Franziska Schubert: Einige Impulse für die Ausgestaltung der sächsisch-polnischen Beziehungen

Redebausteine der Abgeordneten Franziska Schubert zum Antrag von CDU und SPD:
"Chancen der ‚Kulturhauptstadt Europas Breslau 2016‘ zur Stärkung der sächsisch-polnischen Beziehungen nutzen"
3. Sitzung des Sächsischen Landtags, 13. November 2014, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der vorliegende Antrag trifft auf unsere Zustimmung. Ich möchte einige Impulse für die Ausgestaltung der sächsisch-polnischen Beziehungen und sächsischen Präsenz in Wroclaw 2016 setzen.
Gestatten Sie mir bitte als Geographin einen Exkurs ins Herz des Regionalen. Die ostsächsische Grenzregion, die Sachsen und Polen verbindet, ist der Landkreis Görlitz. Ihm kommt für die unmittelbare Begegnung zwischen Sachsen und Polen eine besondere Funktion zu.
Als ersten Impuls möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit der gegenseitigen Sprachkenntnis verweisen, die für interkulturelle Beziehungen eine wichtige Basis ist. Mit der im Landkreis Görlitz angesiedelten, noch jungen Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung haben wir die Chance, diese Sprachkenntnis zu verbessern und diese Ressource für die sächsische Präsenz in Breslau zu nutzen. Hier gibt es noch viel zu tun, denn das sächsisch-polnische Miteinander und gegenseitige Sprachenlernen ist noch längst nicht so selbstverständlich, wie wir es in anderen Grenzregionen Deutschlands beobachten.
Wie richtig ausgeführt wird im Antrag, gilt es, verschiedene Akteure mitzunehmen. Als zweiten Impuls möchte ich daher darauf verweisen, Görlitz/Zgorzelec als Drehscheibe zu verstehen und als Bindeglied zu unterstützen. Diese Stadt ist europäischer Erinnerungs- und Zukunftsort zugleich, ich verweise auf die hier durchführende Via-Regia in ihrer Historie und als heutige Kulturstraße. Ich möchte anregen, dazu auch Projektpartner einzubinden, die bereits schon jetzt für die interkulturelle Bildung Basisarbeit leisten. Viele solcher Initiativen und Projekte sind finanziert aus EU-Fördermitteln, so z. B. das Projekt MEETINGPOINT MUSIC MESSIAEN in Zgorzelec, welches mit jungen Menschen aus ganz Europa auf dem Gelände des früheren (deutschen) Kriegsgefangenenlagers Stalag VIII A in den Bereichen Geschichte, Musik, Kunst arbeitet. Die Finanzierung der künftigen Arbeit ist ungewiss – so geht es im Moment vielen Akteuren in diesem Bereich. Es gilt, durch die Staatsregierung zügig Klarheit zu schaffen über die zukünftige europäische Förderung im Freistaat, dazu gehört ein klarer Zeithorizont für die Akteure, insbesondere im Bereich EFRE.
Mein letzter Impuls geht in den Bereich der grenzübergreifenden Mobilität und, Sie ahnen es, ich gieße ein wenig Wasser in den Wein. Es ist bezeichnend, dass in der Begründung zum vorliegenden Antrag von CDU und SPD die Entfernung zwischen Görlitz und Wroclaw/Breslau in Autostunden und nicht mit der Zugreisezeit angegeben wird. Zehn Jahre nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union fristet der Schienenverkehr zwischen Deutschland und Polen immer noch ein Schattendasein. So liegt das Angebot im Fernverkehr zwischen Deutschland und Polen heute unter dem Stand der frühen 50er Jahre. Auch auf der früheren Ost-West-Magistrale Dresden–Görlitz–Wrocław/Breslau verkehrt seit 2004 kein klassischer Fernverkehrszug mehr. Noch 1996 passierten täglich 14 Fernzüge den Görlitzer Bahnhof. Dabei hat die polnische Seite ihre Hausaufgaben gemacht und die Infrastruktur auf dem wichtigen Ost-West-Korridor ausgebaut. Zusätzlich bringt die polnische Seite neuen Schwung in die Verbesserung der Bahnverbindung Dresden–Wrocław/Breslau, indem die polnische Staatsbahn PKP die Elektrifizierung Węgliniec–Görlitz vorantreibt. Elektrifizierung und Ausbau der gesamten Strecke auf fernverkehrstaugliche 160 km/h muss allererste Priorität im Land haben, noch deutlich vor allen Neubauträumen. Das heutige ‚Ersatzangebot‘ zwischen Dresden und Wroclaw mit Nahverkehrstriebwagen bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück. Dieses Nahverkehrsangebot finanziert anteilig der ZVON aus den sächsischen Regionalisierungsmitteln. Hier muss sich die Regierungskoalition von CDU und SPD in Bund und Land bemühen, deutlich härtere Verhandlungen mit der Deutschen Bahn zu führen, um auf dieser Strecke wieder eigenwirtschaftlichen Fernverkehr fahren zu lassen. Wer von Ihnen bereits in den gut gefüllten Wagen gen Wroclaw mitgefahren ist, der ahnt, dass ein solches Fernverkehrsangebot sicherlich nicht an mangelnder Nachfrage scheitern müsste. Die Bahnlinie zwischen den Partnerstädten Dresden und Wrocław ist ein strategischer Schlüssel für die Verbindung zwischen Sachsen und Osteuropa.
Ob Ihnen als Einbringende des vorliegenden Antrags diese Bedeutung auch klar ist, werden wir beobachten und uns konstruktiv einbringen.