Miro Jennerjahn: Wettbewerb um niedrigste Löhne können und wollen wir nicht gewinnen

Redebausteine des Abgeordneten Miro Jennerjahn zur Aktuellen Debatte der SPD-Fraktion "Faire Arbeit fördern – Altersarmut in Sachsen verhindern", 63. Sitzung des Sächsischen Landtages, 27. September 2012, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen,

"Moderne Zeiten, arme Menschen", hieß es in dieser Woche in einem gelungenen Artikel der Freien Presse zum Niedriglohnland Sachsen. Die Kritik an der Staatsregierung, die mit schlechten Verdiensten in Sachsen hausieren geht, ist mehr als berechtigt.
Dass bspw. die landeseigene Wirtschaftsförderung Sachsen mit dem Spruch wirbt: "Dank flexibler Tarifmodelle, einem moderaten Lohnniveau (25,6 Prozent unter deutschem Durchschnitt) und hoher Arbeitsproduktivität ist Sachsen aus Kostengesichtspunkten in jedem Fall erste Wahl." ist zynisch und kontraproduktiv.

Den Wettbewerb um die niedrigste Löhne können und wollen wir nicht gewinnen. Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist das keine angemessene Strategie.

Vor den Kopf gestoßen werden auch diejenigen in Sachsen, die schwer arbeiten und trotzdem nur wenig verdienen.
Zitat: "Der Preis für Arbeit bildet sich am Markt. Eine wichtige Bezugsgröße ist die Produktivität des Arbeitnehmers." (Antwort Morlok auf unsere Große Anfrage zur Arbeitsmarktsituation in Sachsen)
Dieser Lehrsatz aus dem neoliberalen Märchenbuch heißt also übersetzt: "Wer schlecht verdient, ist unproduktiv und wahrscheinlich faul."
Das steht übrigens auch im Widerspruch zur Aussage der Wirtschaftsförderung Sachsen.

Die logische Konsequenz aber ist: Niedrige Löhne heute, sind die Armutsrenten morgen.
Nachhaltigkeit geht anders, wir verlagern die sozialpolitischen Probleme einfach auf morgen. Die problematischen Bereiche sind leicht zu identifizieren: Niedriglohn und Leiharbeit gehen häufig Hand in Hand.
Die überdurchschnittliche Leiharbeitsquote in Sachsen, verdrängt zunehmend normale sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.
Das Indiz ist die hohe Zahl qualifizierter Arbeitskräfte in der Leiharbeit: 15 Prozent sind Schlosser und Mechaniker. Das ist die zweitgrößte Gruppe nach Ungelernten.
Die Löhne in der Leiharbeit liegen deutlich unter dem Durchschnitt: Für einen Vollzeitarbeitsplatz in Sachsen gibt es 1.955 Euro brutto, in der Leiharbeit lediglich 1.270 Euro brutto.
Zusätzlich gibt es noch immer ein deutliches Lohngefälle zwischen Männern und Frauen: Frauen verdienen durchschnittlich 11 Prozent weniger, sind im Durchschnitt länger arbeitslos und arbeiten häufiger Teilzeit.
Diese schwierige Situation betrifft besonders häufig Alleinerziehende (überwiegend Frauen).
Die Erwerbsunterbrechungen, Arbeitszeitreduzierungen und Niedrigeinkommen führen dann zu Rentenlücken.

Antworten:
Leiharbeit: gleicher Lohn für gleiche Arbeit; Wiedereinführung des Synchronisationsverbots; mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte; Höchstquote von 10 Prozent Leiharbeit in einem Betrieb.

Gesetzlicher Mindestlohn: würde zur Entlastung der Sozialsysteme führen, allein im ALG II bis zu 1,5 Mrd. Euro jährlich (Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung).

Wir brauchen eine stärkere Anerkennung von Erziehungszeiten bei der Alterssicherung.

Es ist klar, vieles muss auf der Bundesebene geregelt werden. Aber: es ist auch bislang nicht viel Aktivität der Staatsregierung spürbar durch entsprechende Initiativen im Bundesrat.

Auf Landesebene müssen wir Lohnuntergrenzen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge regeln. Das geht über ein Vergabegesetz, wie wir und SPD/Linke es eingebracht haben.

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