Volkmar Zschocke: Nie wieder Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an deutschen Grenzen – AfD-Chefin Petry will Eskalationsspirale in Gang setzen

Rede des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum GRÜNEN Dringlichen Antrag "Nie wieder Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an deutschen Grenzen" (6 Drs 2558)
28. Sitzung des Sächsischen Landtags, 4. Februar 2016

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Die Forderung nach dem Einsatz von Waffengewalt gegen Flüchtlinge, ohne das die Voraussetzungen für die Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben erfüllt sind, ist menschenverachtend. Angesichts der entstandenen öffentlichen Diskussion ist eine umgehende Zurückweisung dieser Forderung durch die demokratischen Fraktionen des Landtags dringend notwendig.
Und diese muss hier im Parlament geschehen. Denn das Parlament ist der zentrale Ort, in dem wir die Auseinandersetzung mit der von der AfD betriebenen öffentlichen Verbalradikalität führen müssen. Tun wir das nicht oder nicht sofort, geschieht genau das, was die AfD mit ihrer rhetorischen Strategie verfolgt, nämlich die öffentliche Stimmung in Deutschland zu verschieben hin zu mehr Repressionen gegen Flüchtlinge.
Da provoziert Frau Petry geschickt mit einer Äußerung über den Schusswaffengebrauch an der Grenze die Öffentlichkeit. Die Reaktion war erwartbar und kalkuliert: Auf der einen Seite Entrüstung und Entsetzen, auf der anderen Seite wird die Aufregung zurückgewiesen, weil der Schusswaffengebrauch an der Grenze ja sogar in einem Gesetz geregelt sei.
Frauke Petry hat ihre Ziele erreicht:
1. Eine neue Wut- und Hetzlawine rollt durch das Land. Natürlich könne man als Ultima Ratio auch auf Flüchtlinge schießen, natürlich nicht auf die Kinder – aber auf die Mütter schon, wenn die nicht hören wollen, dass sie nicht rein dürfen, aber dann trotzdem unsere deutsche Grenze verletzen.
2. Mit dem Bild der „Ultima Ratio“ hat Frau Petry die Vorstellung aggressiver, vielleicht sogar bewaffneter Flüchtlinge, die die deutsche Grenze stürmen, die Grenzbeamte und das Staatsgebiet der Bundesrepublik überfallen, erfolgreich in der Öffentlichkeit verstärkt. Angst vor und Hass auf Flüchtlinge nehmen zu.
3. Ganz Deutschland diskutiert plötzlich wieder über den Schießbefehl an der Grenze. Alle anderen Maßnahmen zur Flüchtlingsabwehr wie verschärfte Grenzkontrollen, Abweisung von Asylsuchenden an der Grenze, Grenzschließung oder gar neue Grenzsicherungsanlagen erscheinen angesichts des angeblich möglichen Schusswaffengebrauchs plötzlich als human und gar menschenfreundlich.
Meine Damen und Herren,
Es ist notwendig, das der Sächsische Landtag den von Frau Petry zur Veröffentlichung freigegebenen Äußerungen im Mannheimer Morgen deutlich und entschieden entgegentritt.
Nicht nur, weil derartige Forderungen die Grundlage unserer demokratischen Werteordnung unterminieren.
Nicht nur, weil mit einer derartigen Interpretation möglicher Rechte der Bundespolizei eine zutiefst unmenschliche Haltung zu Tage tritt.
Sondern vor allem, weil diese Äußerungen eine Eskalationsspirale in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung in Gang setzen.
Wenn wir hier als demokratische Parteien und Fraktionen tatenlos zusehen, erwecken wir den Eindruck, dass derartige Vorschläge legitim und mit unserer freiheitlichen Demokratie vereinbar sein könnten. Deswegen müssen wir diese Forderung auch unverzüglich zurückweisen, damit es nicht zu einer weiteren Verstetigung in der öffentlichen Debatte kommt.
Und es reicht auch nicht aus, die Forderung von Frau Petry allein juristisch zurückzuweisen. Auch wenn der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen festgestellt hat, dass der Waffengebrauch nur bei unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben anderer oder bei besonders gefährlichen Tätern statthaft und bei Kindern grundsätzlich ausgeschlossen ist, geht dies am Kern des Problems vorbei.
Der Kern des Problems ist, das Frau Petry Waffengewalt als Beitrag zur Abwehr von Flüchtlinge in die Debatte trägt. Genauso wie sie die Selbstbewaffnung der Bevölkerung als Beitrag zur Abwehr von Kriminalität gestern (03.02.16) hier im Landtag vor unsere aller Augen und Ohren in die Debatte getragen hat.
Frau Petry hat sich da auch nicht vergaloppiert oder ist über ein Ziel hinausgeschossen. Sie agiert als Bundesvorsitzende im Konsens mit all den anderen Freunden der Waffengewalt von der AfD: Der NRW-Landesvorsitzende Pretzell will Flüchtlinge schon die ganze Zeit mit Schusswaffen stoppen. Petrys Vize Gauland sieht das genauso. Ihre Vize Storch hat explizit noch mal klargestellt, dass diese auch für die Eltern von Flüchtlingskindern gilt. Ihr Thüringer Kollege Höcke betreibt schon die ganze Zeit rhetorischen Radikalismus. Die AfD macht spätestens seit dem Bundestagswahlkampf 2013 auf unerträgliche Art Stimmung gegen Flüchtlinge.
Aber wehe, wenn dann die Presse solche Äußerungen dokumentiert. Dann inszenieren Petry&Co sich wieder als unschuldige Opfer einer >>Schmutzkampagne<< der >>etablierten Parteien<< oder der >>Lügenpresse<< gegen die AfD.
Meine Damen und Herren,
wenn wir hier nicht geschlossen ein klares Signal dagegensetzen, verfängt diese perfide Strategie der AfD immer mehr in der Bevölkerung. Dem müssen wir Einhalt gebieten – hier und heute. Deswegen fordere ich sie auf, unserem Antrag zu folgen:
1. Der Landtag tritt den Äußerungen der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und ihrer Stellvertreterin Beatrix von Storch, wonach die Polizei bei einem illegalen Grenzübertritt von Flüchtlingen notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen muss, entschieden entgegen und verurteilt derartige Forderungen als menschenunwürdig.
2. Der Landtag lehnt jeglichen Schusswaffeneinsatz gegen geflüchtete Männer, Frauen und Kinder wegen illegalen Grenzübertritts an den Außengrenzen der Bundesrepublik Deutschland ab.
3. Der Landtag stellt fest, dass das nach Art. 16a Grundgesetz gewährte Grundrecht auf Asyl und das nach der Genfer Flüchtlingskonvention gewährte Recht auf Asyl eine einzelfallbezogene Prüfung des jeweiligen Asylgrundes voraussetzt und jeder Asylsuchende egal ob mit oder ohne Bleiberecht eine menschenwürdige Behandlung in Deutschland erfahren muss.

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