Michael Weichert: Die sächsische Tourismuswirtschaft ist aber lediglich bundesdeutsches Mittelmaß

Redebausteine des Abgeordneten Michael Weichert
zum Antrag "Tourismusstrategie 2020 – Zwischenbilanz und Ausblick" (Drs. 5/14385)
99. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. Juni 2014, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
manchmal fällt der Groschen reichlich spät, aber er ist gefallen.
Für eine kontinuierliche und gezielte Destinationsentwicklung bedarf es neben der Zeit für die Blüte vieler kleiner Schritte des Wachstums und der Entwicklung. Einer davon, ein kleiner Schritt, ist die Tourismusstrategie 2020 der Sächsischen Staatsregierung, die viele unserer tourismuspolitischen Ziele aufgegriffen hat. Sie erinnern sich sicher an die Debatten und Expertenanhörung, die dazu führten, die Tourismusstrategie noch einmal gründlich zu überarbeiten, bevor sie dann das Licht der Welt am Kabinettstisch erblickte.
Inzwischen gibt es eine gute und erfolgreiche Entwicklung des Tourismus. Die Zahlen sind bekannt, ein Rekordjahr nach dem anderen, 7,4 Milliarden Umsatz, 217.000 vollbeschäftigte Äquivalente, das lässt sich sehen.
Ja, es gibt auch eine erfolgreiche Destinationsentwicklung, wie z. B. den Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V., der sich mit 56 Prozent Eigenmittelanteil trägt oder den Tourismusverband Erzgebirge, wo es gelingt, im Zusammenschluss ehemals selbstständiger Splitterorganisationen eine schlagkräftige, grenzübergreifende Einheit zu schaffen, oder die inzwischen gemeinsame Vermarktung der Region Leipzig.
Allerdings sind wir mit der sächsischen Tourismuswirtschaft lediglich bundesdeutsches Mittelmaß anstatt 1. Bundesliga, in die Sachsen auf Grund seines Potenzials hingehört.
Wenn wir das wollen, müssen wir uns künftig den aktuellen Herausforderungen gezielter stellen als bisher.
Ein Punkt davon ist die Fachkräftesicherung.
In Hotellerie und Gastgewerbe fehlen die Nachwuchskräfte, sodass bis zur Hälfte der inhabergeführten Betriebe nicht wissen, ob sie einen Nachfolger finden werden. Wir haben im Vergleich zum Jahr 2003 ganze 67,6 Prozent weniger junge Menschen in einem eingetragenen Ausbildungsverhältnis. Des Weiteren besitzen lediglich 38 Prozent der Betriebe im Gastgewerbe eine Ausbildungsberechtigung. Das wird in Zukunft schwerwiegende Folgen für die touristische Wirtschaft in Sachsen haben.
Ein zweiter Punkt:
Gravierende Konsequenzen hatte auch das Hochwasser 2013 für das Gastgewerbe in großen Teilen von Sachsen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bundeskanzlerin Merkel hat ihrerseits schon 2007 in Grönland festgestellt, was für Auswirkungen der Klimawandel hat. Mal wieder hatten grüne Themen die Bundes-CDU erreicht, allerdings ist die sächsische Landesregierung von diesen Erkenntnissen "verschont" geblieben. Mittlerweile hatten wir das zweite große Hochwasser in Sachsen innerhalb kurzer Zeit und wieder hieß es für die Branche – über die Finanzierung der SAB hinaus – mind. 25 Prozent der Schadenssumme zu beheben. Es hat kein ernsthaftes Umdenken der Regierungsfraktionen beim Schutz des sächsischen Mesoklimas stattgefunden und dementsprechend sieht ihr Handeln aus bzw. fehlt der dringende Beginn des Umdenkens in Richtung nachhaltiger Tourismusentwicklung.
Ein dritter Punkt:
Nicht nur Naturkatastrophen bringt der Klimawandel mit sich, sondern auch den Wandel der Flora und Fauna in den Destinationen. Deshalb muss langfristig eine Vier-Jahreszeitenkonzeption für die jetzt noch saisonabhängigen Destinationen entwickelt werden. Denn dort, wo man im Winter Skifahrer auf die Piste bringt, kann man auch in der schneefreien Zeit Mountainbiker auf den Berg schaffen! Diese und andere innovativen Konzepte – unter Berücksichtigung der lokalen Tier- und Pflanzenwelt – müssen durch die Staatsregierung aktiv gefördert und unterstützt werden.
Ein vierter Punkt:
Wir wollen einen barrierefreien Zugang zu den touristischen Zielen. Und dabei geht es nicht nur um die Menschen mit Behinderung, es geht um alle Menschen mit Beeinträchtigungen. Bis 2020 soll Sachsen im barrierefreien Tourismus an der Spitze in Deutschland stehen, sagt die Strategie. Wenn wir das schaffen wollen müssen wir schnellstens die Startlöcher verlassen.
Ein einen letzten Punkt:
Anders als sie werde ich das hier nicht verschweigen. Keiner möchte in eine Region fahren, wo man abends am Bahnhof Nazis begegnet. Der Rechtsextremismus in Teilen Sachsens stellt eine Gefährdung nicht nur für die Demokratie und das Zusammenleben der Menschen vor Ort dar, sondern auch für die Tourismuswirtschaft. Die Staatsregierung steht in der Verantwortung, dieses Problem anzugehen, die Willkommenskultur zu fördern und zivilgesellschaftliche Initiativen in ihrem Kampf gegen den Rechtsextremismus zu stärken.
Meine Damen und Herren, die Tourismuswirtschaft braucht motivierte, gut ausgebildete und fair bezahlte Mitarbeiter, eine gut vernetzte Infrastruktur, eine Verträglichkeit von Naturschutz und touristischer Nutzung, eine schnelle, sichere öffentliche und individuelle Mobilität und zwar innerhalb der Destinationen als auch auf den Wegen von und nach Sachsen, Barrierefreiheit, eine ehrliche Willkommenskultur.
Wenn wir das schaffen, wird Sachsen sein touristisches Potenzial ausschöpfen und tatsächlich in der Endrunde deutscher Urlaubsregionen mitspielen.