Verhinderung von Massenentlassungen − Lippold: Antrag der LINKEN ist verständlich, aber nicht zielführend
Rede des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema:
"Verhinderung von Massenentlassungen trotz Gewinnsteigerung"
68. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. März, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir haben hier bereits mehrfach miteinander über gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen diskutiert, zuletzt in der Aktuellen Debatte zu den geplanten Werkschließungen bei Siemens in Görlitz und Leipzig.
Sie, liebe Linke, versuchen hier Schritte zu gehen, indem Sie eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zur Anpassung von Kündigungsschutzgesetz und Betriebsverfassungsgesetz anregen.
Im Kern geht es um zwei Fragen.
1) Können Ihre Forderungen wirksam sein?
2) Wäre die mögliche Wirkung geeignet, nachhaltig für mehr Beschäftigung und Gerechtigkeit zu sorgen?
Zur ersten Frage, ob ihre Forderungen bei Umsetzung wirksam wären, glaube ich: nein. Um wirksame Forderungen aufzustellen, hätten Sie sie noch erheblich ausgestalten müssen.
Gerade bei großen globalen Unternehmen, aber auch bei weit verzweigten Unternehmensgruppen im Mittelstand werden die Gewinne oft nicht dort ausgewiesen, wo die Menschen ihren Arbeitsvertrag unterschrieben haben. Es gibt jede Menge Gestaltungsspielraum, um von Ihnen, liebe Linksfraktion, benannte Kriterien zu umschiffen.
Dasselbe trifft auch für Ihren Vorschlag zu, dem Betriebsrat des Unternehmens trotz positiver Ertragssituation Zustimmungsmöglichkeit einzuräumen.
Auch hier müssten Sie einen Schritt weiter denken. Geht es dabei etwa um den Gesamtbetriebsrat des Konzerns oder meinen Sie den Betriebsrat eines Tochterunternehmens?
Wie, denken Sie, würde ein Gesamtbetriebsrat entscheiden, wenn das Management vorrechnet, dass Einschnitte bei wenigen Tochterunternehmen mit ein paar hundert Beschäftigten die Muttergesellschaft mit einigen zehntausend Beschäftigten wirtschaftlich deutlich stabilisieren?
Eine solche Zustimmung, meine Damen und Herren, wäre dann wohl eher die Regel als die Ausnahme und der Ansatz liefe erneut ins Leere.
Auch zur zweiten Frage, wie Wirkungen Ihrer Forderungen aussehen könnten, möchte ich noch ein paar Sätze sagen.
Denn an dieser Stelle zeigen sich dezidiert Unterschiede in den wirtschaftspolitischen Ansätzen zwischen den Parteien und Fraktionen.
Wir als Grüne, meine Damen und Herren, stellen in jedem Bereich die Nachhaltigkeitsfrage.
Nur vorausschauendes Unternehmertum ist nachhaltiges Unternehmertum, so wie nur vorausschauende Politik nachhaltige Politik ist.
Auf dem Feld der Politik sehen Sie das häufig ganz genauso, liebe Linke.
Sie selbst fordern genau das im Handeln der Staatsregierung immer wieder zu Recht ein – nämlich zu handeln, bevor die Konsequenzen des Nichthandelns gravierend und damit für jedermann sichtbar werden.
Doch für die Wirtschaft verlangen Sie hier, größere strategische Entscheidungen – etwa zu Strukturen, Produktportfolios, Standorten – Entscheidungen also mit Personalwirksamkeit, solange zu erschweren, bis die Krise, die Ertragskrise, schon da ist. Dann fehlt aber in der Regel die eigene Kraft, sich wieder herauszuziehen.
Nun meinen Sie sicher, das stünde ja gar nicht in Ihrem Antrag.
Doch die Forderung in ihrem sicherlich gut gemeinten Antrag, dass jede nicht in Person oder Verhalten begründete Kündigung als sozial ungerechtfertigt gilt und damit unzulässig wäre, solange es im Unternehmen eine anhaltende, positive Ertragssituation gibt, bedeutet in der Konsequenz genau das.
Die "anhaltende positive Ertragssituation" ist immer ein Blick in den Rückspiegel. Unternehmerische Entscheidungen leiten sich jedoch aus dem Blick nach vorn – aus der Prognose – ab.
So bedeutet Ihre Forderung im Kern, aus der Vorausschau abgeleitete unternehmerische Entscheidungen mit Personalrelevanz erheblich zu erschweren, wenn es bisher gut gelaufen ist.
Es entspricht einem tiefen Gerechtigkeitsempfinden von einem Unternehmen, das hohe Gewinne einfährt, auch in besonderem Maße Verantwortung für das Gemeinwesen zu erwarten.
Es gibt eine Stelle, wo man vorhandene Hebel ansetzen kann, wenn man es nur möchte: Man muss dann endlich für Steuergerechtigkeit sorgen und Steuerflucht wirksam bekämpfen. Es kann nicht sein, dass der Buchhändler an der Ecke hier mehr Steuern zahlt als Amazon.
Auch drohender öffentlicher Reputationsverlust ist für Unternehmen ein ganz wichtiges und durchaus geldwertes Kriterium. Engagierte Wirtschaftspolitik hat auch an dieser Stelle scheinbar weiche, aber dennoch wirksame Einflussmöglichkeiten.
Es gibt auch viele gute Begründungen, sozial ausgerichteten Kündigungsschutz weiter zu verbessern und der Realität der globalisierten Industrie anzupassen. Doch ihn ausgerechnet damit zu begründen, dass es bisher im Unternehmen gut gelaufen sei, das halten wir für falsch.
Wir erkennen an, liebe Linke, dass Sie sich Mühe gemacht haben, das von vielen Menschen als unverständlich und zutiefst ungerecht empfundene Problem von Standortschließungen und Arbeitsplatzabbau in Konzernen zu adressieren, die parallel Milliardengewinne schreiben. Auch wir fordern hier mehr Verantwortung.
Zugleich halten wir den in Ihrem Antrag formulierten Ansatz für nicht zielführend. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung enthalten.
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