Neue Schulkultur – Melcher: Antrag verharrt auf einer Wohlfühl-Metaebene und Buzz-Words

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „‚Neue Schule braucht das Land‘ – Perspektiven für eine neue Schulkultur in Sachsen!“ (Drs 7/7005)
34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.07.2021, TOP 11

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Frage, was Schule leisten soll, ist fortwährend Gegenstand der Debatte. Was und wie Kinder und Jugendliche lernen sollten, wird hitzig diskutiert – nicht erst seit der Corona-Pandemie, seither aber umso mehr. Ich sage ganz klar: Es ist gut, dass wir bei diesem Thema so intensiv miteinander ringen.

Es ist gut und wichtig, dass es dabei mindestens so viele Standpunkte gibt, wie Deutschland Einwohnerinnen und Einwohner hat. An anderer Stelle spricht man gern von 80 Millionen Bundestrainern oder 80 Millionen Virologinnen –Aber: wir haben auch 80 Millionen Kultusminister und Bildungsexpertinnen.

Jede und jeder ist im Bildungssystem irgendwie involviert oder zumindest davon tangiert – und hat eine Meinung.

Ich verstehe den Antrag der LINKEN als einen Beitrag in dieser Debatte. Uns eint das Ziel, das sächsische Bildungssystem modern und zukunftsfest zu machen. Uns ist bewusst, dass der gesellschaftliche Wandel auch die Anforderungen an Schule verändert. Deshalb werden wir in dieser Legislaturperiode das Schulgesetz erneut novellieren, so haben wir es als Koalition vereinbart.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion,

es sind im Wesentlichen zwei Gründe, die dazu führen, dass wir Ihren Antrag dennoch ablehnen werden.

Zunächst: Es ist ein bisschen zu einfach, in einem Antrag das Bild einer idealen Schule zu zeichnen und die Staatsregierung aufzufordern, die dafür nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es wird niemand ernsthaft etwas gegen eine zeitgemäße Lehr- und Lernkultur einwenden. Das Wohl der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer liegt uns genauso am Herzen wie Ihnen. Pädagogische Vielfalt, eigenverantwortliche Schulorganisation, Mitbestimmung, digitales und inklusives Lernen – Sie haben die wichtigen Schlagworte genannt – aber auch nicht mehr.

Ihr Antrag verharrt auf einer Wohlfühl-Metaebene und Buzz-Words. Schulkultur verändert man nicht durch einen parlamentarischen Antrag. Zudem ist weit mehr in Bewegung, als Sie mit Ihrem Antrag suggerieren.

Wir ermöglichen längeres gemeinsames Lernen – die Schulordnung für die Gemeinschaftsschule wurde Anfang des Monats veröffentlicht.

Wir weiten die Ganztagsangebote deutlich aus und stärken damit auch die Eigenverantwortung und die Vernetzung der Schulen. Wir haben bereits im Februar hier im Landtag einen umfangreichen Antrag zu digitaler Bildung beschlossen – ja, die Corona-Pandemie kann zu einer Blaupause werden. Dafür muss man aber auch die richtigen Schlüsse ziehen und Maßnahmen ableiten. Es reicht nicht, sich mit bloßen Feststellungen begnügen.

Natürlich bleiben Themen, bei denen wir längst nicht zufrieden sind und sein können. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir innerhalb der Koalition nicht immer einer Meinung sind. So diskutieren wir intensiv über Inklusion und Vielfalt, aber auch über Notengebung und Lehrpläne. Und wir diskutieren sehr konkret – im Unterschied zu dem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben.

Ein zweiter Grund für die Ablehnung ist folgender:

Leistungs- und Chancengerechtigkeit bilden keinen Widerspruch. Natürlich müssen sich gute Schulen auch daran messen lassen, inwieweit sie den Lern- und Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern sichern. Die Aufgabe von Schule, Kompetenzen zu vermitteln und Abschlüsse zu vergeben, ist im Antrag deutlich unterbelichtet. So entziehen sich im Grunde alle Forderungen bzw. Aspekte im Antrag eines Monitorings. Das ist schade. Denn so geht viel verloren, was wir für die Unterrichts- und Schulentwicklung brauchen.

Deshalb setzen wir uns als BÜNDNISGRÜNE unverändert für eine externe Schulevaluation ein. Dazu lese ich im Antrag nichts, obwohl es sehr viel mit Schulkultur zu tun hat, Schule als lernendes System zu denken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir sind mittendrin, die Schule der Zukunft zu gestalten. Wir sind offen, zumindest die in Sachsen wohnenden rund vier Millionen Kultusminister und Bildungsexpertinnen mitzunehmen.

Dass dabei nicht jeder Vorschlag praktikabel ist und in die Umsetzung geht, liegt in der Natur der Sache. Der Antrag der LINKEN enthält viele richtige Schlagworte – mehr aber auch nicht. Wir werden ihn deshalb ablehnen.

Vielen Dank.