Michael Weichert zur Aktuellen Debatte über Einsatz von Antibiotika in der Tiermast
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zur Aktuellen Debatte der GRÜNEN-Fraktion "Gefahr für Mensch und Tier – Sachsen braucht Regeln für den Antibiotikaeinsatz" in der 49. Sitzung des Sächsischen Landtages, 26.01., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
An Aktualität ist diese Debatte kaum zu überbieten. Gestern „Spiegel online“, gestern Abend um 23:00 Uhr im ZDF ein große Sendung, heute eine ganze Seite in der „Sächsischen Zeitung“. Von Februar bis Juni 2011 — das wurde vorhin schon erwähnt — führte das Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen eine Studie in Hähnchenmastbetrieben durch — ich erwähne das noch einmal, weil mir ein paar Zahlen dazu vorliegen —‚ und zwar in 182 Anlagen bei 962 Mastdurchgängen.
Dort wurde festgestellt: 96,4 % der Tiere sind antibiotisch behandelt worden. Teilweise waren die Tiere nur über ein bis zwei Tage behandelt worden. Das konnte man dort auch erkennen. Das bedeutet, dass die Antibiotika überhaupt nicht in ihrem eigentlichen Sinne angewendet worden sind, nämlich um Bakterien zu vernichten. Vielmehr wurden sie — man kann nur vermuten — zur Wachstumsförderung und zu anderen Zwecken benutzt. Jedenfalls steht auf jeder Packungsbeilage, dass man eine Antibiotikagabe mindestens eine Woche oder entsprechend lange geben muss, damit das Medikament Bakterien abtötet.
Im Jahr 2010 gab es dann in Niedersachsen Stichproben zum Antibiotikaeinsatz.
Dabei wurde festgesteHt, dass bei den Mastdurchgängen durchschnittlich 2,3 Behandlungen durchgeführt worden sind. Zehn Jahre davor waren es nur 1,7 Behandlungen. Das heißt, es war ein massiver Anstieg zu verzeichnen, obwohl in der Zwischenzeit, nämlich in den Jahren 2004 und 2006, verboten worden ist, Antibiotika als Wachstumsförderer und zur Prophylaxe einzusetzen. Das bedeutet, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Das sehen auch Frau Ministerin Aigner und Frau Ministerin Clauß so. Es wird eine
Verschärfung des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelverordnung gefordert,
auch zur Dokumentation und Information. Man fordert einen bundesweiten Zugriff der Länderbehörden auf die Daten, man will die Kontrollen verstärken und den Einsatz von Antibiotika beschränken. Das ist gut so, aber es reicht nicht aus, meine Damen und Herren.
Meine Fraktion wird einen Antrag zu diesem Thema einbringen. Wir wollen falsche Anreize abschaffen, beispielsweise das Rabattsystem für Antibiotika. Wenn nämlich ein Tierarzt heute eine Flasche Antibiotika kauft, zahlt er dafür 10 Euro und er verkauft sie für 15 Euro weiter. Wenn er aber 1 000 Flaschen kauft, kostet ihn eine Flasche nur noch 3,50 Euro.
Es gibt Tierarztpraxen, die ihr Einkommen zu 80 % aus dem Handel mit
Medikamenten bestreiten. In Dänemark zum Beispiel ist Tierärzten das verboten, wie das bei uns in Deutschland in der Humanmedizin auch ist.
Die Dokumentation der Medikamtengabe bei Tierhalter und Tierarzt erfolgt
momentan nur schriftlich und nur vor Ort. Wir brauchen dringend eine Vernetzung,
eine Antibiotikameldedatei, und zwar bundesweit. Das entspricht übrigens auch dem Tierärztekongress, der das auf seiner Tagung, die in der letzten Woche in
Leipzig stattgefunden hat, gefordert hat.
Alles zusammen heißt das: Die bisherigen Regeln reichen nicht aus. Frau Clauß, wir
müssen handeln. Wir wollen Sie da gern unterstützen. Das ist allerdings nur möglich, wenn wir das in Kooperation machen. Bei der Vorarbeit für diese Debatte war es sehr schwierig, aus Ihrem Ministerium Informationen zu bekommen. Letztlich mussten wir uns in anderen Bundesländern bei den Verbraucherschutz- und Gesundheitsministerien die Informationen holen, die wir selbstverständlich gern auch von unserem sächsischen Ministerium bekommen hätten. Vielleicht können wir das in Zukunft verbessern.