Polizeifachhochschulgesetz – Lippmann: Erster großer Schritt hin zu einer modernen, bürgernahen Polizei der Zukunft
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Neuordnung der Organisation von Studium, Ausbildung und Fortbildung der sächsischen Polizei“ (Drs 7/6004)
41. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Dienstag, 21.12.2021, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
im Jahr 2018 rückte die Polizeihochschule in Rothenburg schlagartig ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit, als bekannt wurde, dass ein Verwaltungsbeamter Prüfungsfragen an einen Polizeikommissaranwärter weitergab und der Inhalt der abzulegenden Prüfung damit fast dem ganzen Jahrgang bekannt wurde.
Der Prüfungsskandal war perfekt. Der Innenminister suspendierte damals den Rektor und den Beamten und setzte eine Kommission ein. Die sollte zum einen die Vorkommnisse untersuchen und zum anderen prüfen, ob die Ziele und Struktur der Aus- und Fortbildung der Polizei insgesamt geeignet seien, eine moderne und effiziente Ausbildung der sächsischen Polizei zu gewährleisten.
Die von Armin Staigis geführte Kommission legte ihren Bericht im Mai 2019 dem Innenminister und der Öffentlichkeit vor.
Selten wurde mit der Führung und der Ausbildung der sächsischen Polizei so schonungslos ins Gericht gegangen wie in diesem Bericht. Es wurden tiefgreifende strukturelle Probleme in der Organisation der Ausbildung der sächsischen Polizei offengelegt.
Aber – und das macht diesen Bericht so wertvoll – es wurde vor allem nach vorn geschaut. Unter einer Vielzahl von konkreten Empfehlungen zur Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Polizei fand sich auch der nachdrückliche Rat, gerade vor dem Hintergrund rasanter politischer-gesellschaftlicher Entwicklungen ein Führungs- und Selbstverständnis zu erarbeiten. Es bedürfe – so die Kommission in ihrem Bericht – eines gemeinsamen integrativen Werte-, Auftrags- und Führungsverständnisses. Dazu gehöre eine offene, vertrauensvolle Kommunikation nach innen und außen sowie eine gelebte Fehlerkultur. Da es an einem gemeinsam getragenen Führungs- und Selbstverständnisses fehle, könne es auch nicht gelehrt werden. Ein Anwärter bestätigte damals, dass ihm die Hochschule das „Bild eines Kommissars“ nicht beantworten könne.
Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf schaffen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Umsetzung der vielen dringenden Empfehlungen der Staigis-Kommission.
Wir stellen die Weichen für eine Polizei, die mit ihrer Ausbildung zu einem verantwortlichen Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat und zu einem Einstehen für demokratische Werte, gesellschaftliche Offenheit und Transparenz befähigt wird.
Dies und die Entwicklung eines Leitbildes einer modernen Polizei, das in der Polizeihochschule erarbeitet werden soll, sind nunmehr als Aufgabe und Richtschnur für die polizeiliche Aus- und Weiterbildung im Gesetz verankert. Das ist ein aus Sicht der BÜNDNISGRÜNEN erster wichtiger großer Schritt hin zu einer modernen, bürgernahen Polizei der Zukunft. Die Mittel für die Erarbeitung des Leitbilds einer modernen Polizei haben wir im aktuellen Doppelhaushalt 2021/22 auch schon zur Verfügung gestellt.
Eine weitere wichtige Empfehlung der Kommission war, den bisher eher gering ausgeprägten Bereich der Forschung zügig und umfassend auszubauen. Auch dafür schaffen wir mit dem neuen Gesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen. Hier haben wir insbesondere mit den Änderungen im parlamentarischen Verfahren sichergestellt, dass die anwendungsorientierte Forschung nicht nur an den Bedarfen ausgerichtet wird. Das ist ein Schritt zu einem Stück weit mehr Freiheit der Hochschule.
Zudem haben wir das Stimmgewicht des wissenschaftlichen Personals an mehreren Stellen gestärkt und klargestellt, dass in Angelegenheiten der Wissenschaftsfreiheit kein Weisungsrecht der Rektorin oder des Rektors besteht. Damit haben wir die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre gestärkt.
Auch für die von uns BÜNDISGRÜNEN seit langem und auch von der Kommission angemahnte Öffnung der polizeilichen Ausbildung nach außen haben wir die Weichen gestellt. Künftig ist es auch Aufgabe der Polizeifachhochschule, mit anderen sächsischen Hochschulen zur Durchführung gemeinsamer Lehrveranstaltungen zu kooperieren. Damit wird es möglich, beispielsweise bei der juristischen Ausbildung mit den Universitäten zu kooperieren und so die Qualität zu stärken.
Und auch die Besetzung des Hochschulbeirats, der die Fachhochschule unterstützt und zu aktuellen gesellschaftlichen Themen und zur Förderung des gesellschaftlichen Dialogs berät, gewährleistet eine Öffnung in die sächsische Gesellschaft, um Impulse zu erhalten.
Nicht zuletzt mit der Pflicht zur Qualitätssicherung durch regelmäßige Durchführung von Evaluationen wird sichergestellt, dass der Prozess der Neuaufstellung der sächsischen Polizeiausbildung und damit der sächsischen Polizei insgesamt auf den Weg gebracht und fortlaufend kritisch begleitet wird.
Wir BÜNDNISGRÜNE sehen in diesem Gesetzentwurf den Aufbruch der sächsischen Polizei hin zu einer modernen Polizei, die eine Fehlerkultur entwickelt und die die Vielfalt unsere Gesellschaft widerspiegelt sowie Polizistinnen und Polizisten befähigt, demokratische Werte, gesellschaftliche Offenheit und Transparenz auch in ihrem Beruf zu leben. Dieser Gesetzentwurf ist sicher nicht die Lösung für alle Probleme der sächsischen Polizei, aber er bietet die Chance für eine gute Entwicklung in die Zukunft!
Wir bitten um Zustimmung!