Öffentlicher Gesundheitsdienst – Lippmann: Antrag ist heißer Nadel gestrickt

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD zum Thema:
"Rechtsextremismus mit einem Gesamtkonzept bekämpfen" (Drs 7/3032)
13. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 16.07.2020, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Coronavirus zeigt uns einmal mehr, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst eine wichtige, tragende Säule der Gesundheitsversorgung ist. Hier werden aktuell Risikobewertungen vorgenommen, Hygienekonzepte zum Infektionsschutz geprüft und Infektionsketten nachverfolgt. Die Fachkräfte der kommunalen Gesundheitsbehörden haben in den letzten Monaten großartiges geleistet. Dafür möchte ich mich einmal mehr bedanken.

Neben der Corona-Krisenbewältigung gibt es weitere kontinuierliche Aufgaben, die nicht aus dem Blick geraten dürfen – wie die Vorschuluntersuchung, Sexual- und Aidsberatung, Reisemedizin, Impfschutz und Suchtberatung. Der öffentliche Gesundheitsdienst wurde in den letzten Jahren deutschlandweit heruntergespart, so auch in Sachsen. Das haben auch wir BÜNDNISGRÜNE immer wieder kritisiert. Es ist notwendig zu überlegen, welche Unterstützung die Kommunen von Seiten des Landes jetzt brauchen und welche darüber hinaus von Bund notwendig sind. Es kommt Bewegung in diese Debatte und das ist gut so.

Der Bund hat im Rahmen des Konjunkturpakets den „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ mit insgesamt knapp 4 Mrd. Euro Finanzierungsvolumen beschlossen. Der Pakt wird am 30. August – so die bisherige Planung – bei der Gesundheitsministerkonferenz der Länder konkret untersetzt. Eckpunkte stehen bereits im beschlossenen Konjunkturpaket. Kurz umrissen:

  • Der Bund will den Ländern finanziell unter die Arme greifen und somit die zusätzlich erforderlichen Stellen in den Gesundheitsämtern vor Ort für die kommenden fünf Jahre finanzieren – soweit die Anstellung bis Ende 2021 erfolgt ist.
  • Ein Grund für den Personalmangel im ÖGD ist die deutlich schlechtere Bezahlung. In den Tarifverträgen des ÖGD soll zukünftig sichergestellt werden, dass die Höhe des ärztlichen Gehalts mit anderen Bereichen des Gesundheitswesens mithalten kann.
  • Die Nachwuchsgewinnung soll erleichtert werden, indem Themen des ÖGD stärker in den Ausbildungszielen und -inhalten in der Approbationsordnung der Ärzte verankert werden.
  • Die Mindest-Personalausstattung soll klarer definiert werden über das Konstrukt eines „Muster-Gesundheitsamts“.

Nun zum vorliegenden Antrag der LINKEN:
Zunächst einmal muss ich sagen, dass der Antrag mit heißer Nadel gestrickt zu sein scheint. Werte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, Sie machen hier reihenweise landespolitische Maßnahmen auf, versuchen den Eindruck zu erwecken, es herrsche weiterhin Stillstand – wohlwissend, dass zur gleichen Zeit Bund und Länder darüber beraten, wie der ÖGD deutschlandweit ganz konkret mit mehreren Bundes-Milliarden gestärkt werden soll.

Wer den Gesundheitsdienst wirklich stärken will, der sollte das nicht losgelöst von der Bundesinitiative machen und auch nicht über die Köpfe der Kommunen hinweg! Vielmehr müssen wir schauen, wie der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ von Bund und Ländern ausgestaltet wird und in welchen Bereichen hier in Sachsen weitere Unterstützung notwendig ist.

Im Antrag werden grundlegende Strukturfragen aufgemacht – ohne die Kommunen ansatzweise mitzunehmen. Die zugrundeliegende Annahme, das Land könne hier durchregieren, trägt in der Realität nicht.
Die Forderung nach einem „Landesgesundheitsamt“ als Fachaufsichtsbehörde ist ein ernsthaft zu diskutierender Vorschlag. Es ist unstrittig, dass es Argumente für eine Weiterentwicklung der Landesuntersuchungsanstalt gibt. Aber die Auswirkungen einer solchen Entscheidung wären komplex. So etwas können und sollten wir hier nicht auf die Schnelle als Gesetzesauftrag beschließen. Solche Fragen sollten anhand eines Gesetzesentwurfs diskutiert werden. Die Staatsregierung arbeitet derzeit daran, das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen zu überarbeiten, wie in der Stellungnahme zum Antrag zu lesen ist.

Und noch etwas: Sie machen in ihrem Antrag sehr weitreichende Forderungen auf, die den kommunalen Gesundheitsbehörden ein nie da gewesenes Gewicht in der allgemeinen Gesundheitsversorgung geben würde. So wird in einem der zahlreichen Spiegelstriche die "Öffnung des ÖGD für die Übernahme von Aufgaben der ambulanten medizinischen Grundversorgung insbesondere in unterversorgten Regionen“ beabsichtigt. Hier kann ich nur sagen: Vorsicht! Realitätsalarm! Der ÖGD schafft es derzeit nicht seinen bisherigen Aufgaben vollständig gerecht zu werden. Im ländlichen Raum ist er derzeit kaum präsent, aber laut der LINKEN soll er dort den Hausarzt oder die Hausärztin gleich mit ersetzen. Das ist in Anbetracht der aktuellen Lage eine höchst gewagte Forderung, die weit über das Ziel hinausschießt, und es ist für mich ein weiteres Indiz dafür, wie wenig substanziell der vorliegende Antrag ist.
 
Hinzu kommen an Allgemeinheit kaum zu übertreffende Formulierungen wie die nach der "Garantie eines Rechtsanspruches auf ein Individuell erreichbares Höchstmaß an Gesundheit für jede Einwohnerin und jeden Einwohner“. Ich frage mich ernsthaft was damit gemeint ist. Wahrscheinlich gibt es allein in der Linksfraktion eine Vielfalt an Vorstellungen, was für das Höchstmaß der eigenen Gesundheit alles notwendig wäre. Ein steuerfinanzierter Personaltrainer, Yogakurse für alle oder ordentliche Laufschuhe. Ich muss fast schmunzeln, bei dem Gedanken daran, doch dafür ist die Forderung nach einem Rechtsanspruch in der politischen Tragweite zu ernst.

Nein, mit diesem Antrag machen wir den ÖGD nicht >>auf allen Ebenen moderner und leistungsfähiger<<. Sie machen Ihn zu einer überdimensionierten Wünsch-Dir-Was-Veranstaltung, die am Ende keinem hilft.

Wir lehnen den Antrag ab und streiten darüber gern inhaltlich weiter auf Grundlage konkreter Gesetzesentwürfe.

Vielen Dank.
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