Volkmar Zschocke: Die Jugendpauschale muss dringend weiterentwickelt werden
Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Antrag der Fraktion DIE LINKE:
"Evaluation und Weiterentwicklung der Jugendpauschale im Freistaat Sachsen"
36. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 22. Juni 2916, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die sächsische Gesellschaft wird älter; junge Menschen auf dem Land werden weniger. Wie kann es gelingen, Angebote für alle Jugendlichen vorzuhalten, egal ob auf dem Land oder in der Großstadt? Welche Konsequenzen hat es, wenn Sachsen die Finanzierung der Jugendhilfe an die Anzahl der vor Ort lebenden jungen Menschen knüpft, wohl wissend, das diese auf dem Land immer weniger werden? Diese Fragen werden seit Jahren von der Opposition gestellt. Ehemals auch von der SPD. Ohne jedoch in der Sache weiterzukommen. Deshalb ist der vorliegende Antrag nach Jahren noch immer hochaktuell.
Die Staatsregierung betont, dass „das Förderinstrument Jugendpauschale sich grundsätzlich bewährt“ hat. Damit wird ein Teil der Diskussion um die Jugendpauschale bereits abgewürgt. Denn die Förderung der Jugendhilfe pro Kopf bleibt umstritten. Zum Einen werden die ländlichen Regionen benachteiligt. Dort ist es ungleich schwerer, Angebote in der Fläche zu halten. Zum Anderen bestätigen Experten, dass die zu betreuenden Einzelfälle komplexer und schwieriger werden. Das Rechenmodell zur Finanzierung der Jugendhilfe ist daher zu überdenken.
Wir fordern seit Jahren eine Grundfinanzierung für Kreise und Städte, einen Mindestbetrag für alle Regionen. Der 2013 eingeführte „Demografieausgleich“ gleicht den Stadt-Land-Unterschied nicht ausreichend aus.
Wenn es schon bei einem „weiter so“ bleiben soll, dann sollte mindestens diskutiert werden, WIE die Jugendpauschale weiterentwickelt werden muss. Da stellen sich vielen Fragen:
1. Die Jugendpauschale wurde 2010 massiv gekürzt. Im aktuellen Haushalt gab es eine leichte Erhöhung. Wofür fehlt trotz Anhebung das Geld? Wie ist der tatsächliche Bedarf?
2. Die letzten Kinder- und Jugendberichte verschwanden nach der Veröffentlichung schnell in einer Schublade und gerieten in Vergessenheit. Im vierten Sächsischen Kinder- und Jugendbericht wird deutlich formuliert, dass eine Neufassung der Förderrichtlinie notwendig ist. Was wird daraus?
3. Alternativvorschläge zur Finanzierung der Jugendhilfe in Sachsen liegen seit Jahren auf dem Tisch. Der Sächsische Landkreistag schlägt z. B. ein Jugendbuget vor statt der Pauschale. Wie positioniert sich die Koalition zu den Vorschlägen?
4. Wenn die Gelder gerade so ausreichen, den problematischen „Einzelfall“ zu betreuen, ist keine offene, präventive Kinder- und Jugendarbeit mehr finanzierbar. Was tut der Freistaat dafür, das es ausreichend Jugendhilfeangebote gibt, bevor Probleme entstehen und Hilfen zur Erziehung in Anspruch genommen werden müssen?
5. Für die Betreuung unbegleiteter minderjährige Flüchtlinge müssen neue Konzepte erarbeitet werden. Sind die Mittel der Jugendpauschale dafür ausreichend?
Diese Fragen bleiben weiter unbeantwortet. Ich wollte Anfang 2015 wissen, wann und in welche Richtung die Richtlinie überarbeitet wird. Die Antwort der Ministerin: „Eine Überarbeitung ist gegenwärtig nicht vorgesehen“.
Auch die Kritik des Landesrechnungshofes an der Jugendpauschale ist alarmierend.
1. Die Höhe der Pauschale ist von Beginn an willkürlich. Seitens des Ministeriums war allein die Kassenlage entscheidend, nicht die Problemlagen in den Regionen.
2. Die Fördergegenstände sind ungenau beschrieben und sorgen für Unklarheit.
3. Das Sozialministerium steuert nicht, sondern lässt den KSV die Pauschale ausreichen. Das missachtet den gesetzlichen Auftrag und geht nicht auf unterschiedlichen Gegebenheiten der Kreise und Städte ein. Die Verantwortung wird an die Kommunen abgeschoben.
Fazit: Die Förderrichtlinie muss dringend novelliert werden.
Sie sehen, nicht nur die Opposition ist der Auffassung, dass die Pauschale dringend weiterentwickelt werden muß, damit Kinder- und Jugendarbeit ihrem Auftrag gerecht werden kann. Der Handlungsbedarf ist groß. Wir stimmen zu.