Debatte zum Schuljahresstart – Zais: Wir haben es mit einer Führungsschwäche auf höchster Ebene zu tun

Rede der Abgeordneten Petra Zais zum Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: "Reibungslosen Start ins Schuljahr sichern durch eine solide Schuljahresvorbereitung"
57. Sitzung des Sächsischen Landtags, 22. Juni, TOP 9, Drs 6/9752

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
ich habe lange überlegt, wie wir GRÜNE uns zur Zielrichtung dieses Antrags verhalten, denn die Situation an Sachsens (Chemnitzer) Schulen könnte einen schon zur Verzweiflung bringen.
 
Klar ist – die Situation an Sachsens Schulen ist außerordentlich schwierig und ein reibungsloser Start in das neue Schuljahr wird auch mit den von den LINKEN vorgeschlagenen Maßnahmen nicht möglich sein und eine Garantie dafür schon gar nicht. Einige Maßnahmen tragen nach meiner Überzeugung eher dazu bei, die Situation noch zu verschärfen – wie zum Beispiel der Punkt 3 auf Streichungen in der Stundentafel zu verzichten.
 
Bereits im letzten Jahr hab ich angesichts der dramatischen Situation bei der Lehrergewinnung und der Einstellung von Seiteneinsteigern in Größenordnung gedacht: "Schlimmer geht nimmer."
Heute weiß ich: "Schlimmer geht immer", denn Versäumnisse der Bildungspolitik der Koalitionen der letzten Jahre haben sich in ihren Konsequenzen zu einer Welle aufgetürmt, die Manövrieren schwierig macht.
 
Aber das Schiff braucht jetzt einen Kapitän, der das Ruder energisch in die Hand nimmt, der seinem Navigator vertraut, der die Mannschaft wertschätzt und auf ihre Erfahrungen hört. Leider stellt sich die Wirklichkeit anders dar.
Wir haben es mit einer Führungsschwäche auf höchster Ebene zu tun. Der Ministerpräsident lässt seine Kultusministerin seit Jahren am langen Arm des Finanzministers verhungern und hat bis heute erfolgreich verdrängt, dass die Beseitigung des dramatischen Lehrermangels eine Aufgabe des gesamten sächsischen Kabinetts ist.
 
Lehrervertretungen, Gewerkschaften und Verbände werden nicht ausreichend wertgeschätzt, Vorschläge nicht ernsthaft genug aufgegriffen.
Diese Haltung hat dazu geführt, dass das Lehrermaßnahmepaket viel zu spät verabschiedet werden konnte. Wertvolle Zeit bei den Einstellungsverfahren ist ins Land gegangen, Zeit, die andere Bundesländer erfolgreich nutzen konnten. Auch die Umsetzung der dann endlich im Oktober 2016 beschlossenen Maßnahmen zur Lehrergewinnung passierte nicht im nötigen Tempo und führt bis heute zu großer Unruhe unter der Lehrerschaft.
 
Dass der Finanzminister ein gespaltenes Verhältnis zur Lehrerschaft hat, zeigte sich an seinen Äußerungen, Stellen zu streichen und dafür den Klassenteiler zu erhöhen.
Ich schätze, dass die Kultusministerin öffentlich Fehler eingesteht, die sie nicht zu verantworten hat. Dazu gehört, dass die Studienplatzkapazitäten zu spät erhöht wurden. Was ich nicht schätze, ist die Schlussfolgerung. Denn ein Blick in die aktualisierte Lehrerbedarfsprognose und der Vergleich mit der Entwicklung der sächsischen Studienplätzen aus dem Bildungspaket Sachsen 2020 zeigt, dass die vereinbarte Zahl bei weitem nicht ausreichen wird. Hier sind nicht gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen SPD und CDU nötig, sondern ein unverzügliches Reagieren.
 
Eine Journalistin hat mich gefragt: >>Was würden Sie tun, wenn Sie Kultusministerin wären?<< Darüber habe ich lange nachgedacht. Klar ist: Es reicht nicht Risse zu kitten, wenn das Fundament nicht stimmt. Deshalb braucht es eine grundlegend andere Herangehensweise.
Bildung darf nicht mehr als Einzelressort unter vielen gelten – sie muss als Aufgabe des gesamten Kabinettes wahrgenommen werden. Und jede und jeder, der die heiße Kartoffel Kultusministerium innehat oder übernimmt, wäre gut beraten, vorher die nötige Beinfreiheit einzufordern.
 
Zur Überwindung der Krise brauchen wir einen sächsischen Pakt für Bildung, in dem die Ideen und konkreten Vorschläge der Gewerkschaften, Kammern und demokratischen Interessensverbände diskutiert, wertgeschätzt und ernst genommen werden.
Wir brauchen einen Fahrplan, mit welchen schnell- und langfristig wirkenden Maßnahmen dem Lehrkräftemangel wirksam begegnet werden kann. Den ernsthaften Willen dazu gibt es, wie mir in vielen Gesprächen klar gemacht wurde.
 
Ein einfaches Beispiel ist das gute Positionspapier des Sächsischen Schulleiterverbandes vom Dezember 2016. Keiner der dort gemachten Vorschläge hat bisher Eingang in die Bildungspolitik der Koalition gefunden. Die Lehrkräfte sind bereit, ihren Anteil an der Überwindung der Krise zu leisten – wenn, ja wenn bestehende Ungerechtigkeiten im System beseitigt und ihnen die Wertschätzung entgegengebracht wird, die sie verdienen.
 
Wir brauchen eine Qualititätsoffensive in der Lehramtsausbildung und die langfristige Absicherung der nötigen Ausbildungskapazitäten. Die Ausweitung der Lehramtsausbildung in Chemnitz ist dafür ein MUSS!
Auch hier muss sich das gesamte Kabinett bewegen, denn die Ausweitung der Lehramtsausbildung in Chemnitz darf nicht zu Lasten der TU Chemnitz gehen. Dazu gibt es gute Vorschläge der Kammern. Warum werden die nicht aufgegriffen?
 
Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch über die Frage diskutieren, ob eine Verbeamtung für bestimmte Gruppen nicht doch ein gangbarer Weg für Sachsen ist. Das Argument einer Zweiklassengesellschaft in den Lehrerzimmern überzeugt mich nicht, denn die haben wir längst.
 
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
nein, ich will nicht Kultusministerin werden. Aber meine Fraktion und ich wären bereit, sich aktiv in einen sächsischen Pakt für Bildung einzubringen. » alle Redebeiträge der GRÜNEN-Fraktion » alle Infos zur 56./57. Landtagssitzung