Spracherwerb für zugewanderte Menschen − Zais: Nur durch das Agieren auf Augenhöhe kann gleichberechtigte Teilhabe gelingen
Rede der Abgeordneten Petra Zais zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: "Informationen zum Spracherwerb für zugewanderte Menschen in Sachsen", 54. Sitzung des Sächsischen Landtags, 17. Mai, TOP 9, Drs 6/7712
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Asadeh O. wohnt in Olbernhau. Vor einem Jahren flüchtete sie aus Afghanistan. Sie ist glücklich, in Sachsen in Sicherheit zu sein. In Scheberghan, einer Stadt im Norden des Landes, war sie in einer Logistikfirma beschäftigt. Sie würde auch hier gern arbeiten. Die größten Probleme bereitet ihr die deutsche Sprache. Gern würde sie die deutsche Sprache lernen. Sie kann leider nicht herausfinden, welcher Sprachkurs für sie in Frage kommt. Sie hat schon einmal gehört, dass Abschlüsse wie A1 oder B1 gibt. Was das bedeutet, ist ihr nicht so richtig klar.
Anders ergeht es Demsas E. aus Eritrea. Er lebt seit gut einem Jahr in Leipzig in einer Gemeinschaftsunterkunft. Der in der Einrichtung tätige Sozialarbeiter ist gut informiert und hilft ihm, den für ihn passenden Sprachkurs zu finden.
Unser Antrag ist so simpel, wie sein Anliegen notwendig, geeignet, nachvollziehbar und umsetzbar ist.
Zunächst einmal möchte ich ganz ausdrücklich die Initiative von Frau Köpping begrüßen, aus Landesmitteln Sprachkurse zu finanzieren und damit vor allem Menschen in den Fokus zu nehmen, die (noch) nicht berechtigt sind, einen Integrationskurs zu machen. Sich verständigen zu können ist enorm wichtig. Darin sind wir uns alle einig.
Gelder bereit zu stellen und Strukturen zu schaffen, ist das eine. Das sind natürlich die Voraussetzungen für alles Weitere. Aber dabei darf es nicht bleiben. Das andere ist, und das darf nicht vernachlässigt werden, die Menschen darüber zu informieren, dass es diese Sprachlernangebote gibt. Was eignet sich da im 21. Jahrhundert besser als das Internet?
Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf, eine mehrsprachige Internetplattform einzurichten, die aus Landes- und aus Bundesmitteln finanzierte Sprachkurse darstellt und Informationen zu Ort, Kursträger, Kursbeginn, Platzkapazität, Zugangsvoraussetzungen und dem zu erreichenden Sprachniveau enthält.
Nun werden Sie sagen: Das gibt es schon. Alle Sprachkurse sind auf der Seite Kursnet.de zu finden. Aber haben sie schon einmal versucht, sich auf dieser Seite zurecht zu finden? Ich habe das getestet. Die Seite ist für Menschen, die kein Deutsch oder nur sehr, sehr wenig Deutsch sprechen, für die Sprachkurssuche nicht geeignet. Sie richtet sich ausschließlich an Träger und Unterstützerinnen und Unterstützer, deren Muttersprache Deutsch ist oder an Menschen, die schon sehr gut die deutsche Sprache beherrschen. Für alle anderen sind die Informationen nicht zugänglich. Außerdem sind darin auch nicht alle vom Land geförderten Sprachkurse abgebildet.
Nun werden Sie sagen: Es gibt Flyer und Poster zu den Sprachkursen. Ja, die gibt es. Auch das ist gut. Aber auch diese richten sich ausschließlich an die Sprachkursträger und informieren über die Fördermöglichkeiten durch die Richtlinie Integrative Maßnahmen. Zielgruppe der Flyer und Poster sind nicht potentielle Sprachkursnutzende.
Nun werden Sie sagen: Der Bund fördert Bildungskoordinatoren – so auch in sächsischen Landkreisen und Kreisfreien Städten. Auch das stimmt. Aber die Bildungskoordinatorinnen und -koordinatoren sind ausdrücklich nicht zuständig für die Beratung von geflüchteten Menschen, also von potentiellen Nutzer*innen der Sprachkurse.
Nun werden Sie sagen: Wir haben doch die kommunalen Integrationskoordinatoren. Auch deren Aufgabe ist es ausdrücklich nicht, geflüchtete Menschen zu beraten. Also helfen auch sie nicht weiter.
Diejenigen, die für Beratung zuständig sind, nämlich die Jugendmigrationsdienste, die Migrationserstberatungsstellen oder die Flüchtlingssozialarbeiter*innen in den Gemeinschaftsunterkünften sind heillos überfordert. Die Jobcenter sind erst zu spät zuständig. Es gibt also in Sachsen einen echten Mangel an Beratungsinfrastruktur für geflüchtete Menschen. Das wird mir immer wieder zugetragen. Das können mir diejenigen unter Ihnen, die Kontakte zu und in Unterstützer*innenkreise haben, sicherlich bestätigen.
Wir favorisieren auch deshalb eine mehrsprachige webbasierte Lösung, weil sie hervorragend geeignet ist, geflüchtete Menschen zu stärken. Sie werden in die Lage versetzt, selbstbestimmt zu handeln, sich Wissen zu verschaffen und dann entsprechend auszuwählen. Sie kennen doch das Sprichwort: Wissen ist Macht. Das gilt auch hier, eins zu eins. Unser Ansatz heißt Empowerment! Das ist der einzig richtige Weg und ermöglicht das Agieren auf Augenhöhe. Nur so kann gleichberechtigte Teilhabe gelingen.
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