Sächsisches Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz – Zschocke: Fünf Jahre wurde notwendiges Handeln verschleppt – All das hätte an den Beginn der Legislatur gehört

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU und SPD:
"Gesetz zur Änderung des Sächsischen Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetzes", Drs 6/16700
92. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 23. Mai, TOP 25

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

während der Arbeit der Enquete-Kommission Pflege in den letzten drei Jahren haben die Sachverständigen immer wieder deutlich gemacht, dass der Grundsatz >>ambulant vor stationär<< in der Pflege in Sachsen nur sehr schwer umsetzbar ist. Das Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz setzt bisher nur wenig Anreize im vertrauten, privaten Umfeld leben zu können – mit Unterstützung durch einen Pflegedienst. Deshalb haben wir in Sachsen – gemessen am Bundesdurchschnitt – besonders viele Pflegeheime.

Wir GRÜNE wollen für jede und jeden das passende ambulante Wohn- und Pflegeangebot ermöglichen, also Pflege-WGs, Mehrgenerationenwohnen und betreute Wohnformen.

Es ist längst überfällig, dass CDU und SPD mit dem vorliegenden Gesetzentwurf endlich einen Schritt in diese Richtung machen wollen. Doch die Anhörung hat gezeigt, mehr als das ist es nicht. Die Sachverständigen der Sozialverbände, der Krankenkassen und Pflegedienst-Anbieter haben die Gesetzesinitiative überwiegend kritisiert. Vielen gehen die Änderungen nicht weit genug, andere wiederum befürchteten mehr rechtliche Unklarheiten als bisher, weil aktuelle Bundesgesetze nicht ausreichend berücksichtigt werden, wie zum Beispiel das Bundesteilhabegesetz. Ich habe mich nach der Anhörung gefragt, ob das jetzt noch mit Änderungen und Korrekturen zu retten ist oder ob es einen komplett neuen Entwurf braucht. Die Koalition hat sich, auch aus Zeitgründen, für Änderungen entschieden. Die Änderungswünsche vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste sind größtenteils eingearbeitet worden, aber nicht alle. Die Meldepflicht und Kontrolle von kleinen und ambulanten Einrichtungen, also Senioren-WGs, soll zukünftig greifen. Das tragen wir mit, denn es ist im Sinne der Pflegebedürftigen, die in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Sie sollen bestmöglich versorgt werden und das muss durch Kontrollen – ähnlich wie bei der Heimaufsicht – sichergestellt werden. Wichtig ist die Klarstellung, dass Pflegebedürftige mit dem Gesetz gemeint sind und nicht die Menschen mit Behinderungen.

Der Gesetzentwurf und der dazugehörige Änderungsantrag der Koalition schaffen mehr Anreize und mehr rechtliche Klarheit für ambulante Wohnformen. Deswegen wird unsere Fraktion zustimmen. Doch wir sagen auch, dass das Gesetz nach der Wahl grundlegend reformiert wird. Denn so wie jetzt darf es auf Dauer nicht bleiben.

Ich habe immer wieder kritisiert, dass die Enquete-Arbeit zu einem Stillstand in der sächsischen Pflegepolitik geführt hat. Die Koalition war nicht bereit, die großen Aufgaben anzupacken! Damit meine ich die Stärkung der Pflegekräfte und die Entlastung der pflegenden Angehörigen, eine unabhängige Pflegeberatung in allen Regionen Sachsens sowie die finanzielle Unterstützung einer generationengerechten Quartiersentwicklung. Was nun von der Koalition kurz vor der Landtagswahl präsentiert wird, sind keine Reformen, sondern höchstens kleine Korrekturen. Herr Schreiber hat es im Sozialausschuss selbst eingeräumt: Es gehe nicht darum, den großen Wurf zu machen, sondern es gehe um einen Baustein aus dem Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz. Nun ja, das bringt den Anspruch dieser Koalition auf den Punkt.

Vor diesem Hintergrund ist das kürzlich vorgestellte ‚Pflegepaket 2030‘ der Staatsministerin Wahlkampf-Aktionismus pur. Koalition und Staatsregierung hatten fünf Jahre Zeit, konkrete Maßnahmen umzusetzen. Fünf Jahre wurde notwendiges Handeln verschleppt. All das hätte an den Beginn der Legislatur gehört, es wird vor der Wahl keine Wirkung mehr entfalten.
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