Wölfe in Sachsen – Wolfram Günther: Unsere Kinder sind durch den Wolf nicht gefährdet

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD "Herdenschutz in Wolfsgebieten – Akzeptanz erhalten und Rechtssicherheit durchsetzen"
69. Sitzung des Sächsischen Landtags, 15. März 2018, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Der Titel Ihres Antrages klingt erst einmal gut, und das ist ein Anliegen, das wir als GRÜNE ganz uneingeschränkt teilen. Die Frage ist — das haben die Vorredner schon angesprochen: Leistet Ihr Antrag irgendetwas dazu? Da komme ich auch nur zu der Antwort: nein. Das kann ich Ihnen gern begründen.
Zunächst einmal kurz zu Ihrer Einführung, ob man bisher überhaupt schon einen Rechtsanspruch hat: Das ist immer diese Mischung, Dinge zu behaupten, um sich daran zu reiben, aber wenn die Behauptung schon nicht stimmt, kann ich mir das ganze Reiben hinterher sparen. Wenn Sie das “Kann“ hochziehen, empfehle ich Ihnen — das ist reine Juristerei — das Verwaltungsverfahrensgesetz. Paragraph 40 regelt das pflichtgemäße Ermessen, wie damit umzugehen ist. Dort ist alles dazu gesagt. Das ist keine Willkür, sondern ein Anspruch im Rahmen des Ermessens mit allen Bindungen.
Herr Kollege Urban, ich habe mich wirklich gefreut, dass es Frau Grimm unterlassen hat, diese Gefährdung Kind/Wolf hier aufzumachen. Es gibt nichts Unsachlicheres.
Nein, man kann Ihnen das ganz klar sagen: Unsere Kinder sind durch den Wolf nicht gefährdet. Der Mensch fällt nicht ins Beuteschema des Wolfes. Der interessiert sich nur für Vierbeiner. Dazu gehören wir schlicht nicht. Was man aber sagen kann, ist, dass der Mensch gefährlich für den Wolf ist und wenn wir bei Gefährdungen sind, die relevant sind, dass man darüber redet: Der Mensch ist auch gefährdet durch Hunde.
Das kommt statistisch häufig vor. Es gibt auch Wildtiere, die gefährlich sind. Es gibt nämlich Unfälle, zum Beispiel mit Rotwild. Das sind alles statistisch relevante Gefährungen, die auftauchen.
Ich weiß nur nicht, ob man die deshalb alle ausrotten will. Das ist schlicht unsachlich, was Sie machen.
Auch der Hinweis zu der Information, wie die Infos zu den Bürgern oder den geschädigten Weidehaltern kommen, wie man denen helfen muss: Es war die AfD, die gefordert hat, dass sämtliches Fachpersonal zum Wolf entlassen werden soll, weil die sich angeblich nur ideologisch selbst beschäftigen und es nur noch einen einzigen Wildtierbeauftragten geben soll, der sich mit allen Wildtieren auskennt. Das ist in sich einfach nicht homogen, was Sie da fordern. Die Öffnung, dass es auch eine Entschädigung gibt, wenn Hunde daran beteiligt sind. Die Begründung, warum
man als Weidehalter einen Anspruch hat, ist, weil man schlicht Naturschutz ertragen muss. Aber ein Hund ist kein Wildtier. Da gibt es keinen Naturschutz, sondern zivilrechtliche Ansprüche. Deshalb gibt es keine Begründung, warum die öffentliche Hand hier eingreifen sollte. Das funktioniert nicht.
Die Beweislastumkehr ist wieder eine Behauptung. Wenn es nämlich Unklarheiten gibt, gilt auch schon heute, dass in Zweifelsfällen entschädigt wird. Nur wenn klar ist, dass es kein Wolf war, dann gibt es keine Entschädigung.
Gunter Wild, fraktionslos: Herr Günther, Sie haben eben die Behauptung aufgestellt
bzw. sind felsenfest davon überzeugt, dass der Wolf für Menschen völlig ungefährlich
ist und dass dort nichts passieren kann.
Jetzt habe ich eine Frage: Ist Ihnen meine Kleine Anfrage 6/1 2368 zum Abschuss des Problemwolfes bekannt? Darauf steht unter anderem am Ende der Frage 2, ich zitiere: „Am 9. Januar 2018 wird in Kauschwitz ein Mädchen auf dem Schulweg von einem Wolf verfolgt und bringt sich mit einem Sprung über den Gartenzaun in Sicherheit. Der Vorgang konnte nicht abschließend aufgeklärt werden, weil die Erziehungsberechtigten ein Gespräch mit dem Mädchen nicht zugelassen haben.“Es besteht sowohl die Möglichkeit, dass das ein Wolf war. Oder schließen Sie das auch hier aus?
Wolfram Günther, GRÜNE: Da sind wir schon wieder einmal bei Logik, Statistik, Wahrscheinlichkeiten.
Erstens, dass sich ein Mensch vor einem Tier erschrickt, ist für Sie der Beweis, dass dieses Tier gefährlich für den Menschen war. Man weiß noch nicht einmal, welches Tier es gewesen ist. Das halte ich für eine abenteuerliche Argumentation.
Ich kann Ihnen auch gleich erklären, unter welchen Umständen Wölfe für den Menschen tatsächlich gefährlich werden können, nämlich wenn sie krank sind, zum Beispiel, wenn sie Tollwut haben. Das ist aber nicht einschlägig bei uns, weil die Tollwut irgendwo in Weißrussland ist und es kein Tier mit dieser Krankheit bis zu uns schafft; sie brechen vorher zusammen. Es kann auch passieren, wenn Wölfe in ihrer Jugend darauf geprägt werden – davon reden wir hier aber gar nicht. Es kann passieren, wenn man einen Wolf in die Enge treibt, wenn man ihn bedrängt. Auch dann kann es zur Gefährdung kommen. Diese Pfade gibt es, und es ist auch schon überall etwas passiert.
Das ist hier aber nicht relevant und vor allem – ich habe es Ihnen kurz versucht zu erklären – kein reguläres Risiko. Der Wolf kommt — auch das vergessen Sie immer gerne – in Europa unverändert vor. Den Wolf hat es bei uns immer gegeben. Dass es ortstreue Rudel gab, das ist wieder neu. Er ist immer durchgezogen. Es gab ihn früher, es gibt ihn in anderen Ländern, wie in Skandinavien und in Italien. Dort gehen die Leute ganz fröhlich in den Wald – ich auch. Ich übernachte dort, auch mit meinen Kindern. Ich sammle Pilze. Ich habe keine Angst. Es gibt kein Problem.
Deswegen bitte ich, das Thema ein wenig zu versachlichen. Das ist schlichtweg Käse, diese Gefahr an die Wand zu malen. Es gibt reale Probleme mit der Wiederansiedlung des Wolfes. Die bestehen aber nicht zum Menschen, sondern zur Weidehaltung. Deswegen war ich sehr froh, dass die Kollegin Grimm sich genau darauf beschränkt hat, weil das seriös ist. Die Weidehalter – das ist ein reales Problem. Das einmal für Sie zum Sortieren.
Jetzt zurück zu meiner Rede. Wir waren bei den Hunden und dem Ausgleich und haben festgestellt, dass es jetzt schon in Zweifelsfällen den Ausgleich gibt. Natürlich, da sind wir uns auch völlig einig, müssen wir auch die Weidehalter unterstützen. Es gibt dafür ganz viele Gründe. Wir als GRÜNE sind auch Naturschützer. Offenlandpflege funktioniert nur mit Weidehaltung. Deshalb haben wir ein großes Interesse daran. Jetzt müssen wir aber schauen, ob das Problem der Weidehalter der Wolf ist. Nein, die Weidehaltung hat deutschlandweit, auch in ganz Sachsen, viele Probleme, egal, ob der Wolf irgendwo durchzieht oder nicht.
Das heißt, wenn wir sagen, dass wir Maßnahmen gegen den Wolf ergreifen, dann wäre der Weidehaltung geholfen, wird das nicht funktionieren. Das werden wir hinterher feststellen. Der Wolf kann in den betroffenen Regionen noch ein Zusatzproblem schaffen. Da müssen wir ansetzen. Aber es gibt schon eine Reihe Lösungen. Man kann immer darüber diskutieren, welche die besseren sind. Aber Ihre Vorschläge lösen das Problem nicht — wenn wir jetzt schon zum Hund kommen. Es ist also nur ein Teilproblem.
Wenn es darum geht, Rechtssicherheit herzustellen, sind wir ganz bei Ihnen. Aber Sie haben keine Vorschläge unterbreitet. Wir als GRÜNE-Fraktion haben eine Wolfsverordnung erarbeitet, in der ganz klar definiert ist, unter welchen Voraussetzungen man wie, wo mit dem Wolf umgehen kann. Sie wird heute oder morgen eingereicht. Sie können sie lesen und ihr dann vielleicht zustimmen.
Herzlichen Dank. 

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