Wolfram Günther: In Sachsens Landwirtschaft liegt viel Potenzial – die CDU nutzt ihre Aktuelle Debatte jedoch lieber für Polemik

Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD:
"Landwirtschaft für alle – zukunftsfähig und nachhaltig"
6. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. Januar 2015, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Ich habe mich eigentlich auf diesen Tagesordnungspunkt gefreut und hatte erwartet, die CDU würde hier mit einem Feuerwerk an Ideen kommen, wie der ländliche Raum entwickelt werden und es der Landwirtschaft jetzt vorangehen soll.
Ich war ein wenig enttäuscht – die fünf Minuten sind sehr wenig Zeit, es ist viel zur Landwirtschaft und den Potenzialen, die dort liegen, zu sagen, auch zu den Aufgaben -‚ dass der Kollege Heinz sich für Polemik gegenüber den GRÜNEN entschieden hat. Aber gut, mit der Enttäuschung muss ich jetzt leben. Warum ist das für uns GRÜNE ein Thema? – Nicht nur wegen der Massentierhaltung, sondern weil es in erster Linie um die Entwicklung der ländlichen Räume geht.
Wir haben es bereits gehört: Es geht dort um Wirtschaft, um Bruttowertschöpfung, und da muss man auch einmal einige Fakten zur Kenntnis nehmen. Dazu gehört, dass der Landwirtschaftsbereich in Sachsen eine Wachstumsbremse dargestellt. Er hat sich nämlich seit 1990 nicht entwickelt. Die Bruttowertschöpfung liegt dort konstant bei unter 1 Milliarde Euro, während die sonstige Wirtschaftsentwicklung gestiegen ist, und der Anteil an der Bruttowertschöpfung ist in diesem Zeitraum um 40 Prozent am Gesamtaufkommen zurückgegangen; das muss man nicht hinnehmen.
Sachsen hat einen Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland in Höhe von 5,4 Prozent, aber die Bruffowertschöpfung liegt nur bei 4,5 Prozent – die
Flächenproduktivität liegt unter 1000 Euro pro Hektar -, womit Sachsen 17 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegt, und das, obwohl wir hier mitunter die besten
Böden haben.
Offensichtlich sind wir ein Billigland. Wir produzieren billig. Es gelingt uns auch nicht, ausreichend Arbeitsplätze auf dem Land zu schaffen. Da sind andere Länder viel weiter. Das ist insbesondere für uns als Politiker interessant, denn das sind unsere Steuermittel. Wir geben dort Geld hinein, und zwar in Form von Flächensubventionen. Während in Rheinland-Pfalz 1 Euro Subvention 7 Euro Wertschöpfung auslösten, sind es in Sachsen bloß 2,66 Euro; der Bundesdurchschnitt liegt bei 3,31 Euro. Wir liegen also auch dort darunter.
Überhaupt liegen die Investitionen, die pro Hektar getätigt werden, im Bundesdurchschnitt bei 568 Euro, in Rheinland-Pfalz – ein Bundesland, mit dem wir uns bezüglich Größe und Bevölkerungszahl gut vergleichen können – bei 727 Euro, in Sachsen aber nur bei 484 Euro.
Noch eine Zahl – weil wir bei der Qualität angelangt sind – zur Biolandwirtschaft: Wir sind zwar bei allem, was Fläche und Bevölkerung betrifft, immer mit ungefähr 5 Prozent beteiligt – bei den Agrarflächen sind es sogar 5,4  Prozent -‚ aber der Anteil der Biobetriebe in Sachsen macht nur 2,4 Prozent aus, und das ist etwas, bei dem eine hohe Wertschöpfung stattfindet. Wir schaffen es in Sachsen noch nicht einmal, hier die Nachfrage nach Bioprodukten zu befriedigen – und das ist nur eine Sparte.
Wir GRÜNEN wissen, dass es nicht darum geht, 100 Prozent Biolandwirtschaft herzustellen – das sind überhaupt nicht unsere Forderungen -‚ sondern es geht generell darum, mehr Qualität in die Landwirtschaft einzubringen, und auch darum, Bedürfnisse der Verbraucher zu befriedigen. Da ist einiges schiefgelaufen, gerade in der Tierhaltung; Sie haben es schon angesprochen. Da gibt es Dinge, die bei dem, was jetzt schon rechtlich legal ist, nicht mehr haltbar sind, etwa, dass bei Geflügel bis zu 2 Prozent Sterblichkeit täglich unproblematisch ist. Wenn man das auf 10.000 Stück Geflügel ausrechnet, bedeutet das, dass 200 Stück Geflügel am Tag sterben können – was das pro Jahr bedeutet, kann man sich ausrechnen -‚ und da braucht niemand einzugreifen.
In einer Anlage in Mittelsachsen – in Doberschwitz, das haben wir mit einer Kleinen Anfrage herausbekommen – werden im Jahr 60 Tonnen tote Tiere herausgetragen. Sie müssen sich einmal vorstellen, wie es den Tieren dabei geht, wenn von den Haltungsbedingungen her dort so viele sterben können. Das kann man nicht hinnehmen. Damit sind Dinge gemeint wie Ferkel, denen die Schwänze abgeschnitten werden, das Kupieren von Schnäbeln. Auch der Platz, den Tiere haben – Geflügel steht eine Fläche von weniger als einer DIN A4-Seite zu – gehört zu den Themen, an denen wir arbeiten müssen. Das geht nicht von heute auf morgen, und deswegen erwarte ich bzw. hatte ich eigentlich erwartet, hier zu hören, wie wir da zu Änderungen kommen, um die Qualität ZU steigern; auch für die ganze industrielle Landwirtschaft in der Fläche hat das Folgen.
Wir reden hier immer gern von Heimat und Kulturlandschaft. Das macht das Ganze kaputt. Die ganzen Feldwege, die Ackerstreifen, die Säume, die verschwunden sind, das ist alles nicht nur Naturraum, sondern das ist auch Kulturlandschaft, und da gilt es, vieles zurückzugewinnen. Dann sind wir auch beim Imageproblem der Landwirtschaft. Das hat auch etwas damit zu tun, wie die Tierhaltung gestaltet ist und warum Verbraucher auf die Straße gehen und massenhaft demonstrieren.
Auf dem Land zu leben, muss attraktiver werden; das gilt
auch für den Beruf Landwirt. Das hat etwas damit zu tun, dass wir dort die Bedingungen ändern und dass wir schwarzen Schafen auch ordentlich auf die Finger klopfen.
Danke schön.[…] Ich fühle mich gerade ein wenig wie im falschen Film, weil die Ausführungen, werter Herr Kollege von Breitenbuch, nicht allzu viel mit dem zu tun hatten, was wir hier vorgetragen haben. Man muss noch einmal klar feststellen: Wir werden uns überhaupt nicht in die Rolle drängeln lassen, dass wir
gegen Landwirte sind. Ich habe davon gesprochen, dass wir die Bruttowertschöpfung erhöhen müssen, dass wir es für die Landwirte attraktiver machen müssen, und dass wir in der Landwirtschaft eine Qualitätsoffensive brauchen. Was die Ausführungen über diesen Bullen und den Bauern mit uns zutun haben, kann ich auch nicht sehen.
Dieses Vorgehen ist widerlich; da werden Sie bei uns nur Verbündete finden. Es ist ein schwieriger Stil, einem das hier unterzuheben.
Wir sind für eine Landwirtschaft, die ihre Leute ernährt, und wir wollen, dass der Beruf des Landwirts attraktiver wird. Das hängt auch damit zusammen, wie die in der
Landwirtschaft herrschenden Bedingungen sind. Daran muss man einfach arbeiten. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern dafür braucht man ein Programm. Dann findet man auch Nachwuchs und Leute, die Hofstellen übernehmen und Landwirtschaft in einem ordentlichem Maß betreiben wollen.