Weiterentwicklung des Familienpasses – Kuhfuß: Wir fördern Teilhabe genau dort, wo Eltern sie nicht finanzieren können
Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Zeit für Familien schaffen – Familienpass weiterentwickeln“ (Drs 7/9382)
47. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 24.03.2022, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren,
Familie ist für uns, wer zusammen am Tisch sitzt und sein Leben teilt. Dieser Küchentisch steht für manche in einem großen Haus und für manche in einer kleinen Neubauwohnung.
Familie heute ist weit mehr als das, was wir unter Vater, Mutter und Kind verstehen. Familie verändert sich. Und ein Familienpass muss sich mit ihr verändern.
Deshalb wollen wir:
- eine Bilanz zur Weiterentwicklung in den vergangenen zehn Jahren ziehen,
- den Familienpass noch bekannter machen,
- den Wirkungskreis auf Senior*innen mit einer kleinen Rente – also Anspruch auf Grundsicherung – erweitern und somit den Familienbegriff auch generationsübergreifend prägen und
- schauen, welche Erweiterungen außerdem sinnvoll sind.
Jede Form der Familie hat unsere volle Aufmerksamkeit verdient. Gestern haben wir einen Koalitionsantrag zur Unterstützung Alleinerziehender beschlossen. Mit dem Antrag heute soll der Familienpass für Familien und Eltern in besonderen Lebenslagen attraktiver werden.
Der Familienpass ermöglicht freien Eintritt in Museen, Sammlungen, Burgen, Schlösser und Gärten des Freistaats. So soll der Zugang zu Kultur in der Freizeit für
- Alleinerziehende mit zwei und mehr Kindern,
- Familien mit drei und mehr Kindern und
- Eltern mit einem schwerstbehinderten Kind
erleichtert werden.
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Kreis der Familien zu erweitern. Nun beauftragen wir die Staatsregierung, dieses Ziel gemeinsam mit dem Parlament umzusetzen. Wir BÜNDNISGRÜNE können uns beispielsweise vorstellen, den Familienpass zukünftig auch für Alleinerziehende mit einem Kind zu öffnen.
Teilhabe und kulturelle Bildung sind große Begriffe. Der Familienpass zeigt, wie das ganz konkret aussehen kann, diese für eine weitere Gruppe leichter zugänglich zu machen.
Sachsen hat eine vielfältige Kulturlandschaft, die es lohnt zu entdecken. Um nur einige Einrichtungen zu nennen: Die Kunstsammlungen und das Hygienemuseum in Dresden, das Archäologiemuseum in Chemnitz, Mineralien und Kristalle in Freiberg und die Festung Königsstein.
Wer mich etwas kennt, der weiß, dass ich als Sozialpolitikerin mantraartig die Wichtigkeit von Freizeitangeboten und informeller Bildung betone. Kinder und Jugendliche haben hier durch die Corona-Pandemie einiges nachzuholen. Wenn wir das mit dem Familienpass unterstützen können, umso besser!
Die Linksfraktion möchte mit einem eigenen Antrag im nächsten Ausschuss den Kreis der Anspruchsberechtigten und die Vergünstigungen über den Familienpass deutlich erweitern. Dieser sozialpolitische Griff nach den Sternen würde allen Familien das Angebot machen, Vergünstigungen zu bekommen. Viele Städte und Kommunen gehen diesen Schritt bereits und haben kostenlosen Eintritt für unter 18-Jährige oder sehr reduzierte Eintrittspreise für alle, die kein eigenes Einkommen haben.
Diesen Standard auf alle Landkreise zu überragen, bedeutet auch, die Kofinanzierung zu übernehmen und die Finanzierung im Haushalt 2023/24 abzubilden.
Sollte der Familienpass tatsächlich auf alle Kinder unter 18 Jahren (mit Kindergeldanspruch) erweitert werden, wie die Linksfraktion es in ihrem Antrag fordert, dann hätten wohl mehr als 500.000 Kinder Anspruch darauf. Der Familienpass würde dann für fast alle Familien gelten und würde damit vollkommen neu definiert.
Aktuell stellen wir im Landeshaushalt 65.000 Euro jährlich zur Verfügung, um den Kultureinrichtungen ihre Einnahmeausfälle zurück zu erstatten. Wenn der Wirkungskreis auf alle Familien mit Kindern und Jugendlichen erweitert wird, braucht es einen deutlich höheren Ansatz im Haushalt.
Ich gönne jeder Mittelschichtsfamilie den kostenlosen Eintritt ins Freibad. Aber wissend, das wir Geld nur einmal ausgeben können, bin ich gegen das Gießkannenprinzip und für eine Förderung der Teilhabe, genau dort, wo Eltern sie nicht finanzieren können.
Unser Prüfauftrag kommt deshalb jetzt genau zur richtigen Zeit mit Blick auf die im Herbst anstehenden Haushaltsverhandlungen.
Wir als Freistaat sollten natürlich dafür werben, den Familienpass mit kommunalen Angeboten zu erweitern. Es wäre toll, wenn Familien zum Beispiel freien Eintritt für die städtische Eislaufbahn erhalten oder einen kostenfreien Bibliotheksausweis bekommen. Aber wir können es hier nicht einfach beschließen. Wir brauchen hier die Kommunen mit im Boot!
Wir gehen mit diesem Antrag heute einen Schritt in die richtige Richtung. Und ich hoffe, weitere Schritte werden folgen. Ja, ich hätte mir in diesem Antrag noch etwas mehr „machen“ und weniger „prüfen und berichten“ gewünscht. Aber da ist es in einer Koalition dann doch wie in vielen guten Familien. Die einen wollen in den Urlaub an die Ostsee, die anderen in die Alpen. Zum Schluss einigt man sich dann auf die Talsperre in Thüringen, weil es in der Mitte liegt. Besser ein Kompromiss, als gar keinen Urlaub.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag!