Petra Zais: Trotz Rekordniveau des Bildungsetats wird die Staatsregierung ihrer Verantwortung als Arbeit-, Gesetz- und Ideengeber nicht gerecht
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Zais zum Doppelhaushalt:
"Einzelplan 5/Kultus"
12. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. April 2015, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Ausgaben im Einzelplan des Kultusministeriums bestehen zu zwei Dritteln aus Personalkosten, zu fast 30 Prozent aus Ausgaben aufgrund von Landesgesetzen etwa zur Kindertagesbetreuung oder zu Freien Schulen und zu vier Prozent aus EU- oder Bund-Länder-Programmen, Landesmitteln und Verwaltungskosten. Der Etat knackt im Doppelhaushalt 2015/2016 erstmals die Marke von 3 Milliarden Euro. Er ist damit der größte Fachhaushalt (nach dem Einzelplan 15 "Allgemeine Finanzverwaltung") und bindet über 17 Prozent des Gesamtetats des Freistaates.
Und dennoch sage ich: Der Kultushaushalt muss weiter erhöht werden. Dafür gibt es in erster Linie drei Gründe:
- die Verantwortung des Freistaates als Arbeitgeber für seine größte Angestelltengruppe, nämlich die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch seine Verantwortung für die Beamtinnen und Beamten in den Schulleitungen, der Kultusverwaltung, dem Bildungsinstitut und dem weiteren Personal im Kultusbereich;
- der Anspruch an und die Verpflichtung des Gesetzgebers, gute – und ich sage bewusst auch: verfassungskonforme Gesetze zu erlassen und diese entsprechend finanziell zu untersetzen und
- der Bedarf und die Notwendigkeit kluger Zukunftsinvestitionen.
Bei Lichte betrachtet wird der Haushaltsentwurf, trotz Rekordniveau und einigen positiven Entwicklungen, dieser Verantwortung nicht gerecht. Dies gilt sowohl rein quantitativ, z. B. bei der unzureichenden Berücksichtigung steigender Schülerzahlen, aber auch qualitativ hinsichtlich der individuellen wie gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung und dem daraus folgenden Bedarf, den Notwendigkeiten und Verpflichtungen.
Zum ersten Punkt: Gute Schule braucht gute Lehrerinnen und Lehrer. Wie viele Lehrkräfte eingestellt werden sollen, haben CDU und SPD im Koalitionsvertrag festgelegt. Aber 6.100 neue Lehrerinnen und Lehrer werden nicht reichen, da kann man hin und her rechnen, wie man will. Zudem geht es nicht nur um die Frage, ob wir ausreichend Lehrpersonal gewinnen können, sondern ob es gelingt, Lehrerinnen und Lehrer adäquat nach Schulart, Fächerkombination und Region einzustellen. Das angekündigte "Lehrerpersonalentwicklungskonzept 2020" ist die entscheidende Grundlage für den gelingenden Generationswechsel in den Schulen, aber dieses liegt noch nicht vor. So werden im Haushalt willkürlich Stellenobergrenzen festgeschrieben. Das weitere Personal soll aus Mitteln, nicht aber aus dem Stellenplan finanziert werden. Genutzt wird dabei das Geld, das durch die Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund frei wird, für den Kultusbereich jährlich immerhin 27 Millionen Euro. Wir GRÜNE haben vorgeschlagen, mit dem Geld ein Landesprogramm Schulsozialarbeit aufzulegen. Laut Bund-Länder-Vereinbarung sind die frei werdenden BAföG-Mittel für zusätzliche Aufgaben vorgesehen, also nicht für den laufenden Haushalt zur Abfinanzierung von Regelleistungen. Wenn Regierung und Koalition daraus nun Lehrerinnen und Lehrern außerhalb des Stellenplans finanzieren wollen, ist das unserer Auffassung nach keine saubere Lösung, wenn nicht gar vereinbarungswidrig.
Weiterhin hat sich der Freistaat in den zurückliegenden Tarifverhandlungen der Länder zum dritten Mal um eine bundesweite Lösung und damit um die faire und gleiche Eingruppierung und Bezahlung aller sächsischen Lehrerinnen und Lehrer gedrückt. So macht man sich als Arbeitgeber wohl kaum attraktiv für den so dringend benötigten Lehrernachwuchs.
Zum zweiten Punkt: den gesetzlichen Grundlagen. Aller Voraussicht nach ist dieser Doppelhaushalt der letzte vor der seit Jahren überfälligen Novellierung des Schulgesetzes, die neben grundsätzlichen bildungspolitischen Weichenstellungen weitreichende finanzielle Folgen haben dürfte. Exemplarisch sei hier an das Urteil zur Schulnetzplanung der Grund- und Oberschulen in Sachsen erinnert, die dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung widerspricht und demnach verfassungswidrig ist. Gleiches gilt für die Lernmittelfreiheit, die im Schulgesetz bisher völlig unzureichend geregelt ist. Erinnern möchte ich auch an die Verpflichtung des Freistaates zur Umsetzung der Inklusion, gerade auch im Schulbereich. Der Staatsregierung fehlen die Konzepte und offenkundig auch der Wille. Die Fortschreibung des Aktions- und Maßnahmeplans steht noch immer aus – seit nunmehr fast drei Jahren.
Auch in Bereichen, in denen die Haushaltsverhandlungen von Gesetzgebungsverfahren begleitet werden, wird die Staatsregierung ihrer Verantwortung nicht gerecht. Dies gilt zum einen für die sächsischen Kindertageseinrichtungen, zum anderen für die Schulen in freier Trägerschaft. Die "in Stein gemeißelte" Verbesserung des Kita-Personalschlüssels gerät zur Mogelpackung. Zwar ist die prozentuale Erhöhung der zulässigen Elternbeiträge vom Tisch. Hingegen wurde die Regelung, in Krippen bis zu 20 Prozent Assistenzkräfte zu beschäftigen, nur verschoben, nicht aber aufgehoben. Wir GRÜNE fordern die sofortige Verbesserung des Personalschlüssels auf 1:5 in der Krippe und auf 1:12 in der Kita OHNE Aufweichung des Fachkräftegebots und OHNE zusätzliche Belastung der Eltern, Kommunen und Landkreise. Alles andere ist ein Schlag ins Gesicht derer, die vor der Wahl und im Zuge der Haushaltsverhandlungen so vehement für mehr Zeit für Kinder gekämpft haben.
Auch die Schulen in freier Trägerschaft kämpfen seit Jahren für ihre Rechte. Der vorgelegte Gesetzentwurf ist unserer Auffassung nach erneut verfassungswidrig. Es funktioniert eben nicht, erst festzulegen, was ein Gesetz kosten darf, um es dann zu schreiben. Hier werden wir in den kommenden Monaten noch intensive Auseinandersetzungen führen. Der Haushalt jedenfalls, so viel ist sicher, bleibt weit hinter den Erwartungen – oder besser: Verpflichtungen – zurück.
Zum dritten Punkt: dem enormen Investitionsbedarf der Bildungsinfrastruktur. Aufgrund des massiven Protestes der kommunalen Spitzenverbände wurde zumindest die komplette Streichung der Landesmittel für Investitionen in den Kita-Neu- und Umbau zurückgenommen. Dennoch bleibt unterm Strich nur etwa ein Drittel der Summe gegenüber 2014, nämlich rund 15 statt 45 Millionen Euro, die Bundesmittel bereits eingerechnet. Wenig besser steht es um den Schulhausbau, für den 10 Millionen Euro weniger Geld zur Verfügung stehen wird als 2014. Trotz des großen Bedarfs der kreisfreien Städte an neuen Schulstandorten und der Sanierung bestehender Einrichtungen wurden sie nicht, wie noch im letzten Doppelhaushalt, mit einem eigenen Posten berücksichtigt. Ich bin überzeugt, dass das Aufschieben dieser Investitionen ein fatales Signal und ein politischer Fehler ist und der Sanierungsstau weiter wachsen wird.
Ja, die Spielräume im Kultushaushalt sind begrenzt. Aber wir sind als Haushalts- und Gesetzgeber gefordert, Spielräume zu schaffen und zu nutzen. Im Laufe der Haushaltsverhandlungen wurde häufig das Wort "Flexibilität" gebraucht – "Flexibilität des Lehrerpersonaleinsatzes" oder "Flexibilität bei der Gestaltung von Elternbeiträgen" etwa. Jede noch so große Flexibilität wird die Folgen von Mangelverwaltung und ausbleibenden Zukunftsinvestitionen nicht heilen können. Wo, wenn nicht im Bildungsbereich, können und müssen wir als Gesetzgeber die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft Sachsens stellen?
Meine Fraktion wird zum Einzelplan 05 und zum Haushaltsbegleitgesetz eine Reihe von Änderungsanträgen einbringen, insbesondere zu den Themen Freie Schulen, Kita-Personalschlüssel, Lehrervergütung, Asyl und Integration. Wir hoffen sehr, dass Sie bereit sind, die ein oder andere Fehlentscheidung in Ihrem Haushaltsentwurf noch zu korrigieren.
Vielen Dank.