Petra Zais: Sicherheitskonzept trägt dazu bei, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in Sachsen sicher fühlen

Rede der Abgeordneten Petra Zais zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion "Asylsuchende und Flüchtlinge in Sachsen vor rassistischen Überfällen schützen" (Drs. 6/2005)
16. Sitzung des Sächsischen Landtags, 8. Juli, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Tage, Wochen und Monate. Immer wieder erschüttern rassistische Hetze und Angriffe auf Gemeinschaftsunterkünfte von Flüchtlingen den Freistaat Sachsen.
Als wir den Antrag "Asylsuchende und Flüchtlinge in Sachsen vor rassistischen Überfällen schützen" unter dem Eindruck des wütenden Mobs in Freital geschrieben haben, ahnten wir nicht, dass schon am Wochenende darauf in Meißen eine geplante Flüchtlingsunterkunft brennen würde. Und doch haben wir solche Entwicklungen be- und gefürchtet.
Seit Anfang des Jahres dokumentierte das RAA (Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie e.V.) in Sachsen 256 rassistische oder rechtsmotivierte Aktivitäten (Stand: 30.6.2015) im gesamten Freistaat. Allein die Asylbewerberunterkunft "Leonardo" bzw. dessen Bewohner waren seit März 2015 8 Mal Ziel rassistischer Anschläge. Weitere Nachrichten über Vorfälle, die uns allein im Juni erreichten, haben wir im Antrag aufgezählt.
Im Gespräch mit der Opferberatung in Chemnitz wurde bestätigt, dass es bei Angriffen eine neue Entwicklung gibt. War früher die Zahl der politisch motivierten Übergriffe deutlich höher als die der rassistisch motivierten Übergriffe, hat sich das Verhältnis heute geändert.
Bereits im Januar hatten wir die Staatsregierung mit dem Antrag "Entschlossen und effektiv gegen Rassismus und Diskriminierung vorgehen – Die Ereignisse von Hoyerswerda dürfen sich nicht wiederholen" aufgefordert zu prüfen, wie hoch sie die Gefahr einschätzt, dass von -GIDA-Demonstrationen gewalttätige Übergriffe gegen Menschen mit Migrationshintergrund ausgehen könnten. Wir haben auch wissen wollen, welche konkreten Sicherheitskonzepte entwickelt worden seien, um dies zu verhindern.
Die Staatsregierung antwortete, dass sie keine Anhaltspunkte dafür sehe, dass von den Versammlungen Übergriffe ausgehen könnten. Offensichtlich sah sie auch keine Notwendigkeit, Sicherheitskonzepte zum Schutz von Menschen mit Migrationshintergrund zu entwickeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren: Es sind die Demonstrationen von -GIDA, es sind die Teilnehmer von solchen Aufmärschen und es sind die Anführer und Anstifter dieser rassistischen Aufläufe wie Lutz Bachmann, von denen ein hohes Gefahrenpotential für Asylbewerber und Menschen mit Migrationshintergrund in Sachsen ausgeht.
Nach dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014 sind rechtsextrem motivierte Gewalttaten um 23 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Wert seit 2008. Die fremdenfeindlich motivierten Straftaten liegen bei 512. Das ist der höchste Stand seit 2001. Jeder zweite Rechtsextremist ist gewaltorientiert. Laut Verfassungsschutzbericht bildet die "Selbstradikalisierung einzelner Personen oder Kleinstgruppen dabei ein nicht zu unterschätzendes Risikopotential".
Es sind die Verharmlosungen der Staatsregierung hinsichtlich der rassistischen Grundstimmung in unserer Gesellschaft, es ist das Leugnen von Gefahren durch diese Stimmung und es sind mit Ressentiments geladene Interviews und Statements selbst aus der Spitzenpolitik, die dieses Gefahrenpotential befeuern, die Lunte zum Entzünden des Pulverfasses verkürzen.
Unser Antrag kann das Grundproblem in der Gesellschaft und die fehlende Haltung der Staatsregierung und ihrer politischen Akteure nicht ändern. Er kann jedoch dazu beitragen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in Sachsen wieder sicher fühlen können. Wir GRÜNEN fordern die Staatsregierung mit diesem Antrag auf, ein Sicherheitskonzept für die Gemeinschaftsunterkünfte zu erarbeiten. Wichtig erscheint uns dafür zunächst, dass die Staatsregierung das Gefahrenpotential für die Flüchtlinge endlich realistisch analysiert und auch erfasst, an welchen Orten es sich aus welchen Gründen bereits realisiert hat.
Unsere zentrale Forderung ist, dass die Anzahl der Polizeikräfte in den Revieren erhöht wird, so dass eine dauerhafte Bestreifung zur Sicherheit der Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte gewährleistet werden kann. Offensichtlich hat der Stellenabbau bei Polizei dazu geführt, dass sie diesen erhöhten Aufgabenanfall nicht mehr bewältigen kann.
Lassen Sie mich Ihnen das am Beispiel Freital verdeutlichen: Während es 2009 noch die Reviere Dippoldiswalde und Freital mit 69 und 111 Beamten (Soll-Stärke) gab, sind die Reviere heute zusammengelegt und nur noch mit 141 Polizeibeamten (Soll-Stärke) besetzt. Der Innenminister ist aufgefordert, endlich tätig zu werden.
Ferner muss mit dem Sicherheitskonzept eine Strategie entwickelt werden, wie deeskalierend auf Nachbarn von Gemeinschaftsunterkünften und all diejenigen eingewirkt werden kann, die sich auf den Weg machen, um gegen Gemeinschaftsunterkünfte zu protestieren oder diese anzugreifen. Anfangen sollte die Staatsregierung dabei mit ihrem eigenen Wording: Sie sollte rassistische Hetze und Gewalt endlich als solche bezeichnen. Sie sollte von "besorgten Bürgern" nur dann sprechen, wenn diese ein Mindestmaß an Dialogfähigkeit offenbaren und sie sollte sich endlich uneingeschränkt gegen rassistische Hetze und Gewalt positionieren und diese Position nicht durch Hinweise auf Ausländerkriminalität und Linksextreme relativieren.
Sie finden noch eine weitere Forderung in unserem Antrag. In Sachsen bilden sich derzeit sog. Bürgerwehren, die rechtes Klientel mit großem Gewaltpotential versammeln, die Streife laufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln "zum Schutz der einheimischen Bevölkerung vor Asylbewerbern" mitfahren.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Wir fordern die Staatsregierung daher auf zu prüfen, inwieweit solche Bürgerwehren verboten werden können.