Michael Weichert: Ein breites Berufsschulangebot ist nicht per se bestands- und leistungsfähig
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum Antrag "Stärkung der öffentlichen Berufsschulen in Sachsen" (Drs. 5/12416), 88. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17. Dezember 2013, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
so verlockend der Titel des Antrags der LINKEN klingt – „Stärkung der öffentlichen Berufsschulen in Sachsen“ -, so ernüchternd ist der Blick ins Detail. Ich werde mich in meinen Ausführungen deshalb eng an den einzelnen Punkten des Antrags orientieren, so wird deutlich, wo die Probleme liegen.
Was die LINKE mit ihrem Antrag fordert, gleicht dem Wunsch nach der berühmten „Eier-legenden-Woll-Milch-Sau“. In Punkt 1 wird als Ziel formuliert, die Unterrichtsversorgung für „langfristig besonders nachgefragte Berufe“ flächendeckend sicherzustellen und „ein regional ausgewogenes, bestands- und leistungsfähiges Netz öffentlicher Berufsschulen“ zu erhalten. Es bleibt ungeklärt, um welche Berufe es den Antragstellern konkret geht, aber auch, welche „regionalen Strukturmaßnahmen“ und „stukturpolitischen Bedürfnisse des ländlichen Raums“ bei der Schulnetzplanung zu beachten sind.
Die engere Verzahnung der Schulnetzplanung der kreisfreien Städte mit der der Landkreise unter Einbeziehung der Berufsschulen in freier Trägerschaft ist sicher ein guter Ansatz. Erst kürzlich regten die Kammern an, die Schulnetzplanung für den berufsbildenden Bereich im SMK zu bündeln. Wir unterstützen diesen Vorschlag. Jedoch sehen wir auch, dass eine Abstimmung zwischen Landkreisen, kreisfreien Städten und SMK bereits jetzt stattfindet. Für eine weitergehende Steuerung bräuchte das SMK eine rechtliche Ermächtigung. Zu bedenken ist ferner, dass einige Berufsschulzentren in den letzten Jahren mit viel Geld, vorrangig EU-Geldern, neu oder ausgebaut wurden. Diese Mittel unterliegen einer langen Zweckbindung, es liegt in unserem Interesse, eben diese Standorte auszulasten und freie Kapazitäten zu nutzen. Auch die geforderte Ausweitung des Modellprojektes DuBas stößt an ihre Grenzen. Hier ist der Staatsregierung kaum ein Vorwurf zu machen. Die Ausweitung wird durch das mangelnde Interesse der Unternehmen und durch fehlende Ausbildungsplätze für die Schülerinnen und Schüler gebremst, nicht durch den politischen Willen. Dies lässt sich sowohl in der Stellungnahme zum Antrag als auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Annekathrin Giegengack vom Febraur nachlesen.
Im zweiten Punkt fordert die LINKE eine Reduzierung der Klassenrichtwerte für Fachklassen und einen Verzicht auf Schließungen von Ausbildungsgängen im ländlichen Raum. Das widerspricht in gewisser Weise dem ersten Punkt. Der demografische Wandel und der Rückgang der Schülerzahlen müssen zur Kenntnis genommen werden. Ein breites Berufsschulangebot ist nicht per se bestands- und leistungsfähig. Die Frage ist doch vielmehr, ob die Konsequenzen, die wir aus der Entwicklung ziehen, zufällig zustande kommen oder ob wir sie aktiv begleiten und gestalten – folgt das Schulnetz einem Plan oder ist es Ergebnis eines Unfalls? Folgt man dem Antrag, steht ein planmäßiger Unfall zu befürchten. Denn neben den rückläufigen Schülerzahlen müssen wir auch die angespannte Personalsituation zur Kenntnis nehmen. Nur, weil wir etwas anderes beschließen (oder beschließen wollen), ändern wir die Realität nicht. Interessant ist ferner die Frage: Welcher Klassenrichtwert wäre denn angemessen? Hier mogelt sich die LINKE um eine klare Aussage herum.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Punkte 1 und 2 des Antrags zeigen das Dilemma deutlich: Entweder man bildet nach Bedarf aus und orientiert sich ganz an der Nachfrage der Wirtschaft, oder aber man legt den Fokus auf die Verstetigung des Angebots, koste es, was es wolle, auch wenn dieses am Bedarf der Wirtschaft und den tatsächlichen Bewerberzahlen vorbeigeht.
Zum letzten Punkt des Antrags. Diese Forderung ist in mehrerer Hinsicht „Kokolores“. Es heißt, Ausbildungen zu Berufen, die eine staatliche Anerkennung voraussetzen, sollen wieder an öffentlichen Berufsschulen stattfinden und dort ausgebaut werden. Die Diskussion, welche Berufe die LINKE nun eigentlich meint, ist müßig, der Punkt ist doch: Die LINKE fordert de facto die Abschaffung – ABSCHAFFUNG! – der freien Berufsschulen. Offenkundig hat sie kein Vertrauen, dass die freien Träger die „Berufe von gesellschaftlicher Relevanz“, wie sie sie nennt, adäquat ausbilden können. Abgesehen davon, dass der Freistaat mit seinem öffentlichen Schulangebot absolut nicht in der Lage wäre, die knapp 6.000 Erzieherinnen und Erzieher auszubilden, die jetzt eine freie Schule besuchen: Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 15. November macht mich diese Forderung schlicht fassungslos.
Zu guter Letzt eine Anmerkung zur gewählten Form. Mit einem parlamentarischen Antrag wird das Ziel, wie es in der Begründung dargelegt wird, nicht erreicht. Gerade die Forderungen in Punkt 1 und 2 verlangen eigentlich eine Gesetzesänderung, die so aber nicht Bestandteil des Antrags ist. Ganz im Gegenteil. Die LINKE kritisierte zwar die fehlende Verbindlichkeit des Mittelschulmoratoriums und die Ausweitung auf die Grundschulen und warf der Staatsregierung vor, den Landtag und die Öffentlichkeit in die nächste Legislatur zu vertrösten. Sie legte gar ein eigenes Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes vor. Aber nun wird, folgt man der Begründung, sogar eine Ausweitung des Moratoriums auf den berufsbildenden Bereich angestrebt. Das erschließt sich mir ganz und gar nicht.
Meine Damen und Herren, aufgrund der vielen Widersprüche und offenen Fragen, vor allem aber durch den massiven Angriff auf die berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft, ist mir und meiner Fraktion eine Zustimmung zum Antrag nicht möglich.
Vielen Dank.
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