Teilschulnetzplan – Melcher: Der vorliegende Entwurf ist das Ergebnis eines guten und breiten Beteiligungsverfahrens

Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Moratorium zum ‚Teilschulnetzplan für die berufsbildenden Schulen im Freistaat Sachsen‘: Runden Tisch ‚Berufsschulen mit Zukunft‘ für einen fairen und breit angelegten Dialogprozess einrichten!“ (Drs 7/6132)
30. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag, 21.05.2021, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte zunächst festhalten: Uns eint der Wille, im Freistaat Sachsen ein verlässliches und stabiles Netz an Berufsschulzentren zu schaffen und dauerhaft zu erhalten.
Wir wollen Planungssicherheit.

Wir wollen weg von einer jährlich erneuerten Fachklassenliste; weg vom alljährlichen Zittern, ob Schüler fehlen oder die Klasse umziehen muss; weg auch vom jährlichen Kampf um Klassenbildung, Ausbildungsgänge und Standortprofilierung.

Die Neustrukturierung des Berufsschulnetzes wurde im Zuge der Schulgesetznovelle 2018 in die Hände des Kultusministeriums gelegt. Wir BÜNDNISGRÜNE haben das schon damals unterstützt. Und ich sage auch heute: Es ist richtig, dass die oberste Schulaufsichtsbehörde mit dieser Aufgabe betraut wird. Denn die Planaufstellung ist ein Politikum.

Die Interessenlagen sind so berechtigt wie vielfältig: Landkreise und kreisfreie Städte, Schulträger, verschiedene Branchen, Wirtschaftszweige und einzelne Unternehmen, Berufsschüler*innen, Lehrkräfte und der Freistaat selbst müssen in ihren Vorstellungen zueinanderfinden. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist leider nicht immer einfach.

Die Materie ist komplex. Und natürlich lässt sich angesichts eines 464 Seiten starken Teilschulnetzplans trefflich über Details streiten. Es sind aber gar nicht die unterschiedlichen Meinungen zu Detailfragen, die mich ärgern – zumal in ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, dazu gar nichts steht. Ich ärgere mich vielmehr über zwei Dinge:

Erstens: Es ärgert mich, dass Sie so tun, als wäre der Teilschulnetzplan am Reißbrett entworfen worden, in aller Stille, geradezu heimlich. Dem ist mitnichten so!

Sie fordern in Ihrem Antrag einen „fairen und breit angelegten Dialogprozess“, den es längst gegeben hat. Der jetzt vorliegende Entwurf ist ein Kompromiss und das Ergebnis eines guten und breiten Beteiligungsverfahrens. Er fußt auf einer Bestandanalyse aller Berufsschulstandorte im Jahr 2018. Danach erfolgte Ende 2019 eine Umfrage bei Unternehmen und Schulträgern. Von April bis Oktober 2020 wurden die Vorschläge des Staatsministeriums für Kultus mit Schulträgern und dem Landesausschuss für Berufsbildung erörtert. Die Ergebnisse dieses Prozesses mündeten in dem offiziellen Entwurf, wie er uns seit dem 30. November 2020 vorliegt.

Sie räumen in der Begründung zum Antrag ja selbst ein, dass dem Entwurf „ein intensiver und kontroverser öffentlicher Dialogprozess“ vorausgegangen ist. Jetzt ein Moratorium zu fordern, weil angeblich niemand mit niemandem vorher gesprochen hat, halte ich für falsch. Es entwertet alle Beteiligung, mitsamt ihren Ergebnissen.

Und vielleicht sollten Sie langsam eine Liste führen, um nicht den Überblick zu verlieren, wo Sie überall einen Runden Tisch hinstellen wollen.

Zweitens: Sie meinen, dass der Teilschulnetzplan sein Ziel verfehlt, ein regional ausgewogenes Bildungsangebot zu sichern. In der Begründung zum Antrag schreiben Sie, die kreisfreien Städte müssten sich ihrer Verantwortung für die umgebenden Landkreise bewusst sein. Eine Sogwirkung in Richtung großer Zentren müsse verhindert, die Standorte in der Fläche gestärkt werden. „Dies gelingt“, ich zitiere, „nur durch bessere Absprachen zwischen allen Betroffenen, insbesondere auch mit den kreisfreien Städten und den Landkreisen als Schulträgern“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Akzeptanz, die sie schaffen wollen, gibt es bei elf von dreizehn Schulträgern bereits. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass die kreisfreien Städte sich ihrer Verantwortung für ein ausgeglichenes Schulnetz bewusst sind.

Die Prognosen belaufen sich auf über 1.500 Schülerinnen und Schüler, die die kreisfreien Städte – sozusagen – „abgeben“. Die Landkreise – wohl gemerkt: alle Landkreise, auch Bautzen und Mittelsachsen – profitieren von diesen zusätzlichen Schülerinnen und Schülern. Hinzu kommen neue Ausbildungsgänge, die im ländlichen Raum entstehen, etwa weitere Klassen für Sozialassistenten und Erzieherinnen.

Neben diesen quantitativen Prognosen kommt mir der Aspekt der Profilierung zu kurz. Ein Ziel des Teilschulnetzplans besteht darin, regionale Kompetenzzentren zu etablieren und weiterzuentwickeln. Wer nur den Rechenschieber bemüht, der verkennt die inhaltlichen Überlegungen hinter den Plänen.

Erlauben Sie mir abschließend den Hinweis: Mit der Forderung nach einem Moratorium würde faktisch die Fachklassenliste ihre Gültigkeit behalten. Sie hoffen, damit Ausbildungsgänge im ländlichen Raum zu erhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Mit der Forderung nach der Aussetzung des Teilschulnetzplans erweisen sie dem ländlichen Raum einen Bärendienst. Die Mindestschülerzahl für die Klassenbildung wird vielerorts absehbar unterschritten. Eine darauf fußende Fachklassenliste würde Fakten schaffen, die nicht intendiert und kontrolliert wären, sondern unweigerlich die Ballungsräume stärken würde.

Ich lade Sie deshalb herzlich ein, den Teilschulnetzplan mitzutragen. Denn er ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem verlässlichen, stabilen Netz beruflicher Schulen.

Vielen Dank.