutschland braucht einen Nachfolger. Nach den Fachkräften und Auszubildenden fehlt es im Handwerk nun auch an Unternehmern, die einen Betrieb übernehmen wollen.

Die Gründungsbereitschaft hat mit der Neuregelung des Gründungszuschusses deutlich abgenommen. Die Bundesagentur für Arbeit hatte sich 2012 aus der Existenzgründer-Förderung immer stärker zurückgezogen und eine problematische Förderlücke hinterlassen.
Diese Förderlücke kann mittels einer Meistergründungsprämie geschlossen werden. Das ist ein Förderinstrument, das nicht einfach pauschal einen Abschluss belohnt – egal, was man dann damit anfängt und wo man anschließend hingeht. Nein, eine Meistergründungsprämie fördert das Machen, das unternehmerisch tätig werden. Und zwar nicht irgendwo. Eine sächsische Meistergründungsprämie fördert das Machen, das unternehmerische Handeln genau hier, bei uns in Sachsen.

Die Meistergründungsprämie wird überall dort, wo es ein solches Instrument schon gibt – das ist in Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern der Fall − von allen Seiten gelobt. Sie wurde als das erfolgreichste und kostengünstigste Existenzgründungsprogramm aller Zeiten bezeichnet. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise, wo es eine Gründungsprämie von 7.500 Euro gibt, wurden bisher rund 15.000 Neugründungen oder Übernahmen unterstützt und damit weit über 70.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert.
Der Schritt in die Selbstständigkeit wurde beschleunigt, Investitionen gefördert, die Kreditwürdigkeit der Existenzgründer bei Banken wurde erhöht. Die Gründerinnen und Gründer stellen schneller zusätzliches Personal ein und beginnen eher, Lehrlinge auszubilden.

Außerdem liegt die Marktaustrittsrate bei geförderten Handwerksbetrieben besonders niedrig, so die Erfahrungen aus Nordrhein Westfalen.
Sogar in Sachsen gibt es schon erste Initiativen. So hat die Wirtschaftsförderung der Stadt Leipzig eine solche Meistergründungsprämie bereits selbst eingeführt. Die Förderhöhe ist dort auf 2.500 Euro begrenzt. Trotzdem gehört sie zu den am häufigsten in Anspruch genommen Maßnahmen im Zeitraum 2013 bis 2015.
Die Einführung einer Meistergründungsprämie in Sachsen erscheint uns als eine punktgenau auf einen Problembereich fokussierte Maßnahme, die bei vergleichsweise geringem Mitteleinsatz Erfolge mit Hebelwirkung erwarten lässt.

Wenn wir hier nicht handeln, meine Damen und Herren, dann droht uns im Handwerk nach dem Fachkräftemangel als nächstes ein Unternehmermangel.
Es gibt weitere wichtige Gründe für eine Meistergründungsprämie. Warum wollen wir und warum sollte man eine Gründungsprämie im Handwerk klar am Meisterabschluss fest machen? Aus zwei Gründen. Der erste ist Fördermitteleffizienz. Meistergeführte Betriebe haben meist auch eine längere Lebensdauer. Nach der Aufhebung der Meisterpflicht in einigen Gewerken im Jahr 2004 hat es einen Trend zu Neugründungen gegeben, die häufig scheiterten. Der häufigste Grund dafür: eine unzureichende Qualifikation der Gründer.

Der zweite Grund: durch diese Kopplung stärken wir das Bekenntnis zur Meisterpflicht. Und zwar mit einer Förderrichtlinie, die wir – mit Fördermitteleffizienz und Qualitätssicherung begründbar – hier in Sachsen einfach machen können, ohne uns dabei in irgendwelche Grundsatzdebatten mit der EU zu begeben.

Die Summe von 7.000 Euro, die wir in unserem Antrag vorschlagen, liegt etwa im Mittel der Fördersummen in vergleichbaren Meistergründungsprogrammen anderer Bundesländer. Es gibt welche, die zahlen weniger und es gibt welche, die zahlen mehr. Einen Überbietungswettstreit halten wir hier nicht für sinnvoll. Sachsen sollte künftig besser mit anderen Standortvorteilen, attraktiven Städten, einer guten Infrastruktur, einer unbürokratischen Verwaltung, Breitbandverfügbarkeit usw. um Ansiedlung werben, statt gegen Standortnachteile anfördern zu wollen.
Jede konkret benannte Summe kann man kritisieren. Dem einen ist sie zu hoch, dem nächsten zu niedrig. Dennoch haben wir einfach mal eine benannt. Über diesen Vorschlag hinaus sehen wir unseren Antrag aber ganz klar als Anregung an die Staatsregierung und die Koalition hier im Landtag, ein solches Instrument überhaupt ins Auge zu fassen. Die konkrete Summe kann man dann festlegen. Wir wollen darüber im Zusammenhang mit dem nächsten Doppelhaushalt wieder reden.

Wie beim bisherigen Meisterbonus wollen wir eine unbürokratische Umsetzung dadurch gewährleisten, dass die notwendige Einschätzung und Bewertung der Förderwürdigkeit und zum Vorliegen der entsprechenden Voraussetzung den Kammern sozusagen in Selbstverwaltung überlassen wird. Dort sitzen die Fachleute, dort sind die Meister mit Leumund bekannt.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, damit das wichtige Förderinstrument einer Meistergründungsprämie auf den Weg gebracht wird. Wir müssen auf diesem Weg ein Stück voran gekommen sein, um das Thema in den nächsten Haushaltsverhandlungen tatsächlich in Gang zu bringen. » Alle Infos zum 64. und 65. Plenum » Alle GRÜNEN Reden