Sächsischer Mittelstand − Lippold: Die faktische Absage an eine im Landtag verwendbare Berichterstattung ist unsinnig

Rede des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold zum Prioritätenantrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema: "Wachstum des sächsischen Mittelstands unterstützen"
55. Sitzung des Sächsischen Landtags, 18. Mai, TOP 3, Drs 6/8567

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Zunächst wäre es ja mal interessant, ob die Koalitionsfraktionen wirklich dasselbe meinen, wenn sie im Titel des Antrages von ‚Wachstum‘ reden. Die gründliche Lektüre des Antrages lässt Zweifel aufkommen.

Aber sei’s drum: auch wir finden es gut, dass Sie die Staatsregierung berichten lassen wollen, wie sie das Gutachten der Bundesregierung zur Zukunft des Systems der Förderung strukturschwacher Regionen einschätzt. Die vorliegende Stellungnahme der Staatsregierung zu Ziffer I.1 Ihres Antrages enthält zunächst auch nur eine Kurzbeschreibung des Inhalts des Gutachtens und noch keine eigene Einschätzung aus sächsischer Perspektive. Insofern fordern sie hier wirklich mal was, das noch zu leisten ist und nicht bereits existiert. Das ist ja durchaus nicht selbstverständlich bei Koalitionsanträgen.

In Ziffer I.2 Ihres Antrages fordern Sie einen Bericht dazu, welche neuen unternehmerischen Anreize durch Neufassung der GRW-Richtlinie des SMWA vom August 2016 geschaffen werden. Das finden wir interessant, denn das hört sich so an, als würden tatsächlich Erfahrungsberichte bzw. Datenerhebungen zu den festgestellten Effekten der Richtlinienänderung gefordert.

Da die Stellungnahme der Staatsregierung an dieser Stelle nur wiedergibt, was mit der Richtlinienänderung bewirkt werden soll, aber nicht, was bewirkt wird, steht offenbar auch hier der aussagefähige Bericht noch aus. Wir sind neugierig darauf.

Eine solche Erfolgskontrolle eigener Regelungen und Richtlinienänderungen im Wirtschaftsbereich unter Kriterien wie Wirksamkeit und Effizienz, Handhabbarkeit, Kompatibilität mit der Lebenswirklichkeit der Unternehmen, die man damit erreichen will, wäre sicher aufschlussreich und hilfreich für künftige Richtlinienänderungen.

Über die Forderung nach einem Bericht hinaus sind es drei Punkte, die die Staatsregierung gegenüber dem Bund vertreten soll:

1) Bei der GRW-Neuausrichtung sollen ich zitiere >>weitere wirksame Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte des sächsischen Mittelstandes etabliert werden.<< Also wenn wir mit Anträgen ohne jeden eigenen Denkansatz in der Sache kommen würden, so würde der Vorwurf von Inkompetenz in der Wirtschaft wohl auf dem Fuße folgen.

2) Sie fordern, die Staatsregierung solle sich für die stärkere Förderung nicht-investiver Maßnahmen einsetzen. Eine solche Öffnung der Förderung wäre gut und hilfreich. Allein: genau das steht doch schon im genannten Gutachten der Bundesregierung drin!
Nun kann man natürlich die Staatsregierung auffordern, die Bundesregierung aufzufordern, ihr eigenes Gutachten als Grundlage zu nehmen, doch wenn die Bundesregierung das tut, dann kann man das schwerlich als Erfolg der eigenen Aufforderung verbuchen.

3.) Bürokratieabbau. Ja, bitte – gute Forderung. Und wenn die Koalition in Sachsen einfach schon mal anfangen würde, genau das in ihrem eigenen Einflussbereich zu tun, dann hätte diese Forderung noch viel mehr Gewicht.

So richtig unverständlich wird es bei Ziffer III Ihres Antrages und der dazugehörigen Begründung. Sie stören sich am bisherigen Zweijahreszeitraum für den Bericht über die Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft Sachsens. Seit 2005/2006 wird der Bericht aller zwei Jahre vorgelegt. Sie begründen das Abgehen von dieser Tradition und die Verlängerung des Zeitraums damit, dass für verlässliche Trendaussagen, etwa zur Fachkräfteentwicklung, zum Gründergeschehen oder zum Größenwachstum der Zweijahrezeitraum zu kurz sei. Es hindert Sie doch niemand daran, längere Zeiträume anzuschauen! Wenn dazwischen mehrere Berichte liegen, dann haben sie jeweils mehr Datenpunkte. Umso aussagefähiger wird die Analyse von längerfristigen Trends.
Auch die Begründung, es gäbe ja viele andere Quellen relevanter statistischer Daten mit wesentlich kürzeren Erhebungsintervallen, ist wenig überzeugend. Umso einfacher ist ja dann deren fokussierte Zusammenstellung für einen Mittelstandsbericht. Einen Bericht, der in einem Land mit ganz überwiegend kleiner und mittelständischer Wirtschaft über das wichtigste Segment informiert.

Sie wollen nun dem Landtag nur noch am Ende jeder Legislaturperiode zur Lage und Entwicklung des sächsischen Mittelstandes berichten lassen. Damit bekäme ein gewählter Landtag den ersten Bericht der jeweiligen Regierung zur Lage der mittelständischen Wirtschaft jeweils kurz vor Ende der Legislatur. Außerstande, auf Probleme oder Fehlentwicklungen überhaupt noch zu reagieren – außer der Bitte an die Abgeordneten des nächsten Landtages, doch bitte anhand einer Drucksache aus der verflossenen Wahlperiode, von einer anderen Regierung, an die nächste Regierung irgendwelche Forderungen zu stellen. Mit diesem harmlos klingenden kleinen Satz nehmen Sie sich selbst und diesem Parlament in Bezug auf die mittelständische Wirtschaft eine ganze Menge Kontroll- und Wirkungsmöglichkeiten.

Zusammenfassend bleibt zu sagen: wir sind interessiert an der geforderten Einschätzung der Staatsregierung, halten die sonstigen Forderungen für nicht ausreichend und die faktische Absage an eine im Landtag verwendbare Berichterstattung für unsinnig. Wir werden uns in dieser Gemengelage enthalten.

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