Michael Weichert zur Einsetzung einer Enquete-Kommission für die Technologie- und Innovationspolitik

Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum Antrag „Einsetzung der Enquete-Kommission ‚Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“ in der 21. Sitzung des Sächsischen Landtages, 29.09., TOP 7
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

«Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal.» Das sagte der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog schon 1997 in seiner berühmt gewordenen Aufbruchrede.
Dieser Satz ist bei allem Pathos heute genau so aktuell wie vor nunmehr 13 Jahren. In diesem Punkt sind wir uns, glaube ich, alle einig.
Nicht ganz so groß war dann die Einigkeit in der Vergangenheit, wenn es um die Frage ging, wie die Technologie- und lnnovationspolitik im Freistaat konkret gestaltet werden kann. Die aktuelle Forderung, eine Enquete-Kommission einzurichten, die klären soll, wie die technologische innovative Leistungsfähigkeit der sächsischen Unternehmen weiter verbessert werden kann, kommt für die SPD, die in der letzten Legislatur das  Wirtschaftsministerium besetzte — und damit auch dieses Thema —‚ aber auch für die viel länger regierende CDU ziemlich spät.
Oder positiv ausgedrückt: Sie beantragen für sich selbst die lange verweigerte Nachhilfe.
Aber, meine Damen und Herren, Einsicht ist, wie wir wissen, der erste Weg zur Besserung. Darum begrüße ich das plötzliche Interesse an diesem Politikfeld ausdrücklich. Bisher hatte ich allerdings eher den Eindruck, auch dieses Thema wurde getreu dem Motto „‘Wir Sachsen sind spitze“ als gelöst betrachtet.
Auf unseren Antrag in der Drucksache 5/497 „Die Zukunft der Technologieförderung im Freistaat Sachsen“ antwortete die Staatsregierung sehr lapidar — ich zitiere —: «Die bisherige erfolgreiche Förderung wird fortgesetzt.» Zitatende.
Aus Sätzen wie diesem spricht eine Selbstzufriedenheit, die fehl am Platze ist. Denn, meine Damen und Herren, so einfach ist die Sache nicht. Sonst käme der von der Staatsregierung in Auftrag gegebene Technologiebericht Sachsen 2009 nicht zu dem Schluss — und ich zitiere wieder —: «Trotz einer Zunahme des Innovatorenanteils in der sächsischen Wirtschaft von 2001 bis 2007 verschlechterte sich die Position Sachsens bei diesem Indikator im bundesdeutschen Vergleich vom siebten in 2001 auf den elften Rang in 2007.»

Das heißt, meine Damen und Herren, zu tun gibt es immer noch genug. Die Enquete-Kommission kann ein erster Schritt dazu sein, wenn den Worten auch Taten folgen. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass das Gerede über lnnovationsmanagement zur Ersatzhandlung für echte Innovationen geworden ist. Diese werden dann oft aufgeschoben, verdrängt oder behindert mit der Folge, dass wir im Wettbewerb um Innovation und Wachstum, um Qualifikation und Arbeitsplätze im nationalen und internationalen Maßstab zurückfallen. Dabei haben wir doch gar keine andere Wahl. Wir leben von dem, was in den Köpfen der Menschen entsteht. Rohstoffarme, exportorientierte Hochlohnländer können ihr Niveau nur solange halten, wie sie in der Lage sind, innovative Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die andere Länder noch nicht herstellen können, aber eben benötigen.
Meine Damen und Herren! Unsere Arbeitsplätze von heute sind Resultate der Forschung und Entwicklung von gestern. Den Grundstock für die heutige Exportwirtschaft Deutschlands legten Hochschulen vor mehr als hundert Jahren. Die damals entstandenen Industriezweige bilden heute noch das Rückgrat der sächsischen Wirtschaft: Automobilindustrie, Maschinenbau, Elektro, Chemie usw. Wer auch morgen Wohlstand sichern will, muss heute den Nährboden für künftige Innovationen bereiten. In unseren Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, das heißt in der Bildungs-, Forschungs- und Technologiepolitik werden die Weichen gestellt, von denen morgen und übermorgen unser Arbeitsmarkt, unsere Arbeitsbedingungen und unser Einkommen abhängen werden.
Bei allen guten Ansätzen müssen wir ehrlich genug sein festzustellen, dass das Potenzial unserer Hochschulen und Forschungseinrichtungen längst nicht ausgeschöpft wird. Das zeigt nicht zuletzt das mäßige Abschneiden bei der Excellenzinitiative und die geringe Zahl an Hochschulausgründungen. Umso unverständlicher ist es, wenn der Freistaat etwa ein erfolgreich evaluiertes Forschungsförderprogramm in Verantwortung des Wissenschaftsministeriums von neun auf 3,5 Millionen Euro kürzt und einen weiteren Abbau von tausend Stellen an den Hochschulen plant. Damit legen Sie die sprichwörtliche Axt an die Wurzel der Innovationsfähigkeit Sachsens, meine Damen und Herren.
Wenn wir über Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und
lnnovationspolitik im Freistaat Sachsen sprechen, müssen wir auch über
Nachhaltigkeit sprechen. Übertragen auf den Bereich der lnnovationspolitik bedeutet dies die Orientierung an Technologien, deren Entwicklung sich im Einklang mit den ökologischen, ökonomischen und sozialen Bedürfnissen der Anwender vollzieht. Hier müssen wir auch Prioritäten setzen, zum Beispiel in das wachsende Feld der Forschung bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz.
Unter der Prämisse, dass der Nachhaltigkeitsgedanke bei der Erarbeitung einer lnnovationsstrategie für Sachsen zugrunde liegt, sind wir Bündnisgrünen gern bereit, an dieser Strategie mitzuarbeiten. Dabei müssen nach meiner Ansicht tragfähige Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:
Erstens: Wie gestalten wir die ökologische Wende und machen sächsische
Unternehmen fit für eine Zeit nach den fossilen Rohstoffen?

Zweitens: Wie gelingt es in Sachsen, die Forschungskompetenz vor allen Dingen in Unternehmen zu erhöhen?

Drittens: Wie optimieren wir die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte und was ist notwendig, um sie am Standort zu halten?

Viertens: Mit welchen Methoden können wir den Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft verbessern?

Fünftens: Was brauchen wir zur Stärkung des Unternehmer- bzw. Gründergeistes?

Und sechstens: Auf welche Weise gelingt es, das Standortimage zu verbessern?

Meine Damen und Herren! Von der Qualität der Antworten auf diese Fragen wird der wirtschaftliche Erfolg Sachsens in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmt werden. Ich werde sehr gern in der Kommission mitarbeiten. Wegen der fehlenden Ausformulierung des Antrages werden wir uns enthalten.