Elke Herrmann: Jagd als berufliche Praxis sowie als Freizeitbeschäftigung und Hobby ist dringend reformbedürftig

Redebeitrag der Abgeordneten Elke Herrmann zum Entwurf "Gesetz zur Neureglung des Jagdrechts im Freistaat Sachsen" (Drs. 5/7713), 55. Sitzung des Sächsischen Landtages, 9. Mai 2012, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sie haben mich nicht überzeugt mit Ihrem letzten Satz. Das mal schon vorweg. Viel dankbarer bin ich der Kollegin Kagelmann für die Worte, die sie ihren Ausführungen vorangestellt hat. Auch bei mir hat sich im Zuge der Auseinandersetzungen zum Jagdgesetz und der Beschäftigung mit der Stellung des Wolfes innerhalb oder außerhalb des Jagdgesetzes der Eindruck breitgemacht, dass ein Großteil derjenigen, die mit uns gestritten haben, auch auf einer Sitzung des Petitionsausschusses, wo es ausschließlich um eine Petition zum Wolf und zur Aufnahme des Wolfes in das Jagdgesetz ging, durchaus bereit sind, sich bestimmten Argumenten nicht zu verschließen, und dass insgesamt etwas auf den Weg gekommen ist.

Ich denke, dass die Jagd als berufliche Praxis sowie als Freizeitbeschäftigung und Hobby dringend reformbedürftig ist. Ich habe in dieser Auseinandersetzung durchaus den Eindruck erhalten, dass das andere auch so sehen, und zwar auch Menschen, die selbst Jäger sind und Jagdverbänden angehören. Die Jagd ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die GRÜNE-Landtagsfraktion definiert die Jagd als nachhaltige Nutzung wild lebender, in ihrem Bestand nicht gefährdeter Tierarten.

Gleichzeitig sind alle einheimischen Wildtierarten in geeigneten Lebensräumen zu erhalten bzw. ihre Wiederansiedlung zu fördern. Vorrangiges Ziel der Bejagung von Wildtieren muss die Sicherung von naturnahen, strukturreichen Ökosystemen sein. Dabei sind Störungen von Natur und Landschaft zu minimieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Jagdentscheidung für eine Art muss sich auf die Situation der Art in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet beziehen. Wir wollen deshalb, dass die Liste der jagdbaren Tiere deutlich verkürzt wird. Stark bedrohte Arten wie Biber, Luchs und Wildkatze gehören nicht ins Jagdrecht. Auch der Wolf hat dort nichts verloren. Das ist von einigen Vorrednern hier auch schon ausgeführt worden. Auch wenn im Jagdgesetz jetzt die Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass Jagdzeiten für den Wolf festgelegt wurden, ist der Grund, der ursprünglich zu dieser Diskussion geführt hat, nämlich die Jäger stärker in das Monitoring einzubinden, nach meiner Meinung ein vorgeschobener, weil sich die Jagdverbände als Naturschutzverbände natürlich bereits an dem Monitoring beteiligen konnten.

Nichtsdestotrotz habe ich in der Diskussion wahrgenommen, dass es mehr ein psychologischer Grund ist, der dazu führen kann, dass sich die Jäger für Tiere, die dem Jagdgesetz und dem Jagdrecht unterliegen, stärker verantwortlich fühlen als für andere. Ich wünsche mir sehr, dass diese Verantwortlichkeit nicht an dieser Stelle stehen bleibt, sondern sich am Monitoring beteiligt.

Wildtiere, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind unsere Mitgeschöpfe. Die Jagdausübung muss sich deshalb an wildbiologischen und ökologischen Erkenntnissen orientieren. Sie hat wildtiergerecht und tierschutzkonform zu erfolgen.

Reine Trophäenjagd, das Heranzüchten von Wildtieren, um eine möglichst große Abschussziffer zu erreichen, Zucht und Produktion von jagdbarem Wild, Aufstellung von Fallen oder Ähnlichem sind aus ethischen Gründen nicht mehr vertretbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur gesunde, naturnahe und strukturreiche Ökosysteme sind in der Lage, ihre vielfältigen ökologischen und ökonomischen Funktionen auch in Zukunft nachhaltig zu erbringen. Insbesondere unsere Wälder müssen infolge des Klimawandels möglichst rasch in artenreiche Mischwälder umgewandelt werden.

Dazu ist eine konsequente Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben notwendig, insbesondere durch eine deutliche Reduktion der hohen Wilddichten jener Tierarten, auf die die hohe Verbissbelastung der Waldverjüngung zurückgeht. Dies scheiterte bislang unter anderem an behördlichen Defiziten im konsequenten Gesetzesvollzug, aber auch am Widerstand von an hohen Wilddichten interessierten Jägern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier lohnt sich ein Blick nach Bayern. Dort werden keine Zaunbauten mehr gefördert, sondern Waldbesitzer für konkrete Erfolge im Waldumbau vergütet. Dieser finanzielle Anreiz führt zu einer stärkeren Ausrichtung der Jagd am Zustand des Waldes. Das jagdliche Ziel, auf Dauer verträgliche Wilddichten zu schaffen, wurde in Sachsen bisher verfehlt.

In meinem weiteren Beitrag möchte ich mich vor allen Dingen auf den Tierschutz beziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundestag stimmte am 17. Mai 2002 mit der erforderlichen Mehrheit für die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz zu. Der Bundesrat stimmte dieser Entscheidung am 21. Juni 2002 – also vor nunmehr zehn Jahren zu. Es ist anzunehmen, dass sich eine Sächsische Staatsregierung mit dieser Tatsache – Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz – also schon einmal beschäftigen musste.

Die Neufassung im Grundgesetz ist am 1. August vor zehn Jahren in Kraft getreten; das alte Sächsische Jagdgesetz am 08.05.1991. Wenn also eine Novelle dieses Jagdgesetzes angestrebt wird, dann muss sich in dieser Novelle die veränderte Gesetzeslage widerspiegeln.

Artikel 20 hat folgenden Wortlaut:“Der Staat schützt auch in Verantwortung für die zukünftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Recht und Gesetz durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Ich frage die Staatsregierung und die Koalition, an welcher Stelle im Jagdgesetz sie entsprechend ausreichende Änderungen vorgenommen haben. Was mein Kollege am Anfang vorgetragen hat, sind keine ausreichenden Änderungen.

Sie dürfen nach dem verfassungsgemäßen Grundsatz und im Bundestierschutzgesetz nur aus vernünftigem Grund Tiere töten. Das trifft auch auf Wildtiere zu. Eine Einteilung der Tiere in schädlich und nützlich – zum Beispiel bei Füchsen – ist deshalb grundsätzlich abzulehnen. Auch aus Sicht des Tierschutzes ist zum Beispiel die sogenannte Bau-Jagd mit Hunden in Fuchs- oder Dachsbauen abzulehnen. Gleiches gilt für die Ausbildung der Hunde an lebenden Tieren.

Die Staatsregierung hat es versäumt, sich wie andere Bundesländer mit bestehenden Tierschutzproblemen bei der Jagd intensiver auseinanderzusetzen und tierschutzwidrige Jagdmethoden – generell die Fallenjagd oder den Haustierabschuss – zu unterbinden. Die fachliche Begründung und auch die Akzeptanz in der Gesellschaft für diese Methoden fehlen mittlerweile völlig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Änderungsanträge eingebracht. Zu diesen werde ich an entsprechender Stelle noch sprechen. Danke.

Hintergrund:
Eckpunktepapier zum novellierten Jagdgesetz "GRÜNE Leitlinien zur Jagd"