Michael Weichert: Die Koalition hat Gesetz zur Vergabe öffentlicher Aufträge mit der heißen Nadel gestrickt
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum Gesetzentwurf "Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen" (Drs. 5/10276), 69. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30. Januar 2013, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
hier haben wir ein typisches Beispiel dafür, wie man Gesetze eigentlich nicht mehr machen sollte.
Alles begann mit dem schwarzgelben Koalitionsvertrag in Sachsen. Dort hielten die Traumkoalitionäre fest, dass das sächsische Vergabegesetzt auf die Anwendbarkeit,
* von der EU 2004 vorgegebener,
* durch den EUGH 2008 höchstrichterlich festgestellter,
neuer Kriterien zu prüfen wäre.
Diese europäischen Richtlinien gestatten öffentlichen Vergabestellen ökologische und soziale Aspekte bei Beschaffungen, Lieferungen und Investitionen zu berücksichtigen. Sowohl die Bundesebene als auch die Mehrzahl der Bundesländer haben inzwischen ihre Vergaberegelungen an die europäischen Normen angepasst und damit ihre Vergabegesetze modernisiert.
Längst hat es sich nämlich herumgesprochen, dass eine Berücksichtigung ökologischer und sozialer Standards unterm Strich für die volkswirtschaftliche Betrachtung die wirtschaftlichste und die nachhaltigste Form des öffentlichen Bauens und Einkaufens ist. Der sicherste Weg zur Nachhaltigkeit ist die
– Lebenszyklusbetrachtung und die
– Einhaltung von Tariflohn oder, wo noch nicht vereinbart, Mindestlohn für die Leistungserbringer.
Meine Damen und Herren, da nun zwei Jahre nach Inkrafttreten des Koalitionsvertrages von der angekündigten Prüfung nichts zu merken war, aus dem Ministerium sogar Sätze zu hören waren wie:
"Das fassen wir in dieser Legislatur nicht mehr an!", machten sich die demokratischen Oppositionsfraktionen an die Arbeit. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie SPD- und Linksfraktion erarbeiteten Gesetzentwürfe, die die EU-Richtlinien umsetzen und das Sächsische Vergabewesen modernisieren werden.
Da es sich hier um die Umsetzung von europäischen Vorgaben handelt und nicht um parteiprogramminduzierte Ideologie, hätte die Koalition sich mit dem einen oder anderen Änderungsantrag an der Debatte beteiligen können und wir hätten heute gemeinsam ein Vergabegesetz beschließen können, was modern, europäisch, nachhaltig und gut für Sachsen ist.
Stattdessen hat man in den zuständigen Arbeitskreisen der Koalition fix die heiße Nadel genommen und das bis jetzt gültige Vergabegesetz etwas entschlackt, Freibeträge nach oben gesetzt und nach eigenen Angaben: "Auf den Zwang zu jeglichen sachfremden gesellschaftspolitischen, sozialen und ökologischen Auflagen bei der Auftragsvergabe verzichtet".
Damit isoliert sich die sächsische Regierungskoalition deutschland- und europaweit. Im Gegensatz dazu werden in NRW, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg durch europakonforme, moderne Vergaberegelungen eine
* hohe Qualität von Leistungen und Produkten gewährleistet,
* Nachhaltigkeit der Investitionen angestrebt und
* Lohndumping verhindert.
Und was macht der Sächsische Landtag?
Heute Morgen reden wir noch über 300 Jahre Nachhaltigkeit in Sachsen und schon zwei Stunden später müssen wir zusehen, wie die Mehrheit genau das Gegenteil beschließt. Immerhin geht es rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die jährlich durch die öffentlichen Hände in Sachsen vergeben werden. Das sind mehr als zehn Mrd. Euro Steuergeld, also Geld der Bürger. Ich kann mir nicht vorstellen dass es den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen egal ist wie ihr Geld ausgegeben wird. Das werden wir deutlich machen.
Meine Damen und Herren, Sie haben demnächst Gelegenheit sich hier im hohen Haus mit unseren Vorschlägen für ein neues Sächsisches Vergabegesetz auseinander zusetzen. Da sind wir dann wieder beim Thema ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung. Diesen jetzt zur Abstimmung stehenden Entwurf kann ich nur zur Ablehnung empfehlen.
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