Waldzustandsbericht 2016 – Günther: Mit Waldumbau den Wald fit gegenüber Schädlingen und Wetterextremen machen

Rede des Abgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE) zum Waldzustandsbericht 2016 (Drs 6/8737)
50. Sitzung des Sächsischen Landtags, 15. März, TOP 11

– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal muss man feststellen, die Zeiten des Waldsterbens, die wir seit den
1970er Jahren bis Anfang der 1990er hatten, sind Gott sei Dank vorbei. Daran muss
man immer wieder erinnern, wenn man über den Zustand unseres Waldes spricht.

Dazu gehört eben auch der Waldzustand, aus dem wir kommen, und wie geschädigt der
Wald war mit kahlen Kammlagen im Erzgebirge und mit wirklichen
Schreckensbildern. Von daher ist der sächsische Wald heute in einem wirklich ganz
anderen Zustand.

Allerdings: Wenn man sich im Waldzustandsbericht den Vergleich von 1991 zu heute
anschaut, dann muss man konstatieren, dass sich über die Jahre der Anteil der
Bäume, die wirklich gesund sind, nicht wesentlich verändert hat. Er schwankt jeweils
um die 40 % mit einer gewissen Toleranz. Was wirklich zurückgegangen ist, ist der
Anteil der deutlich geschädigten hin zu schwach geschädigten Bäumen. Das heißt:
Hier ist eine Entwarnung also noch lange nicht gegeben. Weniger als die Hälfte der
sächsischen Bäume ist gesund – das kann einen nicht zufriedenstellen. Wenn wir
schauen, wo wir hinwollen, nämlich zu natürlicheren Wäldern und mehr
standortgerechten Bäumen – also mehr Laubbäumen –  dann müssen wir auch zu
unserem Hauptbaum kommen, der hier natürlicherweise vorkommen würde, nämlich
die Rotbuche.

Bei der Buche muss man sagen, dass hier nur noch jeder vierte Baum gesund ist.
Hier haben wir im aktuellen Waldzustandsbericht den Vergleich zum Vorjahr. Wir
haben auch schon gehört, dass die Kronendichte 2016 nicht sehr hoch gewesen
ist. Das wurde damit begründet, dass 2016 ein Mastjahr mit vielen Bucheckern
gewesen ist. Dabei wird die Kraft mehr in diese Bucheckern gelegt und nicht so sehr
in die Blätter. Das klingt auf den ersten Blick zunächst plausibel. Wenn man sich
dann aber den Zustand der Buche anschaut, stellt man fest, dass 1991 nur ein
einstelliger Prozentsatz der Buche geschädigt war, während wir jetzt bei weit über
40 Prozent –  nämlich bei 47 Prozent –  liegen. Es ist also ein wirklich dramatischer Anstieg zu sehen. Während es damals noch knapp 60 Prozent waren, die ungeschädigt waren, betrifft
das heute nur noch ein Viertel der Bäume. Hier sieht man: Das ist eine riesige Aufgabe – gerade weil das der Baum ist, um den wir uns mit am meisten kümmern müssen.

Wenn man sich den Bericht anschaut, dann muss man feststellen, dass wir
beispielsweise das Problem des Waldsterbens mit den hohen
Schwefeldioxidkonzentrationen seit den 1970er Jahren jetzt wirklich in den Griff
bekommen haben. Das war eine riesige Baustelle. Eine andere Baustelle, wie etwa Ozon, ist aber noch nicht beseitigt. Noch 2011 gab es im Waldzustandsbericht Aussagen darüber, die jetzt leider fehlen.

Ich zitiere daher noch einmal kurz aus dem Waldzustandsbericht 2011, um zu zeigen, warum das für uns ein Thema ist: „Ozon ist ein farbloses Gas, welches sich bei Sonneneinstrahlung aus Stickoxiden, vor allem aus dem Kraftverkehr und der Industrie, bildet, wodurch dreiatomiger Sauerstoff entsteht. Erhöhte Ozonkonzentrationen können bei Pflanzen Erscheinungen bis hin zum Zelltod hervorrufen. Das Ozon dringt durch die Spaltöffnungen in die Blätter ein und schädigt die Stomata, die Zellwände und andere Zellbestandteile, verlangsamt die
Fotosyntheseaktivität, verändert den Stoffwechsel und macht die Pflanzen anfälliger
für Insekten, Pilze usw.“

Wo kommen diese Stickoxide her? Vor allen Dingen aus Abgasen. Hier sieht man,
dass Waldpolitik eben nicht eine Nische in Bezug auf Wald ist, sondern Waldpolitik
ist ein Querschnittsthema, bei dem es um Klimaschutz- und Verkehrspolitik, aber
auch um Wirtschaftspolitik geht. Denn diese Schäden bei der Buche kommen ja nicht
von irgendwo her. Da frage ich mich schon, warum ausgerechnet zum Ozon, das einen
dieser Wirkpfade beschreibt, keine Aussagen mehr im Waldzustandsbericht
enthalten sind.

Das Ozon schädigt natürlich auch andere Laubbäume. Wenn man beispielsweise die
Steinrückenlandschaften im Erzgebirge bewandert, stellt man fest, dass schon im August die Ebereschen beginnen, ihr Laub abzuwerfen –  also viel zu früh. Auch dort zeigt sich also ein deutliches Problem. Im Übrigen liegen auch Messwerte vor, was das Ozon betrifft. Das LfULG untersucht das ja. Es hat vier Standorte am Erzgebirgskamm, und überall liegen die Ozonwerte deutlich über den Zielwerten.

Nun noch zu dem Punkt „Vorbild Staatsforst“: Das ist das Thema Waldumbau, den
wir erreichen wollen, zu klimaangepassten Wäldern und zu höheren
Laubwaldbeständen. Hier muss man einfach feststellen, dass auf der Hälfte der rund
200 000 Hektar des Staatswaldes immer noch Fichten außerhalb ihres natürlichen
Verbreitungsgebietes wachsen. Das ist vielfach ein Erbe aus Vorzeiten, das man
dem heutigen Sachsenforst nicht mehr vorwerfen kann, aber die Bestände sind
vorhanden. Hier muss man vielfach von artenarmen Monokulturen sprechen. Diese
sind besonders anfällig für Trockenheit, Klimaextreme, aber auch für Schädlingsbefall. Wir haben vorhin schon gehört –  Herr Breitenbuch hatte es erwähnt -,  dass hierzu die Buchdrucker und Kupferstecher gehören. Für den nordsächsischen Bereich ist es die Kiefernbuschhornblattwespe, die auf dem Vormarsch ist.

Die Probleme bestehen nicht darin, dass es diese Tiere gibt; die gab es schon immer. Die Probleme entstehen erst dann, wenn diese in einer Riesenmonokultur einen gedeckten Tisch vorfinden. Wenn sie dort hineingehen, hat man gleich in der gesamten Fläche ein Problem.

Das bedeutet, wir müssen dort mit unserem Waldumbau deutlich vorankommen.
Bisher haben wir auf weniger als einem Drittel der Waldfläche des Freistaates Laubbäume – das ist viel zu wenig. Gerade die Hauptbaumarten Eiche und Buche machen zusammen weniger als 15 Prozent aus. Hier haben wir eine riesige Aufgabe. Wenn man sich jetzt anschaut, in welcher Geschwindigkeit der Waldumbau vorangeht – im letzten Jahren immer zwischen 1 300 und 1 500 Hektar im Jahr – und man das hochrechnet, brauchen wir noch über 100 Jahre, ehe wir das geschafft
haben. Das soll die Leistung, die wir schon erbracht haben, nicht schmälern, aber wir
müssen noch mehr tun, auch weil der Klimawandel nicht auf sich warten lässt. Das
gilt ebenso für die Wetterextreme, die wir zu verzeichnen haben. Wenn wir wirklich zu einem Wald kommen wollen, der sich standortgemäß selbst verjüngt, und das auch ohne Zäune, dann sind wir wieder bei der Problematik Wild und Wald.

Ein Baustein dazu ist etwa auch der Erhalt der Biodiversität aus sich selbst verjüngenden Wäldern. Das betrifft die Regenerationsfähigkeit – unsere Forderung, die auch aus dem Beschluss der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt herrührt,  einmal 10 Prozent der staatlichen Forstflächen zu Prozessschutzflächen zu machen, in denen der Wald wirklich seinen natürlichen Prozessen überlassen und nicht forstwirtschaftlich genutzt wird. Damit sind wir im Freistaat gerade einmal bei 2,5 Prozent. Hier haben wir also noch eine große Aufgabe. Wenn wir solche Flächen haben, nutzen sie nicht nur der Artenvielfalt, dem Artenschutz, sondern dort kann man auch
ganz viel lernen, wenn man dies wissenschaftlich begleitet und untersucht, wie sich
natürlicher Wald dem Klimawandel, den wir jetzt haben, anpasst. Das kann uns also
wirklich helfen.

Ein weiterer Punkt, den man deutlich unterscheiden muss, ist: Wir reden vom
Waldzustand, also von Wäldern, und es ist kein Forstzustandsbericht. Wald und
Forst, das ist nicht identisch, sondern man kann Förster und auch ein Leitbild Wald
haben. Forst, das ist vor allem wirtschaftlich genutzte Fläche. Da geht es um
Festmeter, die man herausholt.

Für die Waldwirtschaft gibt es das gute internationale Zertifikat, das FSC-Siegel, von
dem wir als GRÜNE immer fordern, auch in Sachsen dazu zu kommen. In Sachsen
ist gerade einmal 1 Prozent der Waldfläche zertifiziert.

Wir haben in Sachsen ein anderes Siegel. Als man Anfang der 1990er Jahre das FSC-Siegel entwickelte, hat die Holzindustrie mit PEFC ein eigenes Siegel entwickelt, weil ihr das
andere zu ökologisch und zu sozial war. Man kann dabei von „Green washing“ sprechen. Dieses Siegel benutzen wir beim Sachsenforst. Es geht aber anders.
Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin und zahlreiche Gemeindeprivatwälder sowie Körperschaftswälder in der Bundesrepublik haben das richtige FSC-Siegel.

Ich würde sehr dafür plädieren, dass wir uns in Sachsen einen Ruck geben und auch
einen Beitrag dazu leisten. Dafür gibt es die Richtlinien, wie man zu einem naturnahen
Wald kommt, die müssen wir gar nicht neu erfinden. Wie wir auch im Vergleich mit
dem Waldsterben in den 1970er Jahren sehen, hält Wald insgesamt viel aus. Unser
Wald wird auch irgendwie mit dem Klimawandel zurechtkommen. Es wird vielleicht
Perioden geben, in denen es ziemlich schlimm aussieht, wenn Stürme oder wenn
Schädlinge hindurchrauschen. Aber da erkennt man die Gefährdungen, die wir nicht
erleben wollen.

Die Herausforderungen sind jetzt klar. Wir berücksichtigen Dürre, Waldbrände,
Starkniederschläge, auch Phänomene in Verbindung mit wärmeren Zeiten. Dann
sind die Laubzeiten länger, und wenn Winter wieder früher einbrechen, ist auch die
Sturmbruchgefahr höher.

Deswegen ist mein Plädoyer, tatsächlich mit dem Waldumbau voranzukommen und
keine bloße Forstpolitik, sondern eine richtige Waldpolitik zu betreiben, die alle diese Aspekte – wie Verkehrspolitik und Energiepolitik – berücksichtigt.

Vielen Dank.

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