Sicherheitsleistungen Braunkohle-Sparte – Lippold: Jede Sicherheitsleistung ist sicherer als keine Sicherheitsleistung

Rede des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: "Übernahme der Braunkohlesparte von Vattenfall durch EPH und dessen Finanzpartner PPF: Sicherheitsleistungen für aktive sächsische Braunkohletagebaue anordnen" (Drs 6/6694)
53. Sitzung des Sächsischen Landtags, 12. April, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
früher war ja tatsächlich manches anders. Nach einem Tagebau kam immer der nächste Tagebau, aus dessen Gewinn dann die Folgekosten des Vorgängers bezahlt wurden. Aber seit einigen Tagen, als die LEAG selbst die Staatsregierung aus ihren ‚Braunkohle forever‘-Träumen geweckt hat, muss doch wirklich jedermann klar sein, dass es diese nächste Generation des Tagebaugeschäftes nicht mehr geben wird! Und so reden wir jetzt über die Finanzierung der langfristigen Folgekosten der letzten Generation von Braunkohletagebauen.

Es geht bei der Frage nach der Sicherheit und Auflösbarkeit der Rückstellungen nicht um das heutige Geschäft.
Es geht nicht darum, ob ein Bergbauunternehmen im letzten Jahr liquide war und für das Folgejahr eine Fortführungsprognose hat.
Es geht in der Logik der Folgekostenfinanzierung durch Auflösung bilanzieller Rückstellungen darum, ob wir heute sicher wissen, dass so ein Kohleunternehmen in der Zeit nach der Kohle ein Geschäftsmodell hat – und zwar bis zum Ende der Bergbaufolgenbeseitigung!

Wer dieser Logik entkommen will, der muss zum Instrument der Sicherheitsleistungen greifen. Genau deshalb werden die ja überall gegenüber privaten Bergbauunternehmen erhoben. Außer in der Braunkohle. 

Für die Frage nach der Erforderlichkeit von Sicherheitsleistungen ist es an dieser Stelle auch völlig irrelevant, ob so ein Unternehmen groß oder klein ist, ob es sich seriös anhört oder nicht, ob die Manager mit geradem, ehrlichem Blick und festem Händedruck begrüßen oder nicht.

Einzig maßgeblich ist, ob sicher und objektiv auszuschließen ist, dass künftig der Verlust finanzieller Leistungsfähigkeit drohen könnte – und zwar über einen Zeitraum bis lange nach dem Ende des aktiven Bergbaus. Ist das nicht sicher auszuschließen, so hat die Erhebung einer Sicherheitsleistung die Regel zu sein.

Wo hat sich nun im letzten halben Jahr seit diesem Antrag die Risikosituation geändert?

Mit der Übernahme durch EPH steht heute nicht mehr der schwedischen Staat hinter langfristigen finanziellen Verpflichtungen im Milliardenbereich, sondern, durch eine Reihe von Barrieren geschützt – ein 95% Gesellschafter namens Kretinsky, der noch mit vielen anderen Dingen spekuliert – Risikoerhöhung!

Ach übrigens: haben Sie bei SMWA und Oberbergamt den Aktiendeal im EPH-Gesellschafterkreis wenige Tage nach der Vattenfall-Übernahme zur Kenntnis genommen? Finanzinvestoren-Lehrbuch.

Wo die 1,6 Mrd. sind, ist danach fast egal. Die Frage ist, wem sie nach Beleihung der Unternehmenswerte als Sicherheit dienen werden. Dem Freistaat Sachsen jedenfalls nicht – Risikoerhöhung!

Das Braunkohlegeschäft etwa der MIBRAG ist auch nicht mehr durch langfristige Lieferverträge mit einem Staatsunternehmen abgesichert, sondern es hängt von Lieferverträgen mit der eigenen Unternehmensgruppe ab – Risikoerhöhung!

Stichwort neues LEAG-Revierkonzept: die Laufzeiten bis zur Renaturierung sind gegenüber den bisherigen Planungen zum Teil drastisch reduziert. Das Geld wird früher gebraucht. Heißt für die abgezinsten heutigen Rückstellungen wegen veränderter Zinslaufzeit umgehend Anpassungsbedarf.

Wie das die Stabilität des Geschäftsmodells insgesamt beeinflusst und damit die spätere Möglichkeit des Oberbergamtes, bei neuer Risikobewertung überhaupt noch eine Sicherheitsleistung einfordern zu können, wissen Sie nicht. Denn unsere Forderungen nach einem Stresstest gegenüber veränderten Rahmenbedingungen für das Geschäftsmodell haben Sie ignoriert. Eine neue Risikoposition ist auch das allemal, zusammen mit der völlig unklaren, neuen Genehmigungslage.

Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung in der Zwischenzeit zur Risikoreduzierung ergriffen?

Das Oberbergamt hat die Unternehmen aufgefordert, jährlich den Jahresabschluss und den Lagebericht einzureichen. Was soll das? Das ist genau dasselbe Datenmaterial, das sich jedermann zeitgleich im elektronischen Bundesanzeiger abrufen und runterladen kann! Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wie die Auflage, diese nun vom Unternehmen in gedruckter Form zugeschickt zu bekommen, die Sicherheit der öffentlichen Haushalte gegen Bergbaufolgekosten erhöhen soll! Oder meinen Sie, dass die gesparten Druckerkosten das leisten können?

Die Staatsregierung weist darauf hin, dass nun Konzepte von den Bergbautreibenden LEAG und MIBRAG angefordert worden seien, die die Aufgaben der Wiedernutzbarmachung darstellen und erläutern. Der Nutzen ist zweifelhaft. So dürfte etwa das bis zum 31.01.2017 durch LEAG für den Tagebau Nochten vorzulegende Konzept durch die neuen Pläne soeben Makulatur geworden sein, wenn es denn schon vorliegt.

Die Staatsregierung braucht deshalb möglichst rasch eine eigene konservative Kostenschätzung für verschiedene Szenarien der Wiedernutzbarmachung. Natürlich werden Sie nie auf den Euro genau die passende Höhe der Sicherheitsleistung herausbekommen. Das kann jedoch keine Begründung für die Nichteinforderung sein.

Denn jede Sicherheitsleistung ist sicherer als keine Sicherheitsleistung und die Höhe ist später anpassbar.

Also machen Sie hier endlich eine klare Ansage und damit einen Anfang und handeln Sie, solange sie noch handeln können! Das fordert nicht nur der Antrag der LINKEN, das fordern auch wir seit Jahren und das ist auch die Aussage von immer mehr Studien verschiedenster Organisationen.

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