Michael Weichert: Sächsische Handwerksbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag

Redebausteine des Abgeordneten Michael Weichert zur Großen Anfrage "Das Sächsische Handwerk: Bestandsaufnahme und Perspektiven"
95. Sitzung des Sächsischen Landtages, 10. April 2014, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die sächsischen Handwerksbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und tragen zur ökologischen Modernisierung unseres Landes bei. Standorttreue, überschaubare Organisationsformen und eine nachhaltige Firmenpolitik sind typische positive Merkmale der im Handwerk besonders verbreiteten Familienunternehmen. Oft seit mehreren Generationen vor Ort präsent, stärken Handwerksbetriebe regionale Wertschöpfungsketten.
Das alles wurde heute bereits mehrfach gesagt, mit Zahlen untermauert. So präzise man die Bedeutung des Handwerks für die sächsische Wirtschaft beziffern kann, so unpräzise sind ein Großteil der im Entschließungsantrag von CDU und FDP nachgeschobenen Bitten an die Staatsregierung. Ich möchte mich mit einigen von ihnen etwas näher beschäftigen:
1. Mit dem Verzicht auf Änderung der Rentenregelungen wollen sie das Problem des Fachkräftemangels lösen. Was heißt das denn? Es ist die Kampfansage an die Rente mit 63. Sie machen hier eine Debatte auf, die von den eigentlichen Problemen ablenkt. In vielen Berufen ist schon lange vor dem 63. Lebensjahr Schluss. All diese Personen werden von der neuen Rentenart ausgeschlossen. Statt Personen unabhängig davon in Rente zu schicken, ob sie noch arbeiten können oder nicht, bedarf es individueller Lösungen. Können Personen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten, müssen die Abschläge endlich weg. Außerdem brauchen wir flexible Rentenübergänge sowie deutlich mehr Anstrengungen, älteren Arbeitnehmern ein längeres Arbeiten in den Betrieben zu ermöglichen. Und dies geht auch die sächsische Politik UND die sächsischen Unternehmen etwas an. Da können Sie die Verantwortung nicht einfach auf den Bund schieben und sich dann zufrieden zurücklehnen.
2. Sie wollen, dass die Lohnnebenkosten "nachhaltig unter 40 Prozent des Bruttolohnes" bleiben. Klingt gut, aber haben Sie auch mal recherchiert, wo die Lohnnebenkosten tatsächlich liegen? Laut Statistischem Bundesamt liegen die durchschnittlichen Lohnnebenkosten in Europa bei 32 Prozent, in Deutschland bei 27 Prozent. Da bleibt viel Luft, bis Ihre 40 Prozent geknackt würden. Viel heiße Luft enthält demnach auch diese Forderung.
3. Weiterhin rühmen Sie sich der Minderung des bürokratischen Aufwandes durch das neue sächsische Vergabegesetz und das Ladenschlussgesetz. Da habe ich schallend lachend müssen. Ich hätte es Ihnen nicht zugetraut, dass sie noch einmal mit dem Ladenschlussgesetz kokettieren. Diesen Ladenhüter als Meilenstein Ihres Tuns zu verkaufen, ist doch wohl ein verspäteter Aprilscherz. Herr Flath hat es ja bereits erkannt und medial verbreitet: Die CDU hat zehn Jahre keine Wirtschaftspolitik gemacht und das Thema als Spielwiese dem Juniorpartner überlassen. So etwas kommt dann dabei heraus, wenn man die Kleinen unbeaufsichtigt spielen lässt.
Liebe Kolleginnen und Kolleginnen von CDU und FDP, Ihr schlankes Vergabegesetz, wie Sie es nennen, bietet den sächsischen Unternehmen keinen Schutz vor Dumping. So wie es gestrickt ist, wird weiter das billigste und nicht das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten, weil es für Bieter keinen primärrechtlichen Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes gibt. Im Klagefall wird die Kommune verlieren, wenn sie den – in der Gesamtbilanz des Lebenszyklus – wirtschaftlichsten Anbieter gewählt hat. Das, meine Damen und Herren, ist Politik gegen das sächsische Handwerk. Vielen Betrieben, z. B. in der Baubranche wurde durch den ewigen Preisdruck schon das Genick gebrochen.
4. Wie die CDU mit ihrer Politik die "Strompreisexplosion" stoppen will, habe ich nicht verstanden. Gemeinsam mit der SPD haben Sie im Bund gerade am EEG herumgebastelt und dabei maßgeblich zur Verschlimmbesserung beigetragen. Laut einer Berechnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) würde die EEG-Umlage nach dem bisherigen Modell auf 6,9 Cent im Jahr 2020 steigen. Mit den aktuellen Änderungsvorschlägen, wird von 7,7 Cent im Jahr 2020 ausgegangen. Die Umlage wird noch höher, je großzügiger Sie die Industrieausnahmen verteilen. Die sind nämlich noch gar nicht eingerechnet. 65 Branchen werden Vergünstigungen in Aussicht gestellt. Inzwischen ist klar, dass die Bundesregierung zusätzlichen Unternehmen Zugang zu verbilligtem Strom ermöglichen will. Das heißt konkret: Trotz gegenteiliger Beteuerungen wird die privilegierte Industriestrommenge steigen. VerbraucherInnen müssen künftig wohl ein bis drei Milliarden Euro mehr dafür bezahlen. Das ist Politik gegen das Handwerk, denn die kleinen Betriebe schlucken die Mehrbelastung, da sie nicht privilegiert sind.
Ich bin auch skeptisch, ob die Senkung der Stromsteuer eine Entlastung bringt. Aufgrund des fehlenden Wettbewerbs ist es wahrscheinlich, dass der Effekt gar nicht an den Verbraucher weitergegeben wird. Außerdem geht die Stromsteuer zu 100 Prozent in den Bundeshaushalt. Diese Einnahmen fließen überwiegend in unsere Rentenkassen. Das stabilisiert die Versicherungsbeiträge und reduziert die Arbeitskosten. Deshalb wäre es ein Schildbürgerstreich, die Stromsteuer zu senken, denn das Geld fehlt dann im Haushalt und muss woanders eingenommen werden. Wer also eine Senkung der Stromsteuer fordert, muss auch sagen, wie wegfallende Steuereinnahmen ersetzt werden sollen. Ohne Gegenfinanzierung müssten die Rentenversicherungsbeiträge steigen, Arbeit würde teurer und am Ende wäre nichts gewonnen.
Liebe Koalitionäre, einen Teil Ihrer Forderungen tragen wir mit. Damit meine ich die steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerksleistungen oder auch die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialbeiträge. Letzteres ist ein alter Hut, den Sie sich schon oft aufgesetzt haben, ohne dass irgendetwas geschehen ist. Erzählen Sie uns doch mal, wie Sie es mit Ihren Parteifreunden im Bundestag genau machen wollen. Das bleiben Sie uns immer schuldig …
Übrigens, auch wir wollen den Meisterbrief erhalten, auch wir sind für die Koordinierung der Schulnetzplanung für die Berufsschulen durch den Freistaat, damit sich nicht gegenseitig Konkurrenz gemacht wird und eine sinnvolle Angebotssteuerung erfolgen kann.
Meine Damen und Herren, vielleicht sollten Sie nicht erst kurz vor der Wahl an das Handwerk denken, sondern auch dann, wenn es nicht darum geht, Stimmen zu fangen. Selbst in den "Wirtschaftspolitischen Thesen der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages" kommt das Handwerk nicht vor. Das wird sich hoffentlich ändern, jetzt, wo die Große Anfrage so viele Beweise für die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges zutage gefördert hat.