Sozialer Wohnungsbau in Sachsen – Günther: Wir werden das Mietenproblem in Leipzig und Dresden nicht in Coswig lösen können!

Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zur 1. Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktionen CDU und SPD: "Bezahlbares Wohnen für alle – soziale Wohnraumförderung weiterentwickeln", 11. April, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Wirklichkeit ist schon viel weiter als Sie von der CDU befürchten. Ich zitiere: >>Enteignungszweck. Nach diesem Gesetzbuch kann nur enteignet werden, um 1. entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten, 2. unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke, die nicht im Bereich eines Bebauungsplans, aber innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile liegen, insbesondere zur Schließung von Baulücken, entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen oder einer baulichen Nutzung zuzuführen…<<
Wie finden Sie von der CDU das? Niemals! – Ich lese Ihnen gerade den Paragraphen 85 des Baugesetzbuches vor, er gilt seit 1960 und wurde zuletzt 2017 novelliert. Gibt es den Paragraphen oder gibt es den nicht? Und wer hat diesen beschlossen?

Ich kann Ihnen auch gern den Paragraphen 77 des Bundesberggesetzes vorlesen: >>Nach den Vorschriften dieses Kapitels kann auf Antrag des Unternehmers eine Grundabtretung durchgeführt werden, soweit für die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebes oder Aufbereitungsbetriebes einschließlich der dazugehörigen, in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen die Benutzung eines Grundstücks notwendig ist.…<<

Jetzt könnten Sie sagen: Das ist ja alles Bundesrecht. Damit haben wir ja in Sachsen alles nichts zu tun. Dann lese ich Ihnen gern nochmal das Sächsische Straßengesetz vor, da hat ja die CDU Sachsen einen Anteil daran – Paragraph 43 Absatz 1: >>Die Träger der Straßenbaulast haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht. Die Enteignung ist zulässig, soweit sie zur Ausführung eines nach den Vorschriften des § 39 festgestellten oder genehmigten Planes notwendig ist. Einer weiteren Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung bedarf es nicht.<<

Wir reden bei der Enteignung nicht über irgendetwas Neues. Ich bin seit 2004 zugelassener Rechtsanwalt und einige meine Brötchen habe ich damit verdient, dass ich Landwirte vertreten habe, die auch in Sachsen enteignet werden sollten. Das waren nicht die GRÜNEN, die enteignen wollten. Vielleicht dient das der Versachlichung der Emotionen hier im Haus zu diesem Thema. Das ist Alltag in Deutschland.

Um einem Mythos vorzubeugen: Unser Bundesvorsitzender Robert Habeck hat gesagt: Wenn Brachen in großen Städten nicht bebaut werden, dann kann man über Enteignungen nachdenken. Das gibt ja der Paragraph 85 des Baugesetzbuches seit 1960 vor.

Wenn wir heute über die Mietenfrage reden: Ja – die Frage nach bezahlbaren Wohnungen hat sich in den großen Städten zu der sozialen Frage unserer Zeit entwickelt. Wir beschäftigen uns damit wiederholt, weil es auf dem Wohnungsmarkt eine unglaubliche Dynamik gegeben hat. Etwa in der Stadt Leipzig seit 2013: Der Mietpreis steigt seitdem um über 25 Prozent, dort ist man inzwischen bei 7,30 Euro pro Quadratmeter. Aktuelle Zahlen aus Dresden, da ist man inzwischen im Schnitt bei 7,60 Euro. Selbst Mieten von über 12 Euro pro Quadratmeter sind nicht mehr ganz unnormal. Da gibt es enorme Verschiebungen.

Wenn wir über die Attraktivität unseres Landes reden: Die Leuchtturmpolitik in Sachsen ist ja keine Erfindung der GRÜNEN, sondern von Ihnen von der CDU. Wenn Sie Leuchttürme entwickeln, in die immer mehr Menschen ziehen, dann es ist nicht unnormal, dass der Wohnungsmarkt in Probleme gerät. Wir werden das Mietenproblem in Leipzig und Dresden nicht in Coswig lösen können!

Wenn wir darüber reden, was wir im sozialen Wohnungsbau tun können, dann gibt es eben nicht den einen Baustein. Natürlich muss man in den sozialen Wohnungsbau Geld hineinpumpen. Ich kann Sie nur daran erinnern: Der Bund gibt über 140 Millionen für den sozialen Wohnungsbau, er erwartet, dass wir als Freistaat das verdoppeln. Sie von der Koalition geben nur 40 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau. Wir wollen 200 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau stecken, damit man 5.000 neue Wohnungen jährlich bauen kann.

Wir haben immer sagen: Man muss die Mietpreisbindung über die 15 Jahre hinaus verlängern auf 25 Jahre. Man muss verstärkt in kooperative Wohnformen investieren, für Bauprojekte Geld bereitstellen. Wir brauchen eine Mietpreisbremse, die immer noch nicht in Sachsen gilt. Wir brauchen endlich ein aktives Flächenmanagement, nicht nur eine kommunales Flächenmanagement, sondern auch des Freistaates. Das alles passiert bisher nicht.

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