Miro Jennerjahn: Wir fordern für Petenten von Sammel- bzw. Massenpetitionen ein Recht auf öffentliche Anhörung

Redebeitrag von Miro Jennerjahn zum GRÜNEN Gesetzentwurf "Gesetz zur Stärkung des Rechts der Bürgerinnen und Bürger im Petitionsverfahren", 77. Sitzung des Sächsischen Landtages, 16. Mai 2013, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –
————————————————————————————

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

was haben die Themen "Erhalt des Astronomie-Unterrichts", "Änderung des Kulturraumgesetzes" oder die "Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht gemeinsam"?
Alle drei sind Themen, die die Öffentlichkeit in besonderer Weise mobilisiert bzw. beschäftigt haben. Erkennbar ist das daran, dass alle drei zu Sammel- oder Massenpetitionen im Sächsischen Landtag geführt haben, mit vielen tausend Unterschriften.
Für den Erhalt des Astronomie-Unterrichts zeichneten rund 28.000 Menschen mit, im Falle des Kulturraumgesetzes rund 50.000, beim Wolf rund 8.000.

Wir alle sind uns einig, dass das Petitionsrecht ein sehr wichtiges Gut ist, dessen Grundzüge in unterschiedlicher Ausprägung eine über 2000-jährige Geschichte aufweisen. Im Freistaat Sachsen hat das Petitionsrecht Verfassungsrang und ist in Artikel 35 der sächsischen Verfassung verankert.

Zu Recht beschäftigen wir uns jährlich an prominenter Stelle hier im Plenum mit dem Jahresbericht des Petitionsausschusses und ich gehe davon aus, dass wir das auch in diesem Jahr kurz nach der parlamentarischen Sommerpause so handhaben.

Worum geht es in unserem Gesetzentwurf?
Sie sehen, es ist ein sehr schlankes Gesetz mit einem sehr konkreten Vorschlag, wie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Petitionsverfahren gestärkt werden können. Neben der verfassungsmäßigen Verankerung des Petitionsrechts, ist das Gesetz über den Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags das Dokument, in dem Verfahren und Rechte des Petitionsausschusses weiter konkretisiert werden.

Man muss schon deutlich sagen, dass das sächsische Petitionsausschussgesetz uns im bundesweiten Vergleich durchaus sehr weitgehende Rechte zugesteht, was etwa Aktenvorlage, Auskunft- und Zutrittsrechte der Mitglieder des Ausschusses betrifft.

Daneben gibt Paragraph 7 Abs. 1 dem Ausschuss das Recht, Petenten, Auskunftspersonen und Sachverständige anzuhören. Paragraph 7 Abs. 2 schließt jedoch einen Rechtsanspruch des Petenten auf Anhörung aus. An dieser Stelle möchten wir eine Veränderung herbeiführen. Nicht im Sinne eines generellen Rechtsanspruchs von Petenten auf Anhörung, das würden wir als Ausschuss logistisch nicht gestemmt bekommen.
Wir möchten dieses Recht bei den Massen- und Sammelpetitionen, bei denen ein großes öffentliches Interesse nachgewiesen werden kann. Wir nehmen ein großes öffentliches Interesse dann an, wenn mindestens 2.500 Menschen eine Massen- oder Sammelpetition mit unterzeichnet haben.

Gleichwohl bleibt der Petitionsausschuss Herr des Verfahrens, wenn zwei Drittel seiner Mitglieder beschließen von einer öffentlichen Anhörung abzusehen. Auch kann eine öffentliche Anhörung in persönlichen Angelegenheiten nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Petenten stattfinden.

Mit der öffentlichen Anhörung solcher Themen wird den Petenten die Möglichkeit gegeben, das Anliegen in einem Gespräch zu erörtern. Dies trägt zum besseren Verständnis der Petition bei und wird dem großen öffentlichen Interesse an bestimmten Themen gerecht. Das Petitionsverfahren ist ein niedrigschwelliges Beteiligungsverfahren, das jeder Person eine Chance zur aktiven Teilnahme am politischen Geschehen und zur Einwirkung auf politische Entscheidungsprozesse gibt.

Welche Auswirkungen hätte das Gesetz?

Ich habe mich bemüht, anhand der auf der Landtags-Homepage verfügbaren Jahresberichte zu recherchieren, wie viele öffentliche Anhörungen in den Jahren 2002 bis 2012 hätten stattfinden müssen, wenn wir die von uns vorgeschlagene Regelung bereits hätten.

Das waren nach dem, was ich recherchieren konnte, pro Jahr ein bis vier Anhörungen. Einzige Ausnahme war das Jahr 2010, in dem neun Petitionen die Schallgrenze von 2.500 Mitzeichnern überschritten. Ich denke, dass ist ein Umfang, den wir als Ausschuss bewältigen können.
Übrigens: Der Deutsche Bundestag kennt ein solches Verfahren bereits.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition.
Wir haben in der Vergangenheit auch vorsichtige Diskussionsprozesse darüber geführt, in welcher Art das Petitionsrecht in Sachsen modernisiert werden kann. Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe von CDU, FDP, LINKEN, SPD und GRÜNEN hatte vor geraumer Zeit dazu die Arbeit aufgenommen – bislang ohne Ergebnis. Ich persönlich fände es schade, wenn dieser Prozess von der Koalition beerdigt worden wäre.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit auch ein Versuch, die stecken gebliebene interfraktionelle Verständigung durch einen konkreten Vorschlag wieder zu befördern.

Ich würde mich freuen, wenn wir auf dieser Grundlage wieder in eine ernsthafte Diskussion kämen und dieser Gesetzentwurf nicht das Schicksal aller anderen Oppositionsgesetze teilt und einfach nieder gestimmt wird. Ich glaube, das täte uns als Parlament gut und vor allem wäre es im Sinne der Petenten.
Herzlichen Dank.

» Alle GRÜNEN Reden finden Sie hier …