Statt sich zu loben, dass die Universitäten im Exzellenzwettbewerb die erste Runde geschafft haben, sollten wir mehr über die Rahmenbedingungen reden, die der Freistaat für Forschung setzt

Rede der Abgeordneten Claudia Maicher zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD zum Thema: ‚Wichtiger Erfolg auf dem Weg zur Exzellenz – Sächsische Spitzenforschung unterstützen und Wissenschaftsstandort Sachsen weiter unterstützen‘
63. Sitzung des Sächsischen Landtags, 16. November, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen, 
ich habe mich beim Lesen des Titels dieser Aktuellen Debatte gefragt, was daran tatsächlich "aktuell" sein soll. Die Entscheidungen zur ersten Runde des Exzellenzwettbewerbs sind bereits im September gefallen. Aber vielleicht gehört es zum Neuanfang der Koalition, dass Bildung und Wissenschaft zum Topthema werden sollen, das immer aktuell ist. Nötig wäre es!
Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der erfolgreichen Universitäten in Dresden und Leipzig zu diesem wichtigen Zwischenziel zu gratulieren. Hinter diesen Ergebnissen steckt ein großer wissenschaftlicher und verwaltungslastiger Aufwand. Es zeigt aus meiner Sicht auch, wie viel Potential an unseren Universitäten vorhanden ist.
Der Wermutstropfen bleibt natürlich das Ausscheiden des Chemnitzer Leichtbau Clusters MERGE. Das wäre ein tatsächlich aktuell brennendes Thema für diese Debatte gewesen: Wie geht es jetzt in Chemnitz weiter? Welchen Plan verfolgt die Staatsregierung, um das gewonnene Knowhow und die Spitzenwissenschaftler in diesem Projekt vor Ort halten?
Ich habe die Ministerin bereits im Wissenschaftsausschuss vor fast vier Wochen genau dazu befragt und jetzt eine Antwort bekommen. Diese hat mich in meinem Gefühl bestärkt, dass es einen Plan B schlicht nicht gibt. Man hat im Ministerium offenbar einfach auf das Beste gehofft und steht nun ratlos da.
Das ist die Kehrseite der Medaille, wenn man bei der Wissenschaftsfinanzierung generell so stark auf Bundesmittel und Drittmittel setzt, wie es der Freistaat tut. Diese und mit ihnen die exzellenten Forschungsstrukturen und Wissenschaftlerinnen sind dann wieder weg.
Statt sich hier und heute dafür zu loben, dass die Universitäten im Exzellenzwettbewerb die erste Runde geschafft haben, sollten wir mehr über die Rahmenbedingungen reden, die der Freistaat selbst für Forschung setzt. Und da meine ich nicht nur eine ausreichende Grundfinanzierung, ordentliche Stellenausstattung mit attraktiven Arbeitsbedingungen oder eine moderne Infrastruktur.
Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet die TU Dresden die mit Abstand meisten Vollanträge beim Exzellenzwettbewerb stellen kann. Ich gönne der TU Dresden diesen verdienten Erfolg ohne Frage. Ich möchte aber die Abgeordneten der Koalition daran erinnern, dass die TU Dresden die einzige Universität ist, die vom Stellenabbau seit 2013 nicht betroffen war. An allen anderen Hochschulen wurde mutwillig staatlicher Raubbau betrieben, was die personellen Ressourcen anbelangt und davon haben sie sich bis heute nicht erholt. Dafür trägt ganz besonders die sächsische CDU die Verantwortung. Und die SPD muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass auch ihre Wissenschaftsministerin die abgebauten Stellen nicht wieder einrichten wollte. Sie haben nicht einmal unseren Vorschlag unterstützt, die ausstehenden kw-Vermerke zu streichen.
Wer weiß, wo wir heute stünden, wäre in der Vergangenheit nicht so viel Potential mutwillig zerstört worden, nur um ein aus der Hüfte geschossenes Stellenabbauziel auf Teufel komm raus zu erfüllen.
Es ist zu kurz gesprungen, heute nur über Leuchttürme zu reden. Wir können uns mehr als glücklich schätzen, dass die sächsischen Hochschulen trotz aller Widrigkeiten eine so breite und thematisch vielfältige Forschungslandschaft aufgebaut haben.
Diese Forschungsleistung müsste eine weitaus stärkere Würdigung und vor allem Förderung von Landesseite erfahren.
Die Landesforschungsförderung z.B. wird seit Jahren zusammengestrichen. Im Jahr 2014 standen für laufende Zwecke der Forschungsförderung noch 11,8 Millionen Euro zur Verfügung, zwei Jahre später waren es dann nur noch 9,58 Millionen Euro. Erst im kommenden Jahr steht mit 10 Millionen Euro wieder etwas mehr Geld zur Verfügung.
Im letzten Doppelhaushalt musste bereits im September 2015 – also ein halbes Jahr, nachdem der Haushalt verabschiedet worden war – ein Förderstopp bei der Forschungsförderung verhängt werden. Der Fördertitel war schlicht restlos überzeichnet.
Besonders die Fachhochschulen brauchen diese Forschungsunterstützung. Deshalb beharren wir GRÜNE auch immer so darauf dass ein fest definierter Anteil an der Forschungsförderung für die Fachhochschulen reserviert bleibt und dass der Topf endlich aufgestockt wird.
Der Titel ihrer AD fordert, den Wissenschaftsstandort zu stärken. Den Zwischenerfolg der beiden sächsischen Universitäten bei der Exzellenzinitiative haben sie sich hart erarbeitet und verdient.
Es wäre der sächsischen Hochschullandschaft zu wünschen, wenn sich die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen in den Verhandlungen zum nächsten Doppelhaushalt in eben solchem Maße der strukturellen Förderung der Lehre und Forschung annehmen würden: eine solide Landesforschungsförderung, moderne Infrastruktur, Erhöhung der Grundfinanzierung. Dann hätte diese Aktuelle Debatte am Ende tatsächlich noch einen Sinn gehabt.
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