Petitionsbericht − Lippold: Es ist wirklich an der Zeit, das Petitionswesen zu modernisieren

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold zum "Bericht des Petitionsausschusses (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2017)" (Drs 6/14363), 27. September, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte mich zunächst bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsausschusses herzlich für die engagierte Arbeit bedanken, die für das Wirken der Abgeordneten im Ausschuss unverzichtbar.
Es ist, ja selten der Fall, dass die Sachlage hinter einer Petition sofort klar ist. Man muss nachfragen und Vororttermine machen. Worauf wir und die anderen Ausschussmitglieder uns immer verlassen konnten und was wir sehr schätzen: die geduldige, freundliche und serviceorientierte Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Petitionsverwaltung. Dafür gebührt ihnen wirklich der Dank des gesamten Hauses.

Das Petitionswesen ist keine Einbahnstraße. Im Gegenteil: Politikerinnen und Politiker erhalten aus dem Petitionswesen wichtige Impulse. Es gibt kaum einen Ausschuss im Sächsischen Landtag, der sich so unmittelbar und in sehr direktem Realitätskontakt mit der Lebenswelt der Menschen auseinandersetzt. Zu beinahe jeder denkbaren gesellschaftlichen Frage wenden sich die Menschen an den Sächsischen Landtag. Und so kommen da auch viele Anregungen zu Klärungs- und Regelungsbedarfen, die dann hier parlamentarisch angegangen werden können, auf diesem Wege auf den Tisch.

Umso wichtiger ist es, dass wir dieses unmittelbare Beteiligungsinstrument immer wieder kritisch hinterfragen. Ist es auf der Höhe der Zeit? Wie wird es angenommen? Und muss gegebenenfalls nachgebessert werden? Da gibt der Jahresbericht ernsthaft zu denken. 2017 erreichten lediglich 612 Schreiben den Sächsischen Landtag. Vor sieben Jahren waren es mit 1.219 Schreiben noch fast doppelt so viele. Auch die Anzahl der Petitionen, die letztlich behandelt wurden, hat sich von 888 im Jahr 2010 auf nur noch 438 in 2017 halbiert.

Wir haben nach dem Warum zu fragen. Wieso scheint es für Menschen immer weniger attraktiv zu sein, sich mit ihren Anliegen an den Landtag zu wenden?
Möglicherweise liegt es auch daran, dass außerhalb des Ausschusses fast niemand weiß, wann eine Petition eine Petition ist – und nicht etwa eine Meinungsäußerung oder eine Angelegenheit, für die der Landtag gar nicht zuständig ist. Meine Fraktion schlägt deshalb eine Beratungsstelle vor, an die sich Interessierte wenden können, um Hinweise zu Formalien und inhaltlichen Anforderungen zu erhalten.
Möglicherweise liegt es auch daran, dass das Petitionsverfahren grundsätzlich nicht öffentlich durchgeführt wird. Wenn der Ausschuss das nicht selbst möchte, bekommen die Petentinnen und Petenten während des gesamten Verfahrens nie ein Mitglied des Ausschusses auch nur zu sprechen.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass es in Zukunft auch optional die Form der öffentlichen Petition geben kann. Diese könnte nach Einreichung im Internet veröffentlicht werden, damit andere Menschen sie unterstützen können. Wenn eine kritische Zahl an Unterstützerinnen und Unterstützer zusammenkommt, sollen die Petentinnen und Petenten das Recht haben, öffentlich im Ausschuss angehört zu werden.
Manchmal sind es aber auch die kleinen Hindernisse, die abschrecken können. Wer heute seine Petition online einreichen möchte, kann dies zwar auf der Webseite des Landtages tun. Allerdings ist die Zeichenanzahl auf gerade einmal 1000 beschränkt. Wenn man dann noch Anlagen einreichen will – und sehr viele Petentinnen und Petenten wollen das, um ihr Anliegen zu verdeutlichen – geht das nur auf dem Postweg. In Zeiten, in denen selbst Bewerbungsunterlagen nur noch elektronisch versandt werden, ist dies doch eine sehr antiquierte Art, die Dinge zu erledigen.

Es ist wirklich an der Zeit, das Petitionswesen zu modernisieren, im Großen wie im Kleinen. Die letzte Informationsreise des Ausschusses nach Großbritannien und Schottland, an der meine Kollegin Franziska Schubert teilgenommen hat, hat gezeigt, wie es auch anders geht. Meine Kollegin zeigte sich sehr beeindruckt, mit welcher Wertschätzung man dort mit den Anliegen umgeht. Wir möchten, dass noch in dieser Wahlperiode Weichen dafür gestellt werden, das Petitionswesen offener und transparenter zu machen. Dazu haben wir im Petitionsausschuss eine Reihe von Vorschlägen gemacht.

Wenn ich mich bei Besuchen und Veranstaltungen mit Menschen über das Petitionswesen unterhalte, dann wird eine Frage immer wieder gestellt: bringt das wirklich was? Und das ist jetzt meine Übersetzung in eine freundliche Sprache. Zuweilen wird das durchaus drastischer formuliert.
Und der erste Blick in den Jahresbericht scheint das zu bestätigen. 414 Petitionen konnten wir abschließen, 313 davon konnten nicht abgeholfen werden, bei 54 Petitionen wurde das Votum „wird abgeholfen“ vergeben. Dazu kommen noch 77 Petitionen, die sich erledigt haben, und 18, die der Staatsregierung zugeleitet wurden. Diese Zahlen klingen für sich genommen, wenn wir es als reine Erfolgsbilanz definieren möchten, wenig berauschend.
Wenn man aber genauer hinschaut, dann bedeutet das im Gegenzug auch, dass jede dritte Petition einen wie auch immer gearteten Erfolg für die Petentinnen und Petenten hatte. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht: Selbst wenn eine Petition formal abgelehnt werden muss, gibt es immer noch Möglichkeiten, die Petenten auf weitere Schritte aufmerksam zu machen, mit denen sie weiter kommen können.

Was für aus meiner Sicht durchaus verständlichen Frust sorgt ist, wenn Petitionen, an denen sich zum Teil Tausende von Menschen beteiligt haben und die mit Medieninteresse an den Landtagspräsidenten übergeben worden sind, nach ein paar schönen Fotos und einem netten Gespräch hinter verschlossenen Türen verschwinden. Das nächste was die Petentinnen und Petenten dazu dann hören ist, dass der Petition nicht abgeholfen werden konnte. Da fehlt aus Sicht der Menschen einfach die Transparenz und da fehlt eine öffentliche Debatte zum Thema. Das Mittel der öffentlichen Petition, die ich vorhin angesprochen habe, wäre hier ganz sicher hilfreich.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt des Jahresberichts zu sprechen kommen, der immer wieder auf Unverständnis stößt: die Bearbeitungszeiten.
Die meisten Petitionen im letzten Jahr haben 6-12 Monate bis zum Abschluss gebraucht. Bei 104 Petitionen dauerte es sogar länger als ein Jahr. Ich kann gut verstehen, wenn solche Zeiten für Unmut sorgen. Oft werden die Anliegen von den Menschen durchaus als dringlich empfunden. Sie erhoffen sich von ihrer Petition schnelle Hilfe.

Allerdings muss bei der Bearbeitung von Petitionen immer gelten: so schnell wie es geht, aber dennoch so gründlich wie möglich. Oft geht es um verwaltungsrechtliche Details. Es geht um komplexe rechtliche Zusammenhänge, die eine intensive Einarbeitung erfordern. Abgeordnete, die eine Petition bearbeiten, suchen immer nach Wegen, dem Anliegen der Petition abzuhelfen. Da hakt man lieber nochmal zusätzlich nach, als rasch zu schreiben, dass leider nichts zu machen sei.
Alles andere würde dem Anliegen der Petenten auch nicht gerecht werden. Das ist sehr zeitaufwendig und so werden wir wohl auch künftig mit Kritiken zu langen Bearbeitungszeiten leben müssen.

Beim Lesen des Petitionsjahresberichts hat mich noch einmal beeindruckt, mit welchen Themen auch von Gemeinwohlinteresse sich die Menschen an den Landtag wenden.
Das gilt besonders für die Sammelpetitionen, also die klassischen Unterschriftensammlungen. Dort spielte beispielsweise die Bildung eine wichtige Rolle. So haben 3.456 Menschen eine Petition unterschrieben, die die Natur- und Umweltschule in Dresden retten will. Auch der Betreuungsschlüssel in den Kitas, die Unterrichtsversorgung an sächsischen Schulen und die Bezahlung der Grundschullehrerinnen und -lehrern waren Themen.

Auch Sorge um Umwelt, Natur und Tierschutz liegen vielen Petentinnen und Petenten am Herzen.
15.611 Menschen haben eine Petition zum Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft und der Artenvielfalt unterschrieben. 4.670 Unterschriften fordern ein Gesetz zum Schutz des Baumbestandes. Das zeigt uns doch, wie sehr die Menschen diese Themen, die unmittelbar mit unser aller Lebensqualität und -alltag zusammenhängen, bewegen.

Ein Anliegen zum Jahresbericht, das wir auch schon im letzten Jahr vorgebracht haben, möchte ich abschließend noch einmal wiederholen:
Auch wenn es mit viel Aufwand verbunden ist, der Bericht sollte so formuliert sein, dass viele Menschen ihn möglichst auch verstehen können. In seiner jetzigen Form ist das noch nicht gegeben. Dafür ist er sehr förmlich, sehr verwaltungssprachlich geschrieben. Ich würde es begrüßen und rege noch einmal an, dass wir beim nächsten Jahresbericht darauf hinarbeiten, auch eine Version in leichter und verständlicher Sprache zu erarbeiten.

Das Petitionswesen in Sachsen ist ein wichtiger Baustein in unserer Demokratie. Die Arbeit im Petitionsausschuss ist eine lohnende Aufgabe. Wir müssen als Landtag aber achtsam sein, dass die Menschen das Vertrauen in dieses Instrument nicht verlieren. Dafür braucht es neben einer wertschätzenden Haltung den Mut, neue Wege zu gehen und von anderen zu lernen. Wir haben noch gut ein Jahr bis zur nächsten Wahl, genug Zeit, um uns zumindest auf den Weg zu machen.