Bleiberecht für Opfer rechtsmotivierter Straftaten – Zais: Dramatischer Anstieg rechtsextrem motivierter Gewalt muss für uns alle Anlass zu ernsthafter Sorge sein

Rede der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE "Bleiberecht im Freistaat Sachsen für Opfer rechtsmotivierter Straftaten" (Drs 6/8238)
52. Sitzung des Sächsischen Landtags, 11. April, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Nach dem Brandenburger Erlass hat auch unsere Fraktion überlegt, gegebenenfalls einen solchen Antrag in den Sächsischen Landtag einzubringen, was schon dafür spricht — das tue ich auch ausdrücklich hiermit kund —‚ dass wir natürlich große Sympathien für diesen Antrag haben. Vor allem unterstützen wir den Punkt 1.

Der dramatische Anstieg rechtsextrem motivierter Gewalt muss für uns alle tatsächlich Anlass zu ernsthafter Sorge sein. Auch der Umstand, den Juliane Nagel hier beschrieben hat, dass tatsächlich Opfer vor Abschluss eines Strafverfahrens abgeschoben wurden, ist nicht hinnehmbar. Die rechtlichen Grundlagen dafür, dass das nicht passiert, haben wir allerdings. Woran es mangelt, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir das hier noch einmal deutlich klarstellen, ist die gegenseitige Information der unterschiedlichen Behörden, die an Strafverfahren oder Asylverfahren usw. beteiligt sind.

Hinsichtlich des Punktes 2 — da bin ich allerdings jetzt schon beim Aber — bin ich als asyl- und migrationspolitische Sprecherin und dann in der Debatte mit meiner
Fraktion in der Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass die Zweifel, ob ein Bleiberecht für Opfer rassistisch motivierter Gewalt das richtige Mittel ist, potenzielle
Opfer besser zu schützen, für mich überwiegen.

Der Staat — das sage ich hier ausdrücklich — hat die Verantwortung für alle Personen, die seiner Gewalt unterliegen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Wir GRÜNE fordern und erwarten vom Staat zurecht, dass er die Schutzfunktion wahrnimmt. Dazu gehört zum Beispiel eben auch der Schutz von Unterkünften. Dazu, das müssen wir ganz klar sagen, gibt es nach unserer Auffassung erhebliche Luft nach oben. Ein Großteil der Übergriffe findet auf Unterkünfte von Asylsuchenden statt.

Wir fordern und erwarten, dass der Handlungsauftrag an den Staat, nämlich für diesen Schutz der ihm Schutzbefohlenen tatsächlich zu sorgen, ernsthafter als bisher vom Freistaat wahrgenommen wird. Wenn wir dann aber sagen — und das geschieht eben mit diesem Antrag nach meiner Auffassung —: >>Wir können nicht für deine Sicherheit sorgen, wir können nicht dafür garantieren, dass du unverletzt bleibst an Leib und Leben, weil wir es nicht schaffen, nicht wollen, aus welchen Gründen auch immer, aber als Ausgleich erhältst du dann dafür, falls du Opfer geworden bist, dieses wirklich groß ersehnte Gut, nämlich das Bleiberecht<<, dann, verehrte Kolleginnen und Kollegen, muss ich ganz klar sagen, ist das in meinen Augen die Kapitulation des Staates vor rechtsextrem motivierter Gewalt. Das bekomme ich nicht in meinen Kopf. Dafür will ich nicht die Hand heben.

Deswegen — klare Ansage und ich spreche dabei auch für meine Fraktion — wünschen wir uns punktweise Abstimmung und werden uns beim Punkt 2 des Antrages enthalten. Wir GRÜNEN haben uns in der Debatte tatsächlich immer dagegen ausgesprochen, dass das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention mit dem Strafrecht verknüpft worden. Ich habe die Debatten nach dem Motto >>Du bist straffällig geworden, damit hast du das Gastrecht verwirkt und musst das Land verlassen<< so satt gehabt, weil sie das Grundrecht auf Asyl mit einem Strafrechtstatbestand verknüpft haben.

Auf der anderen Seite kann ich natürlich das gleiche Argument mit umgekehrten Vorzeichen so nicht gelten lassen. Auch das widerspricht meiner Auffassung. Eine letzte Bemerkung zu dem Thema, das Juliane Nagel im letzten Teil ihrer Ausführungen mit dem Begriff ‚Generalpräventive Wirkung auf die Täter‘ bezeichnet hat. Hier sehe ich das wie Kollege Hartmann.

Sie wissen alle, dass ich viele Jahre im präventiven Bereich als mobile Beraterin gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Gewalt in Sachsen gearbeitet habe. Alles, was mir in Form von Studien oder Gesprächen untergekommen ist, was die Motivationslage von Tätern rechtsextremer Gewalt anbelangt, widerspricht der Annahme, dass ein generelles Bleiberecht für Opfer diese Täter von der Straftat abhalten würde. Was auch dagegen spricht — und das kann man, wenn man bestimmte Berichte über Straftaten liest, sehr gut nachvollziehen —‚ ist die Situation, aus der solche Straftaten entstehen.

Wir teilen diesen Schluss in der Argumentationskette der LINKEN nicht und werden uns aufgrund des Überwiegens unserer Zweifel bei Punkt 2 des Antrages der Stimme enthalten.
Danke.

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