Datum: 11. Juni 2020

Kinderschutz – Kuhfuß: Antrag der AfD ist blanker Populismus

Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum Prioritätenantrag der Fraktion AfD zum Thema:
"Kinder brauchen Schutz und Freiheit – Auswirkungen der ‘Corona-Schutzmaßnahmen‘ auf die physische, psychische, soziale und kognitive Entwicklung von Kindern wissenschaftlich untersuchen und unverzüglich drohende Kindeswohlgefährdungen abwenden" (Drs 7/2437)
11. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 11.06.2020, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die letzten Wochen waren herausfordernd für uns alle. Niemand stellt das in Abrede, weder in der Koalition, noch in der Staatsregierung. Nur bringen uns schrille Töne allein nicht weiter. Und so liest sich – wenig überraschend – auch dieser Antrag der AfD. Er umschreibt die Ausnahmesituation der letzten Monate, allein um diese als schädlich und völlig übertrieben für die Bevölkerung anzuprangern. Populisten brauchen eine Schwarz-Weiß-Erzählung und verleugnen die Vielzahl an Grautönen. So trifft die AfD auch in diesem Antrag vor allem Pauschalaussagen. Es ist die Aufgabe des Staates, ein gesundes Aufwachsen für alle Kinder zu fördern. Und es ist seine Pflicht, Kinder vor Gewalt und lebensbedrohlicher Vernachlässigung zu schützen. Keine Frage, dazu stehe ich und alle anderen hier hoffentlich auch.
Die Überschrift des AfD-Antrages soll uns aber suggerieren, dass die Kontaktbeschränkungen, die zur Eindämmung des Virus geführt haben, eine Kindeswohlgefährdung zur automatischen Konsequenz hat. Die AfD postuliert, dass es >>nachhaltige Schäden bei der physischen, psychischen, sozialen und kognitiven Entwicklung von Kindern<< durch die Corona-Schutzmaßnahmen geben wird.
Schauen wir uns das mal genauer an: Durch die Kontaktbeschränkungen haben Kinder mehr Zeit mit ihren Eltern und Geschwistern verbracht statt mit Freund*innen in der Kita oder Schule. Spielplätze waren geschlossen, draußen spielen war jedoch weiterhin erlaubt und sogar erwünscht. Das klingt nicht nach Bullerbü, ist aber keine Kindeswohlgefährdung, das kann ich ihnen als Kinderschutz Fachkraft nach § 8a KJHG bestätigen!
Die AfD verkürzt in ihrem Prioritätenantrag die Situation bewusst. Die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aller werden als kindeswohlgefährdende Freiheitsbeschränkung umschrieben, die angeblich schwere Folgen auf eine gesamte Generation hat. Das ist nicht nur fachlich falsch, es ist blanker Populismus.
Doch auf den Frontalangriff folgen keinerlei politischen Forderungen, die zur Lösung beitragen könnten. Der Antrag führt viele Punkte auf, die in der Krise intensiv diskutiert und beantwortet wurden, z.B. Wer muss unbedingt weiter in einer Kita betreut werden, welche Familie braucht auch in der Krise unbedingt Hilfe, welche Einrichtungen müssen Prioritär offengehalten werden. Das alles war bereits im allerersten Erlass Thema und wurde bei jeder neuen Regelung bedacht. Die Ministerin hat mehrfach im Monat darüber berichtet und Rückmeldung von allen OB Leuten des ASG eingeholt. Scheinbar sind diese zeitnahen und verbindlichen Absprachen nicht bei ihnen kommunziert wurden.
Ich bitte an der Stelle darum, einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass die Todesfälle in Sachsen und Gesamtdeutschland sehr viel geringer als in unseren europäischen (Nachbar-)Ländern und anderen Industrienationen (USA, GB, Russland) waren, weil wir die Kontaktbeschränkungen rechtzeitig eingeführt haben und somit das Infektionsgeschehen ausgebremst werden konnte. Das könnte man als Beleg sehen, dass die Abwägung die wir getroffen haben, zur Abwendung von Schäden geführt hat, muss man aber nicht.
Doch die Politik der AfD beruht im Kern darauf, ein allgemeines Staatsversagen zu unterstellen. Hätten wir anders gehandelt, wäre es sehr wahrscheinlich, dass die AfD der Koalition und der Staatsregierung heute den Tod vieler – vor allem älterer Menschen – vorwirft.
Ich weiß, die häusliche Isolation der letzten Woche birgt Risiken für alle Generationen: Überforderung in einem vollkommen neuen Alltag, Einsamkeit, psychische Belastungen durch die Ausnahmesituation und die Ungewissheit mit Blick auf die Entwicklung in den kommenden Monaten… Das haben wir BÜNDNISGRÜNE immer wieder lautstark ins Bewusstsein gerufen – auch hier im Parlament. Wir haben darauf reagiert, zum Beispiel indem unsere Gleichstellungsministerin Katja Meier die Plätze in Frauenschutzhäusern aufgestockt hat, so dass Frauen (auch mit ihren Kindern) Schutz bei Gewalt finden.
Die Coronapandemie hat uns nochmal gezeigt, wie wichtig es ist stabile Soziale Netze zu spannen. In einem Autorinnenpapier mit meinen Kolleginnen Lucie Hammecke und Petra Čagalj Sejdi habe ich eine Vielzahl an Maßnahmen zusammengefasst, damit in der Krise niemand alleingelassen wird.
Wir regen darin z.B. einen Masterplan ‚Kinderschutz in der Krise‘ an und stellen darin einen gemeinsamen Standard aller sächsischen Jugendämter für ein agieren in der Krise in den Mittelpunkt. Wir wollen das Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen und sich informieren können. Dazu braucht es einen Ausbau der Telefonangebote und mehr zielgruppengerechte Öffentlichkeitsarbeit.
Wir sehen das Jugendarbeit gestärkt werden muss und Kontinuität braucht, denn hier finden Kinder und Jugendliche professionelle Begleitung und bei Bedarf auch Unterstützung in ihrer Freizeit.
Das alles sind Ansätze, die wir im Landesjugendhilfeausschuss diskutieren werden, denn im Kern geht es darum, auch unsere Jugendhilfe-Systeme in der Corona Krise auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und ggf. zu verbessern.
Das ist die Aufgabe der Politik – nicht Menschen in Angst und Schrecken zu versetzten. Den Antrag der AfD lehnen wir ab. » Autorinnenpapier "In der Krise niemanden alleine lassen"