Valentin Lippmann: Die Wachpolizei schafft mehr Probleme, als sie löst

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU
und SPD:
"Gesetz über den Sächsischen Wachpolizeidienst" (Drs 6/3504)
25. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 16. Dezember 2015, TOP 8


– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
einer Anzeige der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag in der Sächsischen Zeitung vom gestrigen Tage darf ich entnehmen: „2016 wird mit Sicherheit gut. Morgen beschließt der Landtag: Sachsens Polizei wird durch 550 Wachpolizisten im Objektschutz und bei der Personenbewachung entlastet.“
Eine Anzeige, die viel verspricht – nur allein der Gesetzentwurf hält herzlich wenig dieses Versprechens.
Abgesehen davon, dass es mal wieder ein Affront gegenüber dem Landtag ist, es als Tatsache zu verkaufen, dass der Landtag heute den Gesetzentwurf beschließt. Zumindest ein paar Fragmente parlamentarischer Gepflogenheiten kann man ja noch wahren. Und dazu gehört, dass man mit der Verkündung vermeintlich wegweisender Beschlüsse darauf wartet, bis diese gefasst sind. Ich konstatiere: Parlamentsdebatten sind offenbar für die Union nur schmückendes Beiwerk.
Aber zurück zum Inhalt: „2016 wird mit Sicherheit gut“? Wohl kaum. Denn ohne den von CDU und SPD vor nahezu einem Jahrzehnt eingeleiteten und von Schwarz-Gelb verschlimmerten verantwortungslosen Stellenabbau bei der Sächsischen Polizei würden wir heute über diesen Gesetzentwurf gar nicht reden müssen, und Sie bräuchten auch kein Sicherheitsversprechen für das kommende Jahr zu artikulieren und die Bevölkerung in Sicherheit zu wiegen.
Denn worüber reden wir heute? Wir reden darüber, dass die Koalition in der Suche nach dem letzten Strohhalm, um das selbst verschuldete Fiasko bei der Personalausstattung der Polizei zu korrigieren, eilends alte Gesetze wälzte und die Wachpolizei aus den Tiefen heraufzog. Liebe Koalition, hätten Sie den Gesetzentwurf doch lieber in der Mottenkiste der Geschichte gelassen, als ihn nun den Sachsen als Heilsbringer in der aktuellen Sicherheitskrise zu verkaufen.
Wir werden den Gesetzentwurf zur Wachpolizei ablehnen – aus grundsätzlichen Erwägungen und aufgrund der Vielzahl ungeklärter rechtlicher Fragen bei diesem Gesetzentwurf. Wir haben es derzeit in Sachsen mit einer Sicherheitskrise zu tun. Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Ausschreitungen rund um Versammlungslagen erfordern nicht nur quantitative, sondern auch eine qualitative Stärke der sächsischen Polizei. Eine gute Ausbildung ist Dreh- und Angelpunkt guten polizeilichen Handels – gerade in der schwierigen Situation. Da ist es für uns der falsche Weg, auf gerade einmal drei Monate ausgebildete Polizisten zu setzen, denen es an vielen Kompetenzen fehlen wird, die es gerade jetzt mehr denn je braucht. Dass der Rektor der Polizeifachhochschule in der Anhörung ausführte, dass aufgrund der schnellen Ausbildung der Wachpolizei an der Weiterbildung bei anderen Polizeibeamten gespart werden muss, zeigt, dass die Wachpolizei mehr Probleme schafft, als sie löst.
Und zum Thema Sicherheit: Die Wachpolizei wird nicht mehr Sicherheit bringen. Vielmehr sind schlecht ausgebildete Wachpolizisten mit entsprechender Bewaffnung nicht weiter als ein weiteres personifiziertes Sicherheitsrisiko auf zwei Beinen.
Bisher ist durch die Koalition auch nicht substanziiert dargelegt worden, wie groß die Entlastung ist, die die Wachpolizei konkret leisten wird. Hier gibt es mehr Fragen als Antworten. Hier hat sich das Prinzip: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ offensichtlich gegenüber der Vernunft durchgesetzt.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf weist überdies handwerkliche Schwächen auf. Und da lasse ich jetzt einmal die Frage, inwieweit diese hoheitlichen Aufgaben auf Nichtbeamte übertragen werden können, mal außen vor, obwohl sie eine sehr gewichtige ist. Ich nehme exemplarisch nur einen Punkt: „das Beisein“ des Polizeibeamten in § 3 Abs. 2 – ein undefinierter Rechtsbegriff. Wann bin ich denn bei jemandem? Machen wir es mal exemplarisch: Bin ich jetzt räumlich bei Herrn Hartmann, weil wir uns sehen können? Ist der Saaldiener bei mir, weil er sich zumindest im selben Raum befindet? Oder ist einzig und allein Herr Präsident bei mir, weil er auf mein Handeln unmittelbar Einfluss nehmen kann? Sie
sehen, das ist alles eine Frage der Interpretation.
Aber derlei Interpretationsnotwendigkeiten verbieten sich. Wir sind hier im polizeilichen Eingriffsrecht. Das ist nicht die Schönwetterausfahrt der Gesetzgebung, wo man nach dem Motto „Schauen wir mal“ agieren können. Da erwarte ich, dass Sie sich der Kritik, wie sie auch in der Anhörung vorgetragen wurde, annehmen. Dass sie diese vollkommen an sich abperlen lassen, wird dem Anspruch an eine gute Gesetzgebung, den wir als GRÜNE in diesem sensiblen Bereich haben, nicht gerecht.
Und zu guter Letzt: Ich weiß ja, dass der Generalvorwurf an die Opposition bestimmt gleich folgt. Wir würden keine Alternativen präsentieren.
1. Wir haben hier schon mehrfach Alternativen dargestellt und hätten Sie auf die Opposition zuletzt beim Haushalt gehört, wäre ein Teil des Problems weit kleiner ausgefallen, weil wir den Stellenabbau schon längst gestoppt hätten.
2. Kümmern Sie sich erstmal um den eigenen Laden in Form der Staatsregierung. Offenbar hat man dort in Anbetracht dieses glorreichen Vorschlages der Koalition dann das Arbeiten gleich eingestellt. Oder wie sonst soll ich es mir erklären, dass der Innenminister zwar im Oktober den sofortigen Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei verkündet hat, bis heute aber keine entsprechende Vorlage zur Aufhebung von kw-Vermerken dieses Haus erreicht hat, und Herr Ulbig zähneknirschend zugeben musste, dass die Willensbildung in der Staatsregierung dazu noch nicht abgeschlossen ist.
Sie führen die Bevölkerung an der Nase herum und das ist bei der Wachpolizei nicht anders. Sie werden auch mit einem Heer an Hilfspolizisten die Versprechen nicht einlösen können, die Sie der Bevölkerung geben. Schon alleine deswegen werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.