Rohstoffstrategie? − Lippold: Welche Strategie denn? Von einer Rohstoffstrategie mit allen notwendigen Elementen ist nichts zu erkennen
Rede des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD ‚ Sachsen hebt seine Schätze – Rohstoffstrategie fortsetzen‘
40. Sitzung des Sächsischen Landtags, 1. September 2016, TOP 7, Drs. 6/3168
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist bemerkenswert, dass die Koalitionsfraktionen mit ihrem ins Plenum gebrachten Antrag von 2015 die Öffentlichkeit selbst darauf aufmerksam machen, dass beim Thema Rohstoffstrategie wieder mal – und das hat ja nun mittlerweile Tradition – Versprochenes nicht fristgemäß geliefert worden ist. Zugleich versuchen sie, das hier nachträglich zu heilen.
Die Staatsregierung hatte allerdings bereits im Dezember 2015 eine Stellungnahme zu ihrem Antrag verfasst, der Antworten zum Sachstand der Projekte ROHAS 1 bis 3 sowie zur so genannten Rohstoffsicherung durch regionale Planungsverbände gab.
Und das tat die Stellungnahme in zum Teil wortgewaltiger Weise. Ich zitiere einen Satz:
>>Nur wer als höchste Wertschöpfung seiner Arbeit größtmögliche Humanität, Umweltgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit anstrebt, erreicht langfristig in jeder Hinsicht den höchsten Wirkungsgrad.<<
Das muss man erstmal setzen lassen. Worte wie Donnergrollen vom Olymp. Wissen Sie, ich bin ja auch aus grünen Think Tanks einiges an Poesie gewöhnt. Aber hier frage ich – was haben die geraucht?
Im zweiten Teil ihres Antrages, zu dem die Staatsregierung nicht fristgemäß berichtet hat, fordern Sie die konsequente Fortsetzung der sächsischen Rohstoffstrategie. Ja welcher Strategie denn? Zwar gibt es seit 2012 ein Papier, das so heißt.
Doch eine Rohstoffstrategie mit allen notwendigen Elementen ist darin nicht zu erkennen! Mithin nichts, was man einfach fortsetzen könnte und noch dazu konsequent.
Was da vorliegt, das ist eine Bestandsaufnahme, aus der einige Handlungserfordernisse und selbstgewählte Ziele abgeleitet sind.
Eine Strategie im Wirtschaftsbereich, meine Damen und Herren, geht darüber aber deutlich hinaus. Unter anderem berücksichtigt sie die Wechselwirkungsmechanismen mit den sich ständig verändernden Umfeldbedingungen. Das tut sie zum einen über Prognosen und Szenarienanalysen, zum anderen durch von vornherein angelegte Flexibilität.
Eine wirkliche Strategie berücksichtigt die Wechselwirkungen und Rückkopplungen in der ganzen Wertschöpfungskette.
Eine Rohstoffstrategie in Sachsen kann ganz sicher nicht unabhängig von wirtschaftspolitischen Schwerpunktsetzungen und von immer wieder nachjustierten Forschungs- und Entwicklungsstrategien sein.
Ich nenne mal ein Beispiel:
Wenn die Staatsregierung vorhätte, mit einer Entwicklungsoffensive und passenden Investoren Sachsen zu einem wichtigen Entwicklungs- und Produktionsstandort für elektrische Speicherzellen einer neuen Generation zu machen, so wäre die Erschließung eigener Lithiumressourcen sicherlich ein vorrangiges Ziel einer Rohstoffstrategie, um Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen.
Hätten man hingegen vor, diese Zellen einzuführen und daraus hier besonders sichere und intelligent gesteuerte Akkus für die E-Mobilität herzustellen, dann könnte es strategisch vielleicht sinnvoller sein, die eigenen Lithium-Ressourcen erst zu einem späteren Zeitpunkt anzutasten, wenn die Zellhersteller am Rohstoffweltmarkt auf Verfügbarkeitsgrenzen stoßen.
So gehört eben auch Beschäftigung mit der Frage, was man nicht abbaut, sondern gezielt aufhebt, zu einer Rohstoffstrategie. Ganz zentral sind auch die Fragen, wie man den endlichen Inhalt der Bodenschatztruhe für Kinder und Kindeskinder schont, indem man Fragen von Ressourceneffizienz und Stoffkreisläufen erstrangige Bedeutung beimisst.
Dem Sächsischen Landtag lag bereits in der 5. Wahlperiode ein Antrag der Linken vor, der ein wesentlich kompletteres Grundgerüst für die Erarbeitung einer Sächsischen Rohstoffstrategie enthielt. Schade, dass die Koalition nun in der 6. Wahlperiode dort nicht nochmal gründlich reingeschaut hat.
Der vorliegende Koalitionsantrag sieht das Ziel einer Rohstoffstrategie offenbar weiter vor allem darin, die sächsische Schatztruhe weit zu öffnen und den Inhalt jedem zur schnellstmöglichen Entnahme darzubieten, der ihn haben möchte.
Die Staatsregierung und das Strategiepapier sprechen davon, Investoren kostspielige und langwierige Erkundungen sparen zu wollen.
Das ROHSA Projekt in seinen verschiedenen Phasen soll die dazu nötigen Daten zusammentragen und verfügbar machen.
Es macht durchaus Sinn, den umfangreichen, wertvollen Datenbestand zu Rohstofflagerstätten in Sachsen zu erfassen und auch zugänglich zu machen. Eine fortzusetzende Strategie zum langfristigen Umgang mit den sächsischen Bodenschätzen ist das aber nicht.
Deshalb muss es um die Entwicklung und stetige Fortschreibung einer ausgewogenen sächsischen Rohstoffstrategie gehen, die diesen Namen verdient.
Diese für den bodenschatzreichen Freistaat wichtige Strategie muss aus der bereits vorliegenden Bestandsaufnahme erst noch entwickelt werden. Ihr Antrag kann und will das offensichtlich nicht anregen.
Angesichts der Schwierigkeiten bei der Erfüllung selbst gesetzter Ziele bei der Konzepterarbeitung muss man offenbar nicht nur bei der Strategie nachbessern, sondern auch dort, wo sie erarbeitet wird.
Wir sehen deshalb keinen Grund, eine der mittlerweile schon systematischen Fristüberziehungen bei diesem Thema nachträglich zu heilen und werden deshalb sowohl ihren Antrag als auch ihren Änderungsantrag ablehnen.