Schulgeldfreiheit für Gesundheitsberufe – Melcher: Ein Schulgeld verkennt den Bedarf an Fachkräften

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD „Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsberufe herstellen“ Drs 7/5795
25. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 24.03.2020, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Hier ist eine solche:

Ab dem Schuljahr 2021/22 werden Auszubildende in den Gesundheitsfachberufen in Sachsen kein Schulgeld mehr zahlen müssen. Das ist eine gute Nachricht, denn damit wird die Ausbildung für Schülerinnen und Schüler sowie Schulen attraktiver und wir können so dem Fachkräftemangel begegnen.

Eine vergleichbare Regelung gibt es bereits für mehrere Berufsgruppen. Mit dem Bildungsstärkungsgesetz haben wir hier in Sachsen angehende Erzieherinnen und Erzieher sowie Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger vom Schulgeld befreit. Sofern ein freier Schulträger die entsprechenden Ausbildungsgänge anbietet und auf die Erhebung von Schulgeld verzichtet, erhält er eine erhöhte pauschale monatliche Zuweisung. Eine analoge Regelung ist nun für die Gesundheitsfachberufe vorgesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

uns allen ist klar: Der Fachkräftemangel ist vielerorts akut. Das betrifft den pädagogischen und sozialen Bereich ebenso wie das Gesundheitswesen. Im Vergleich zu anderen, nicht minder betroffenen Branchen werden Fachkräfte in den genannten Berufsfeldern jedoch nicht dual ausgebildet. Erzieherinnen, Ergotherapeuten oder Logopädinnen erhalten keinen Ausbildungsvertrag in einem Betrieb, sondern werden vollzeitschulisch ausgebildet.  Und in der Mehrzahl übernehmen diese Aufgabe berufsbildende Schulen in freier Trägerschaft.

Ohne die freien Träger wäre der Bedarf an Nachwuchs überhaupt nicht zu decken. Bis 2030 werden in Sachsen 21.000 zusätzliche Pflegekräfte gebraucht. Jährlich brauchen wir im Freistaat zwischen 1.000 und 2.500 neue Erzieherinnen und Erzieher, um Altersabgänge auszugleichen und weil die Kinderzahlen steigen. Verbesserungen im Betreuungsschlüssel, wie die Anrechnung der Vor- und Nachbereitungszeit, erhöhen den Personalbedarf weiter.

Etwa drei von vier angehenden Erzieherinnen und Erziehern lernen an einer Schule in freier Trägerschaft. In den Gesundheitsfachberufen sind die Quoten ähnlich. Doch die freien Schulträger sind bei der Finanzierung der Ausbildung in der Regel auf die Erhebung von Schulgeld angewiesen. Das führt mitunter dazu, dass junge Menschen sich zwar für eine Ausbildung interessieren, sich diese aber nicht leisten können. Solche finanziellen Zugangshürden bei der Ausbildung können wir uns in Anbetracht des Fachkräftemangels schlichtweg nicht leisten. Wir müssen mehr junge Menschen für die Ausbildung in dringend benötigten Bereichen gewinnen. Wir brauchen jede Frau und jeden Mann für diese wichtigen Jobs. Ein Schulgeld verkennt den Bedarf an Fachkräften.

Die Schulgeldfreiheit hingegen ist ein gutes Argument und ein Anreiz, eine Ausbildung aufzunehmen und auch abzuschließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße es, dass der Freistaat Sachsen mit dieser Regelung in Vorleistung geht. CDU, CSU und SPD im Bund haben im Koalitionsvertrag zwar die Abschaffung des Schulgelds für die Gesundheitsfachberufe vereinbart. Konkrete Regelungen, wie bei der Pflegeausbildung, wurden jedoch noch nicht verabschiedet. Höchstwahrscheinlich wird das Vorhaben auch in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzen. Gleichzeitig verschärft jede Verzögerung die Situation auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Deshalb halte ich es für folgerichtig und konsequent, dass Sachsen hier vorangeht. Wir sind damit übrigens in guter Gesellschaft: Mehr als die Hälfte der Bundesländer hat das Schulgeld für Gesundheitsberufe bereits in Eigenregie abgeschafft, darunter alle Stadtstaaten, Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Und vielleicht auch noch diese Bemerkung: Im Zuge der Haushaltsverhandlungen zeichnet sich ab, dass wir uns auf ein schlankes, unbürokratisches Förderverfahren einigen. Die positiven Erfahrungen mit der Zuweisung an die Träger, wie bei den angehenden Erzieherinnen und Heilerziehungspflegern, werden genutzt und analog auf die Gesundheitsfachberufe übertragen. Das erspart viele Seiten Antragsformulare, Zeit und Nerven.

Also auch hier noch eine gute Nachricht. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.