Michael Weichert in der Debatte zur Sächsischen Forschungslandschaft
Stichwort intelligentes Förderdesign – Vor allem die Bürokratie ist ein großes Hemmnis in Sachsen
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zur Aktuellen Debatte „Sächsische Forschungslandschaft stärken – Innovationskraft der Unternehmen steigern“ in der 18. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17. Juni, TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
„Sächsische Forschungslandschaft stärken — lnnovationskraft der Unternehmen steigern“ — schon diese Überschrift greift zu kurz. Wir müssen uns nicht nur dafür interessieren, wie wir die lnnovationskraft der Unternehmen stärken. Das ist zwar wichtig, aber wir müssen genauso Antworten finden und Wege aufzeigen, um die Herausforderungen zu meistern, die in den nächsten Jahren vor unserer Gesellschaft stehen. Dazu brauchen wir die gesamte Forschungslandschaft. Wir brauchen Ingenieure, Naturwissenschaftler und Ökonomen. Wir brauchen aber auch die Geistes- und Sozialwissenschaften. Wir können unser Land nicht nur mit technischem Sachverstand weiterentwickeln.
Wie sieht es im Jahr 2020 mit der demografischen Entwicklung aus? Statt 4,2 Millionen haben wir dann nur noch 3,9 Millionen Einwohner. Es gibt eine wesentlich ältere Einwohnerschaft, wesentlich weniger, die erwerbstätig sind, viele Ältere, die länger leben und gesünder sind. Schauen wir uns den Staatshaushalt an. Wir haben jetzt etwa einen Etat von 14 Milliarden Euro. Dann werden wir nur noch 12 Milliarden Euro haben. Es gibt jede Menge Herausforderungen. Dabei will ich gar nicht vom Klimawandel, der Globalisierung, der Weiterentwicklung des europäischen Hauses oder unsers demokratischen Systems reden. Dafür brauchen wir Forschung und Entwicklung in allen Wissenschaftsfächern.
Ein Beispiel für das, was vor uns steht, ist der Stadtumbau. Das Stichwort ist hier „schrumpfende Städte“. Da brauchen wir Architekten, Ingenieure, Naturwissenschaftler für den Bau, für den Verkehr, für die Infrastruktur, für materialwissenschaftliche Fragen usw. Wir brauchen aber auch die Mediziner, die Gesundheits- und Pflegewissenschaft für die Demografiefolgen, von denen ich gerade sprach. Wenn wir länger leben, wird die Bedeutung der Gesundheit zunehmen. Wir brauchen die Sozialwissenschaftler für die neuen Generationsbeziehungen, die entstehen werden, für die Beantwortung der Fragen der Suburbanisierung, für Verwaltungsprobleme in dünn bevölkerten
Siedlungsgebieten. Wir brauchen die Ökonomen und Agrarwissenschaftler für regionalisierte Stoff- und Güterkreisläufe, für gesunde Ernährung und deren Verteilung. Wir brauchen Landschaftsplaner für die Gestaltung der besiedelten und auch der entsiedelten Räume und deren Verhältnisse untereinander.
Wir brauchen die Geisteswissenschaftler für die Formulierung unserer Werte, für die Übersetzung unserer Werte und für die Orientierung der Gesellschaft, die sich rasant ändern wird. Alle haben eine Daseinsberechtigung.
Gut ist, dass die Staatsregierung die Priorität für Forschung und Entwicklung gesetzt hat. Die Frage des Wie ist offen. Wir warten mit Spannung darauf. Innovationspolitik ist technologie- und wirtschaftspolitisch motiviert. Es ist immer die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gemeint. Kann man aber Innovation erzeugen oder administrieren? Ich glaube nicht. Man kann ein innovationsfreundliches Klima schaffen, man kann kreative Milieus fördern, man kann regional gut vernetzte Hochschulstandorte entwickeln und man kann vor allen Dingen unbürokratisch Geld zur Verfügung stellen. Man muss dabei aber wissen, dass das nicht zu 100 % eins zu eins zurückkommt.
Stichwort intelligentes Förderdesign. Wenn ich mir die Richtlinien der sächsischen Förderprogramme anschaue, stelle ich fest, dass Sachsen sehr weit hinten steht. Vor allem die Bürokratie ist ein großes Hemmnis.
Zur Hochschul- und Forschungslandschaft gehören aber auch die außeruniversitären Institute. Sie sind deshalb kein Kostenfaktor, sondern sie sind unser Zukunftskapital. Sie erzeugen Wissensvorlauf, qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial, Beschäftigungseffekte, die Anziehung junger Leute, Steuereinnahmen usw. usf.
Es gibt die lnnovationsgutscheine, die schon angesprochen worden sind. Wir haben einmal ein kleines Experiment gemacht und bei der SAB angerufen. Wir haben uns als Handwerksbetrieb ausgegeben,hätten gehört, dass es lnnovationsgutscheine gebe,und gefragt, ob wir einen bekommen könnten. Aber die wussten überhaupt nicht, was das ist. Das liegt also noch sehr weit im Argen, meine Damen und Herren.
Wir erwarten von der Staatsregierung endlich einen Strategievorschlag zur Förderung von Forschung und Entwicklung in Sachsen, besonders in Bezug auf die unternehmensnahe Forschung und Entwicklung. Wir haben schon jede Menge Vorschläge gemacht und sind gewillt, zukünftig mitzuarbeiten. Sicher ist, dass es ohne diese Anstrengungen in Sachsen keine selbsttragende Entwicklung, und zwar weder in der Wirtschaft noch in der Gesellschaft, gibt.