Michael Weichert: Ein wichtiger Partner für sächsische Mittelständler wird vernachlässigt
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum GRÜNEN-Antrag "Für mehr angewandte Forschung in Sachsen: Externe gemeinnützige Industrieforschungseinrichtungen fördern", 78. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. Juni 2013, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
ein Blick in die Statistik zeigt, dass sich die sächsische Industrie stärker als bundesweit auf kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) stützt. Die kleinteilige Betriebsstruktur hat zur Folge, dass auch die Produktivität sächsischer Betriebe unterdurchschnittlich ist.
Niedrigere Skalenerträge sowie eine geringere Einkaufs- und Vertriebsmacht wirken sich wiederum negativ auf die mögliche Preisgestaltung aus. Und letztendlich, und darum geht es heute vor allem, fehlt den Klein- und Mittelständlern die Kraft für eigene Forschung und Entwicklung (FuE). Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung pro Beschäftigtem lagen laut der aktuellen Imreg-Studie "Ökonomische Effekte der gemeinnützigen externen Industrieforschungseinrichtungen in Sachsen" im verarbeitenden Gewerbe bei rund 2.300 Euro.
Meine Damen und Herren, das ist gerade mal EIN DRITTEL des Bundesdurchschnitts!
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch die Produktivität in Sachsen ca. ein Drittel unter dem Bundesdurchschnitt liegt, das Lohnniveau dementsprechend niedrig ist und Fachkräfte langsam aber sicher knapp werden.
Was heißt das? Es muss uns gelingen, das Größenwachstum sächsischer Betriebe zu fördern. Wir haben bereits im Minderheitenvotum zum Bericht der Enquetékommission Technologie deutlich darauf hingewiesen. CDU und FDP gaben sich derweil damit zufrieden, ein paar Willensbekundungen und Prüfaufträge zu formulieren. Die Imreg-Studie sagt zum Ergebnis:
"Auffallend ist eher, dass es kaum gelungen ist, das Größenwachstum zu forcieren. Die durchschnittliche Betriebsgröße […] stieg von 79 Beschäftigten in 2000 lediglich auf 84 Beschäftigte in 2011."
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die sächsische Leuchtturmpolitik reicht offensichtlich nicht aus, die wirtschaftlichen Defizite zu überwinden. Jetzt haben Sie es noch einmal schwarz auf weiß. Wir Grüne wollen nicht darauf warten, ob und wann Sie endlich etwas tun. Mit unserem Antrag machen wir Ihnen deshalb einen konkreten Vorschlag, den Sie nur noch unterstützen und umsetzen müssen.
Mit unserem Antrag setzen wir auf die Stärkung der externen gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen (IFE). Die 22 sächsischen Einrichtungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Technologietransfers und helfen, die Defizite sächsischer KMU auszugleichen. Sie decken ein breites Technologie- und Branchenspektrum entsprechend der traditionellen Industrien des Freistaates ab und sind auf angewandte Forschung spezialisiert. Sie bieten also an, was TATSÄCHLICH gebraucht wird.
Meine Damen und Herren, trotz der vielfältigen, nachgewiesen positiven Effekte der externen gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen für die sächsische Wirtschaft,
trotz ihres wichtigen Beitrags zur Beschäftigungs- und Standortsicherung,
und trotz der hohen Anerkennung durch sächsische Unternehmen
wurde der Anteil des Freistaates bei der Unterstützung der IFE in den letzten Jahren immer weiter zurückgefahren. Die Einrichtungen werden gegenüber den grundfinanzierten Forschungsverbünden (Fraunhofer, Max Planck, Helmholtz und Leibnitzgemeinschaft) sträflich vernachlässigt.
Im Operationellen Programm (OP) Sachsens zum EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), Richtlinie über Zuwendungen zur Verbesserung der Forschungsinfrastruktur und für Forschungsvorhaben des zuständigen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, sowie in der Innovationsstrategie der Staatsregierung kommen die IFE kaum nicht vor. Der Begriff "Industrieforschungseinrichtungen" taucht im Operationellen Programm nur an einer Stelle auf, wonach die Kooperation der IFE mit Unternehmen von "untergeordneter Bedeutung" sei. Bei dieser Ignoranz fehlen einem die Worte…
Ich finde es peinlich, dass die sächsischen Einrichtungen 94 Prozent der Förderung außerhalb Sachsens einwerben müssen, weil wir es nicht einmal hinbekommen, die beihilferechtlich mögliche Förderung zu gewähren. Stattdessen werden zusätzliche Hürden aufgebaut, die Förderung von subjektiven und schwammig formulierten Kriterien abhängig macht, welche de facto die Technologieoffenheit einschränken und der Willkür Tür und Tor öffnen.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass der bei den IFE aufgelaufene Investitionsstau bereits 44,6 Millionen Euro beträgt. Pro Jahr und Beschäftigtem entspricht das 17.000 Euro. Dieses Geld wird dringend für die Modernisierung der Gebäude und der Geräteausstattung gebraucht, um an der Spitze der Forschung "mitmischen" zu können und um als attraktiver Partner der Unternehmen wahrgenommen zu werden.
Vom Land grundfinanzierte FuE-Einrichtungen können über 30.000 Euro je Beschäftigtem und Jahr in Maschinen, Ausrüstungen und Gebäude investieren. Die IFE können bloß 10.000 Euro in die Hand nehmen. 91 Prozent ihrer erzielten Erträge müssen für Personal und Material aufgewendet werden. Aus den verbleibenden Erträgen müssen neben den sonstigen Aufwendungen vor allem die Abschreibungen und der Kapitaldienst finanziert werden.
Das zeigt: In Eigenregie können die IFE den Investitionsstau nicht auflösen. Die Rentabilität reicht u.a. nicht, weil die gemeinnützige Rechtsform es nur sehr eingeschränkt erlaubt, Gewinnvorträge anzusammeln und Rücklagen zu bilden.
Das für den 31.12.2013 vorgesehene Ende der "Investitionsmaßnahmen zur Verbesserung der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur" (Modul IZ) im Rahmen der INNO-KOM-Ost Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) verschärft die Situation noch einmal dramatisch. Bisher hatten die IFE die Chance, über dieses Programm etwas Infrastrukturförderung zu erhalten. Ob es die INNO-KOM-Ost Förderung auch 2014 noch in ihrer jetzigen Form geben wird, steht in den Sternen. Weder Projektträger (EuroNorm GmbH) noch Bundeswirtschaftsministerium können derzeit etwas Genaues sagen.
Meine Damen und Herren, es ist dringend geboten, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen und die Unterstützung der sächsischen IFE sicherzustellen. Wir schlagen vor, pro Einrichtung eine jährliche Förderung von 8.000 Euro pro Mitarbeiter bereitzustellen, wovon 70 Prozent für Anlagen, Prüfgeräte, Labor- und Versuchseinrichtungen sowie 30 Prozent für Bauleistungen zum Gebäudeerhalt und zur Gebäudesanierung verwendet werden sollen. Zahlreiche Praktiker haben unseren Antrag bereits kommentiert und uns bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Deshalb: Schlagen auch Sie unseren Weg ein, Sie laufen dann in die richtige Richtung. Vielen Dank.
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