Wirksamer Opferschutz – Meier: Endlich hat Staatsregierung erkannt, dass Opfer von Straftaten mit dem Erlebten nicht allein gelassen werden dürfen

Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD: "Gemeinsam für wirksamen Opferschutz in Sachsen" (Drs. 6/13748)
75. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. Juni, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
im modernen Strafrecht stehen der Täter bzw. die Täterin und der soziale Rechtsfrieden im Mittelpunkt. Straftaten werden verfolgt, um eine Wiederholung zu vermeiden und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung zu tragen.
Die Opfer von Straftaten spielen leider eher eine Nebenrolle, was sich in Polizei- und Justizstrukturen und im Strafverfahrensrecht widerspiegelt.
Wir brauchen hier eine andere Haltung:
Opfer von Straftaten, und seien sie auch noch so geringwertig, dürfen mit dem Erlebten und den oft seelischen und körperlichen Verletzungen nicht allein gelassen werden. Sie müssen umfassende Hilfe erfahren. Das hat auch die Koalition erkannt.
Der Antrag geht in die richtige Richtung und trägt eindeutig die Handschrift der SPD. Polizeilicher Opferschutz ist eine Kernaufgabe der Polizei. Deswegen begrüßen wir den Wandel zum hauptamtlichen Opferschutzbeauftragten natürlich.
Trotz sinkender Deliktzahlen ist ein Anstieg der Arbeitsbelastung der Opferschutzbeauftragten und damit des Bedarfs an zusätzlichen sächlichen und finanziellen Mitteln absehbar. Ich hoffe, sie bedenken das in der Haushaltsplanung.
Die Opferschutzbeauftragten müssen immer auf dem aktuellsten Wissensstand sein hinsichtlich vorhandener Hilfsangebote und der Rechtslage.
Deshalb ist es mir absolut schleierhaft wieso Fortbildungsmaßnahmen zum 2. Opferschutzreformgesetz durchgeführt werden sollen, nicht aber zum bereits 2015 beschlossenen 3. Opferschutzreformgesetz. Auch hat der Bund nach zähen Ringen endlich die Istanbul-Konvention im Oktober 2017 ratifiziert.
Wieso sollen die Polizeibeamtinnen und -beamten nicht auch dazu weitergebildet werden?
Hier besteht in der Umsetzung ihrer Ideen noch einiger Nachbesserungsbedarf.
In Punkt 4 ihres Antrags fordern sie einen schnellen, kostenlosen und transparenten Zugang zu Hilfsangeboten.

Aber was heißt das denn genau?
Wie soll zum Beispiel in einer akuten Gefährdungssituation ein schneller Zugang zu einem Frauenhaus möglich sein, wenn es in den Landkreisen Erzgebirge oder Nordsachsen gar keine Frauenhäuser oder ähnliche Schutzeinrichtungen gibt?
Wie soll ihnen schnell geholfen werden, wenn sie z.B. in Breitenbrunn Opfer einer Straftat werden? Der nächste Polizeiliche Opferschutzbeauftragte ist über 50 Kilometer entfernt.
Opfer sexueller oder sexualisierter Gewalt bedürfen einer besonders sensiblen Behandlung und Betreuung. Das dürfte den Mitgliedern des Sozialausschusses spätestens seit der Anhörung zur verfahrensunabhängigen Beweissicherung für Opfer von Sexualstraftaten klar geworden sein. Dass Sie mit diesem Pkt. im Antrag reagiert haben, war überfällig.
Wir begrüßen das Vorhaben, ein landesweites Netzwerk aus Praxen, Kliniken und Instituten zu etablieren, in denen verfahrensunabhängige Beweissicherungen durchgeführt werden. Allerdings scheinen sie im Rahmen der Anhörung nicht allen Sachverständigen zugehört zu haben. Denn unabhängig von der fehlenden Infrastruktur ist ein weiterer Missstand zutage getreten: Ärztinnen und Ärzte, die Opfer von Sexualstraftaten versorgen, Befunde erheben und Beweise sichern, können dies nirgendwo abrechnen. Sie machen das meist pro bono.
Um Ärztinnen und Ärzte für das Netzwerk zu gewinnen, müssen Landesmittel zur Verfügung gestellt werden. Dazu findet sich leider nichts in ihrem Antrag.
Den letzten Punkt des Antrags werden wir ablehnen. Denn wir denken nicht, dass die in Punkt 8 vorgeschlagene sächsische Ombudsperson für Opfer von Straftaten hilfreich ist. Man könnte auch sagen:
Gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht.
Eine zentrale Anlaufstelle birgt nicht nur die Gefahr eines unnötigen Wasserkopfes und kontraproduktiver Parallelstrukturen, sondern auch die Gefahr, dass Opfer auf dem länger werdenden Hilfeweg verloren gehen. Denn leider haben sie in ihrem Antrag nicht klar gemacht, wie das Verhältnis zwischen Opferschutzbeauftragten und Ombudsperson aussehen soll. Sollen die Opfer von der Polizei zur Ombudsperson vermittelt werden, damit diese dann die zuständige Hilfestelle herausfindet und mitteilt?
Das kostet alles Zeit. Und die haben die Opfer nicht. Die Fachleute aus der Praxis sind sich einig, dass der Erstkontakt zwischen Opfer und Hilfesystem innerhalb von drei bis maximal fünf Tagen nach der Tat notwendig ist. Es muss sehr schnell, sehr konkret gehandelt werden. Mit einer weiteren Zwischenstation in Form der Ombudsperson sehe ich das nicht. » Alle Infos zum 74./75. Plenum » Alle GRÜNEN Reden