Änderung des Sächsischen Justizgesetzes – Meier: Gesetz bringt keine Rechtssicherheit

Rede der Abgeordneten Katja Meier (GRÜNE) zur Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs ‚Gesetz zur Änderung des Sächsischen Justizgesetzes und des Richtergesetzes des Freistaates Sachsen‘
43. Sitzung des Sächsischen Landtags, 9. November 2016, TOP 5, Drs. 6/5387

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
die GRÜNE-Fraktion wird den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen, da er weder zu mehr Rechtssicherheit noch zu Rechtsklarheit beiträgt – vielmehr macht er das Gegenteil.
Kernstück des ursprünglichen Gesetzentwurfs war die Erweiterung der Befugnisse des Justizwachtmeisterdienstes.
Die Bediensteten sollen polizeiliche Maßnahmen nicht mehr nur innerhalb von Gerichts- und Amtsgebäuden, sondern (Zitat:) „in Justizgebäuden und deren unmittelbaren räumlichen Umfeld“ ausüben können.
Wie weit das „unmittelbare räumliche Umfeld“ eines Justizgebäudes nach der Vorstellung der Koalition allerdings reichen soll, lässt sie bis heute offen.
Dürfen die Justizwachtmeister des Oberlandesgerichts Dresden eine polizeiliche Maßnahme auf der Brühl‘schen Terrasse ausführen?  
Wie weit reicht ihr örtlicher Zuständigkeitsbereich? Durch die Verwendung eines so unbestimmten Rechtsbegriffs wird das eigentliche Ziel der Änderung, nämlich mehr Rechtsklarheit für die Bediensteten zu schaffen, klar verfehlt.
Es handelt sich bei meiner Kritik nicht um Erbsenzählerei und bloße Semantik.
Es ist bereits jetzt absehbar, dass ein Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 42 SächsJG im „unmittelbaren räumlichen Umfeld eines Justizgebäudes“ wird prüfen und klarstellen müssen, wie weit denn dieses Umfeld nun reicht.
Wenn der Landtag also heute beschließt, diese unbestimmte Regelung in das Sächsische Justizgesetz aufzunehmen, dann dürfen Sie gewiss sein, dass sich demnächst ein Verwaltungsgericht damit beschäftigen wird.
Der zweite große Kritikpunkt der GRÜNEN Fraktion kam mit einem noch nachgereichten Änderungsantrag zum Gesetzentwurf.
Mit der hierin vorgesehenen Streichung des § 42a Abs. 4 wird ein Verfahren entfristet, gegen das der sächsische Datenschutzbeauftragte bereits bei seiner Einführung vor gut zwei Jahren erhebliche Bedenken geäußert hatte und die er nun wiederholte:
Gerichtsvollziehern wird die Befugnis eingeräumt, bei der sächsischen Polizei anzufragen, ob diese personengebundenen Hinweise über die Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft eines Schuldners gespeichert hat.
Diese Befugnisse sollen nun dauerhaft eingeräumt werden. Begründet wird die Entfristung damit, dass sich die Regelung in der Praxis bewährt habe.
Zum Beweis dafür legte uns der Justizminister einen Bericht zur Evaluation dieser Regelung vor, der – davon mal abgesehen, dass er uns erst reichlich spät erreichte – gelinde gesagt EIN WITZ ist.
Herr Gemkow – Sie sind Jurist und kein Statistiker.
Aber auch Ihnen sollte klar sein, dass eine Evaluation, die sich auf lediglich 24 Prozent der Vorgänge bezieht, das Gegenteil von repräsentativ ist. Die Daten kamen mal von den Gerichtsvollzieher, mal von der Polizei, jedoch nie so, dass wirklich belastbar Zusammenhänge zwischen ihnen hergestellt werden konnten.
Dieser Bericht ist keinesfalls eine aussagekräftige Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die massiven Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Vollstreckungsschuldner durch eine erhöhte Sicherheit für Gerichtsvollzieher gerechtfertigt werden können.
Mit der Evaluation wird auch offenbar, dass es eine Übermittlung in den meisten Fällen gar nicht gebraucht hätte. Die Gerichtsvollzieher kennen ihre Schuldner und wissen in der Regel vorher, bei wem es Schwierigkeiten gibt. Sie fordern die Polizei zu ihrem Schutz lieber einmal mehr als zu selten an. Auch macht die Polizei die vorherige Gefährdungsabfrage nicht zur Voraussetzung für eine Begleitung bei der Vollstreckung.
Schließlich – und das wiegt am schwersten – hat der Bericht gezeigt, dass personenbezogene Daten zum Teil an Dritte, insbesondere die Vollstreckungsgläubiger, übermittelt wurden.
Hinzu kommt, dass die Polizei teilweise die Auskünfte nur telefonisch erteilte.
All das ist nicht nur vollkommen inakzeptabel, sondern rechtswidrig.
Den Gerichtsvollziehern wurden durch die Polizei Informationen erteilt, die nicht von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erfasst sind.
§42a Abs. 1 erlaubt die Anfrage „ob personengebundene Hinweise über eine Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft des Schuldners vorliegen“. Streng genommen darf die Antwort der Polizei nur „ja“ oder „nein“ lauten.
Die Evaluation hat jedoch zutage getragen, dass die Polizei zum Teil fröhlich aus dem Nähkästchen geplaudert hat, was es denn noch so für personengebundene Hinweise zum Betroffenen gebe. Da stellt sich ganz grundsätzlich die Frage der Relevanz der Kennzeichnung von Menschen in polizeilichen Datenbanken mit Merkmalen wie „Betäubungsmittelkonsum“, „Sprayer“ oder „Rocker“, aber dies dann auch noch den Gerichtsvollzieher mitzuteilen ist schlicht gesetzeswidrig.
Wenn die Befugnisse in dem Maße überschritten werden, wie hier geschehen, ist der Eingriff in die datenschutzrechtlichen Grundrechte nicht mehr zu rechtfertigen!
Dass wir GRÜNE mit den personengebundenen Hinweisen der Polizei grundsätzlich ein Problem haben, dürfte Ihnen nicht neu sein. Die werden angeblich alle zum Schutz der Polizei geführt.
Wie, wann und warum sächsische Polizisten eines von diesen 26 Merkmalen bestimmten Personen zuordnen, wissen wir nicht.
Das ganze System der personengebundenen Hinweisen ist durch und durch intransparent und im höchsten Maße stigmatisierend.
Wenn neben der Polizei nun noch auch Gerichtsvollzieher und deren Dunstkreis Kenntnis von diesen abwertenden Merkmalen erhalten, kommt diesem Ausmaß der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dem Ausverkauf des Grundrechts auf Datenschutz gleich.
Da macht die GRÜNE Fraktion nicht mit!

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